»Die Methode zu Philosophieren ist sich wahnsinnig zu machen, und den Wahnsinn wieder zu heilen.« Wittgenstein



Ludwig Wittgenstein

Ludwig Wittgenstein (1889–1951) war ein Österreichisch-Britischer Sprachphilosoph und Logiker. Bevor er sich der Philosophie zuwandte, war er Ingenieur. Er hatte einen großen Einfluss auf die sprachanalytische und dadurch auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts insgesamt. Stammte aus einer Großindustriellenfamilie und hatte zu dreiviertel jüdische Vorfahren. Verschenkte sein Millionenerbe (größtenteils allerdings an seine sowieso reichen Geschwister) und lebte in großer Bescheidenheit. Litt sein Lebenlang unter Depressionen und war häufig am Rande des Selbstmordes. (Drei seiner Brüder wählten den Freitod.)

Der frühe Wittgenstein untersuchte die Sätzen nach Wesen, Form und Wahrheit. Sätze seien Bilder der Wirklichkeit, so wie wir sie denken. Sätze der Logik seien Tautologien und eigentlich sinnlos. Wittgenstein behauptete, Philosophie sei keine Lehre, sondern eine Tätigkeit, und zwar Sprachkritik. Die Philosophie wollte er in eine Wissenschaft von der Sprache auflösen. Problematische Sätze müssten einem klar werden, dann würden sie aufhören problematisch zu sein. Philosophische Probleme gebe es eigentlich gar nicht.

Unterschieden wird zwischen »Wittgenstein-1« und »Wittgenstein-2«, da seine Spätphilosophie sosehr von seiner Frühphilosophie abweicht, dass sie einem anderen Denker zugeschrieben werden könnte. Wittgenstein-1 – Werk: Tractatus logico-philosophicus, dt. Logisch-philosophische Abhandlung – hat den Logischen Positivismus stark beeinflusst und war umgekehrt auch stark von ihm beeinflusst. (Er hatte in enger Verbindung mit den Gedanken Russells seine Philosophie entwickelt.) Wittgenstein-2 – Werk: Philosophische Untersuchungen – wendete sich dann der Untersuchung der Alltagssprache zu und hat eine große Bedeutung für die moderne Sprachphilosophie und Linguistik. Während Wittgenstein-1 glaubte, die von ihm behandelten Fragen endgültig gelöst zu haben, kritisierte Wittgenstein-2 diese Auffassung.


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Wittgenstein I

Wittgenstein-1 will nach eigenen Worten mit dem Tractatus »dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken.« Er meint »Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.« Von dieser Auffassung ausgehend betreibt Wittgenstein-1 Sprachanalyse.

Der von Wittgenstein-1 betriebene »linguistic turn«, die Hinwendung zur Sprache war für die Philosophie des 20. Jahrhunderts von großer Bedeutung. Sprache und Denken seien unauflösbar miteinander verbunden und da Philosophieren Denken bedeute, müsse Philosophieren Sprachanalyse sein. Philosophische Probleme verstehen, bedeute grundsätzlich, die Funktionsweise der Sprache verstehen.

Grundbegriffe des Tractatus:

Die Welt ist für Wittgenstein-1 nicht die Gesamtheit aller Dinge sondern aller Sachverhalte, aller Beziehungen. In wie weit die Dinge selbst zur Welt gehören, bleibt unklar. (Schon  Cusanus sah die Welt als ein Relationsgeflecht. Ähnlich sieht es auch der  Strukturalismus und der  Poststrukturalismus.)

Abbildtheorie der Erkenntnis: Die Bedeutung eines Wortes bestehe in seinem Bezugsgegenstand. Der Satz ist ein Bild der Wirklichkeit. Der Satz zeigt die logische Form der Wirklichkeit. (gebe es keinen Apfel, würde die Sprache »leerlaufen«). So wie ein Sachverhalt eine Verbindung von Dingen, so ist der Satz eine Verbindung von Namen bzw. Wörtern. Die Bedeutung eines Namens ist sein Gegenstand.

Wahrheit sei die Übereinstimmung der Strukturen der Wirklichkeit und der Strukturen des Satzes. ( Korrespondenztheorie der Wahrheit. Bloß nicht auf Dinge, sondern auf Sachverhalte, sprich Relationen bezogen.)

Es gibt einfache und komplexe Sachverhalte. Ihnen entsprechen einfache und komplexe Sätze.

Bezüglich des logischen Atomismus und der Elementarsätze gilt für Wittgenstein-1 das gleiche wie für den frühen  Russell. Die Wirklichkeit könne (analytisch) in ihre atomaren Einzelheiten zerlegt werden und zu jedem dieser atomaren Einzelheiten könne dann ein wahrer atomarer Satz gebildet werden. Als Wittgenstein-1 und Russell diese Position vertrat, gab es bei ihnen keinerlei Erkenntnispessimismus, sondern radikalen Empirismus. Zwischen atomaren Tatsachen und atomaren Sätzen gebe es eine Isomorphie.

Wittgenstein-1 engt Sprache auf ihre deskriptive Funktion ein. Sie soll ausschließlich das Bestehen oder Nichtbestehen von Sachverhalten beschreiben. In dem Zusammenhang spricht Wittgenstein-1 von

  1. sinnvollen
  2. sinnlosen und
  3. unsinnigen Sätzen

Sinnvolle Sätze: Wenn ich sage: »Herr Schmidt tritt mir auf den Fuß«, ist dies nach Wittgenstein-1 ein sinnvoller Satz. Egal, ob mir Herr Schmidt auf den Fuß tritt, oder nicht. Tritt er mir auf den Fuß, ist der Satz wahr, er beschreibt das Bestehen eines Sachverhalts. Tritt mir Herr Schmidt nicht auf den Fuß, ist der Satz zwar falsch, aber nicht sinnlos. Er beschreibt dann das Nichtbestehen eines Sachverhalts.

Sinnlose Sätze: Wenn ich sage »Herr Schmidt tritt mir auf den Fuß oder tritt mir nicht auf den Fuß«, ist dies eine Tautologie, die immer wahr ist. Wenn ich sage »Herr Schmidt tritt mir auf den Fuß und tritt mir nicht auf den Fuß« ist dies eine Kontradiktion, die immer falsch ist. Beide Sätze sind nach Wittgenstein-1 sinnlose Sätze, da sie unabhängig von den Sachverhalten erstens immer wahr, zweitens immer falsch sind.

Unsinnige Sätze: Und wenn ich nun sage: »Herr Schmidt, treten sie mir bitte nicht auf den Fuß«, dann ist dies nach Wittgenstein-1 ein unsinniger Satz, weil er keine Wirklichkeit beschreibt. [Eine sehr eingeschränkte Vorstellung von »Sinn« und von »Wirklichkeit«!]

Letzterer Satz ist eine Aufforderung. Ich erbitte etwas. Damit beschreibe ich aber keine Sachverhalte. Der Satz. »Liebe Deinen Nächsten!« ist nach Wittgenstein-1 nicht wahr oder falsch, er ist unsinnig. »Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt.« So Wittgenstein-1. Man könne sie nur »erschweigen«. [Also werde ich Herrn Schmidt mit vorwurfsvoller Miene ansehe, aber kein Wort sagen, um keinen Unsinn zu reden. Was aber, wenn Herr Schmidt blind ist? Dann kann ich ihn immer noch anstupsen ;-) ]

Auch die Sätze des Tractatus seien letztlich unsinnig. »Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist.« [Ich könnte nun etwas polemisch sagen, »eine wahrhaft unsinnige Philosophie«. Das mache ich aber nicht. Denn der Tractatus hat ja einen Sinn. Jedenfalls gemessen daran, was man im Allgemeinen unter »Sinn« versteht. Wittgenstein-1 engt den Begriff »Sinn« zu sehr ein.]

Wittgenstein-1 unterscheidet zwischen »sagen und zeigen«. Manches könne man sagen, anderes könne man nur zeigen, z. B. Logik, Ethik, Ästhetik, Ich, Solipsismus. [Allerdings spricht Wittgenstein-1 viel über die »Dinge« die sich nach seiner Auffassung nur zeigen lassen. Er hält sich selbst überhaupt nicht an sein Verbot.]

Im Gegensatz zu Russell geht Wittgenstein-1 davon aus, dass  logischen Konstanten (und, oder, nicht, wenn ... dann ...) nicht vertreten. Namen vertreten im Satz Dinge, logische Partikel vertreten nicht. »Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm. Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was sich in der Sprache ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrücken. Der Satz zeigt die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf.« [Ob logischen Konstanten vertreten oder nicht, hängt davon ab, wie eng oder wie weit man den Begriff Wirklichkeit fasst.]

Ein Satz zeigt seinen Sinn in der Verbindung seiner Namen. Es gibt aber keine sinnvollen Sätze über das, was Sätze ausmacht.

Ein Satz ist einerseits ein Bild eines Sachverhaltes, andererseits eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze. Es gibt einfache Sachverhalte und komplexe Sachverhalte, die aus einfachen Sachverhalten zusammengesetzt sind. Und so gibt es einfache und komplexe Sätze, die aus einfachen Sätzen zusammengesetzt sind. Werden einfache bzw. Elementarsätze verbunden, ergibt sich der Wahrheitswert des umfangreicheren bzw. komplexeren Satzes daraus, ob die ihn bildenden Elementarsätze wahr sind.

Bezogen auf den Universalienstreit ist Wittgenstein-1 Nominalist und lehnt den Realismus ab. Allgemeinbegriffe führen zu unsinnigen Scheinsätzen. Da Wittgenstein nicht in der philosophischen Tradition steht, wird das bei ihm allerdings anders formuliert. »So kann man z. B. nicht sagen ›Es gibt Gegenstände‹, wie man etwa sagt: ›Es gibt Bücher‹. Und ebensowenig: ›Es gibt 100 Gegenstände‹, ... Wo immer das Wort ›Gegenstand‹ ... richtig gebraucht wird, wird es in der Begriffsschrift durch den variablen Namen ausgedrückt. ... Wo immer es anders, also als eigentliches Begriffswort gebraucht wird, entstehen unsinnige Scheinsätze.« Die  Ideenlehre Platons wird so zu einer Sammlung von Scheinsätzen.

Bei seinen Auffassungen über das menschliche Bewusstsein und dessen Inhalten ist Wittgenstein-1 ein psychologischer  Aktualist, bloß da er nicht in der philosophischen Tradition steht, drückt er das in anderen Wörtern aus. Psychologischen Vorgängen wie Glauben, Denken, Vorstellen, Träumen etc. liege keine psychische Substanz zu Grunde, also keine Seele. Alle diese Vorgänge sind aus objektiven inneren Bildern zusammengesetzte Sachverhalte. [Das Subjektive wird objektiviert. Jetzt fehlt nur noch der Sprung zur Dialektik, das nämlich alles subjektiv und alles objektiv ist, jenachdem, wie man es gerade sieht.]

Aus dem Nichtvorhandensein einer psychischen Substanz schließt Wittgenstein-1 »Das denkende, vorstellende, Subjekt gibt es nicht.« (Wie die  Poststrukturalisten.)

Die Logik sei der Schlüssel zu aller Erkenntnis – sowie zu deren Grenzen.

Jenseits dieser Grenze liege das Mystische: Ich, Gott, Sinn der Welt etc.

Wittgenstein-1 will philosophische Probleme nicht lösen, sondern zum Verschwinden bringen. »Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems.«

Für die wichtigen Bereiche Ethik, Religion, Kunst gelte: Wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet seien, seien unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt. [Darüber nachzudenken hat er verworfen, weil er denken zu stark nur mit Logik verbunden hat.]

Der Tractatus schließt mit dem oft zitierten Satz: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen

Über das Ethische, das Leben, über das Ich, das Subjekt, die Gesamtheit der Welt, ihren Sinn, über Gott könne man nicht reden. Es zeige sich, in dem man das Sagbare sagt. Allerdings redet Wittgenstein über alle diese Dinge, er hat eine Menge zu dem Nichtsagbaren gesagt. (Aber zu der Erkenntnis »Man kann darüber sprechen und doch nicht darüber sprechen«, zu der Erkenntnis kommt er scheinbar nicht.) [Das wäre die von mir favorisierte dialektische Sicht.]

Wittgenstein-1 kommt zu dem Ergebnis, dass Philosophie keine Lehre ist, sondern eine Tätigkeit, die den Sinn der Sprache erklärt. Dies habe er mit den Tractatus gemacht. Alle philosophischen Probleme seien nun gelöst bzw. als unsinnig entlarvt. Wittgenstein-1 glaubte die Philosophie erledigt zu habe, ihre Unmöglichkeit bewiesen zu haben. In der Konsequenz hörte Wittgenstein auf, sich mit Philosophie zu beschäftigen und wandte sich anderen Tätigkeit zu. [Wenn jemand glaubt, ein Gebiet der Geistesgeschichte der Menschheit, mit dem sich die Menschen seit 3.000 Jahren beschäftigen, mal eben in ein paar Jahren abschließend gelöst zu haben, dann ist dies schlicht weg Größenwahn. Da mag der, der das glaubt noch so genial sein. Das haben allerdings viele andere Philosophen vor Wittgenstein auch so oder ähnlich geglaubt.]


Nachdem er viele Jahre als Volksschullehrer gearbeitet hatte und dabei beobachtete, wie Kinder den Umgang mit der Sprache lernen und wie sie mit Sprache umgehen, begann Wittgenstein sich über diese Vorgänge Gedanken zu machen und kehrte langsam zur Philosophie zurück. Er wandte sich der Untersuchung der Alltagssprache zu. Was er nun erdachte, stand in starkem Kontrast zu seinen früheren Auffassungen. Gemeinsam bei Wittgenstein-1 und Wittgenstein-2 ist, dass sie sich schwerpunktmäßig mit der Sprache beschäftigen. Und auch Wittgenstein-2 glaubt, die Philosophie erledigen zu können. Diesmal allerdings mit anderen Methoden.


Wittgenstein II

Wittgenstein-2 kam zu der Auffassung, dass die Philosophie von Wittgenstein-1 schwere Irrtümer enthalte. Die Wirklichkeit sei gar nicht so eindeutig wie er früher geglaubt hatte. Auch die Sprache sei überhaupt nicht so zuverlässig, wie er angenommen hatte. Wirklichkeit und Sprache seien mehrdeutig und vage. Deshalb könne die Sprache kein Bild der Welt sein. Man könne durch Sprache keinen klaren Gedanken ausdrücken. Eine Unterscheidung zwischen einfachen und komplexen Sachverhalten sei gar nicht möglich. Die Forderung nach Exaktheit durch die Theoretiker der  idealen Sprache gehe deshalb in die Irre. Da Wörter mehrdeutig und vage seien, könne ihre Bedeutung nicht durch Logik ermittelt werden, sondern nur indem man erkennt, wie sie in den alltäglichen Situationen verwendet würden.

An die Stelle der Elementarsätze des Tractatus treten nun umfangreiche Satzsysteme, Wittgenstein-2 nennt sie auch Kalküle, die nach strengen Regeln funktionieren. Eine dieser Regeln ist die Grammatik.

Die Grammatik sei etwas Autonomes, sie sei von der Wirklichkeit unabhängig und könne von nichts außerhalb von ihr liegendes bestimmt werden.

Die Sprache selbst wird zu etwas Autonomen.

Anderseits wird die Sprache wiederum als etwas komplexes angesehen, das in noch komplexere Tätigkeiten, Lebensformen eingebettet ist. Dadurch wird die von Wittgenstein-2 behauptete Autonomie eingeschränkt. Wittgenstein-2 ist hier widersprüchlich oder aber, die Autonomie von Sprache und Grammatik hat er ein Weile angenommen, später dann aber faktisch wieder verworfen.

War Wittgenstein-1 weitgehend ein Naiver Realist, so entwickelt Wittgenstein-2 konstruktivistische Auffassungen. Der Methodischer Konstruktivismus war stark von ihm beeinflusst, wenn nicht verursacht. Die Radikalen Konstruktivisten sehen in Wittgenstein einen ihrer Vorläufer.

Wittgenstein-2 wurde anthropozentrisch. (Dass der Mensch evolutive Vorgänger hat, die Tiere, dass diese bereits um sich eine Welt und in sich Empfindungen haben, ohne bereits über Sprache zu verfügen, das lässt sich in die Philosophie von Wittgenstein-2 schwer einordnen.)

Die in verschiedenen Situationen oder Lebensformen verwendete Sprache, in den die Wörter jeweils eine verschiedene Bedeutung haben, nennt Wittgenstein-2 »Sprachspiele«. (Die nicht so strengen Regeln folgen, wie die Kalküle.) Sprachspiele sind

Wittgenstein-2 wendet sich gegen eine  realistische Vorstellung von der Bedeutung der Wörter, wie sie Wittgenstein-1 selbst noch vertreten hatte. (Ein Wort steht für einen reales Ding.) Jetzt sagt er »Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.« Die Bedeutung eines Wortes zeigt sich in seiner Verwendung.

Die Ungenauigkeit der Wörter mache diese nicht unnütz, im Gegenteil. Nur wegen ihrer Unschärfe und Vagheit könnten wir Wörter sinnvoll verwenden. (Zumindest hier gibt es eine Übereinstimmung mit  Popper.)

Um das Wort »rot« zu kennen, müsse man eine Regel kennen, die einen befähige, rote von nichtroten Dingen abzugrenzen.

[Ich sehe es folgendermaßen: Als Kind hat man gelernt, bestimmte sinnliche, optische Empfindungen mit einem bestimmten akustischen Laut, sprich Wort, zu verbinden. Deshalb braucht man später auch keine Farbtafeln, an denen man die Farbe von Gegenstände überprüft. Bestenfalls haben wir solche Farbtafeln in unserem Kopf. Wenn man die Bedeutung eines Wortes nur an seinem Gebrauch in der Sprache festmacht, dann wird die Sprache allerdings autonom. Man bekommt dann eine Art »Sprachidealismus« oder einen »transzendentalen Lingualismus«. [1] An die Stelle des Geistes im klassischen Idealismus tritt die Sprache. Der  Poststrukturalismus hat dies später noch radikaler praktiziert.]

Der Satz sei ein Instrument und sein Sinn sei seine Verwendung.

Die verschiedene aber ähnliche Bedeutung der Wörter in den verschiedenen Sprachspielen nennt Wittgenstein-2 »Familienähnlichkeiten«. Dieser Begriff tritt bei ihm an die Stelle der Verallgemeinerung, der Zurückführung auf Einfaches oder Wesentliches, wie in der klassischen Philosophie verwendet. Wittgenstein-2 meint, das Verallgemeinerung oft gar nicht möglich ist, sondern es bei Ähnlichkeiten bleibt.

Wittgenstein-2 sagt, philosophische Probleme entstünden durch die Vieldeutigkeit der Sprache. Viele philosophische Probleme entstünden dadurch, dass Wörter aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang, ihren ursprünglichen Sprachspielen herausgerissen würden und nichtberechtigt in andere Zusammenhänge übertragen würden. Wittgenstein-2 will die Wörter von ihrer metaphysischen auf ihre alltägliche Verwendung zurückführen und damit philosophische Probleme zum Verschwinden bringen. Dazu zählt Wittgenstein-2 auch das Leib-Seele-Problem und den Solipsismus. [Er zeigt damit aber nicht unbedingt die Unsinnigkeit einer philosophischen Frage auf, sondern nimmt Abstraktionsleistungen wieder zurück. Was er unberechtigte Übertragung nennt, ist oft ein qualitativer Sprung vom Alltagsverständnis zur Philosophie.]

Der Philosoph, wie Wittgenstein-2 ihn versteht, ist ein Therapeut. Er behandelt die philosophischen Fragen wie Krankheiten. Er löst sie nicht, er bringt sie zum Verschwinden.

Unter »Privatsprache« versteht Wittgenstein-2 eine Sprache, wo nur der Sprecher die Bedeutung der Wörter kennt. Die Benutzung solcher Wörter hält er für sinnlos. Wörter würden wir in intersubjektiver Kommunikation erlernen, ihre Bedeutung erfahren. Er geht so soweit zu behaupten, Aussagen der 1. Person Singular hätten nie einen Wahrheitswert. (»Ich bin müde, hungrig, habe Schmerzen, freue mich etc.« haben alle keinen Wahrheitswert.)

[Das ist vollkommen konträr zu meiner Position. Für mich sind Aussagen der 1. Person Singular über jeden Zweifel erhaben. Sie sind das Fundament allen Wissens, was Menschen haben können.]

Wenn ich das Wort »Schmerz« verwende, dann bezieht sich dieses Wort nach Wittgenstein-2 überhaupt nicht auf meine private Empfindung Schmerz. [Wenn ich zum Zahnarzt gehe und ihm sage, dass ich Zahnschmerzen habe, dann rede ich mit ihm überhaupt nicht über meine Zahnschmerzen.] »Ein innerer Vorgang bedarf äußerer Kriterien.«

Das Sprechen über innere psychische Vorgänge ist für Wittgenstein-2 ein Sprechen über äußeres Verhalten. Er steht damit dem Behaviorismus nahe. Dieser behauptet, innere psychische Empfindungen gebe es gar nicht. Soweit scheint Wittgenstein-2 nicht zu gehen.

Die Mathematik sei Kalkül, also bestehe aus umfangreichen Satzsystemen. Der Mathematiker sei ein Erfinder, kein Entdecker. In seiner Philosophie der Mathematik vertritt Wittgenstein sowohl  formalistisch/konventionalistische wie  konstruktivistisch/intuitionistische Positionen. Den  mathematische Platonismus lehnt er ab.


Zitate Wittgensteins

Brille: »Die Idee sitzt gleichsam als Brille auf unsrer Nase, und was wir ansehen, sehen wir durch sie. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, sie abzunehmen.« [Idee im Sinne von Ideologie, Weltanschauung, Vorurteile.]

Ewigkeit: »Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt.«

Gott: »An einen Gott glauben heißt, die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott glauben, heißt sehen, dass es mit den Tatsachen der Welt noch nicht getan ist. An einen Gott glauben, heißt sehen, dass das Leben einen Sinn hat.«

Hypothese: »Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese; und das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird.«

Klarheit: »Alles, was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen.«

Lorbeeren: »Auf seinen Lorbeeren auszuruhen ist so gefährlich wie auf einer Schneewanderung ausruhen. Du nickst ein und stirbst im Schlaf.«

Lügen: »Das Lügen ist ein Sprachspiel, das gelernt sein will wie jedes andere.«

Mystik: »Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern dass sie ist.«

Natur: »Der ganzen modernen Weltanschauung liegt die Täuschung zugrunde, dass die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien.«

Philosophie: »Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.«

Sprache und Welt: »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt

Subjekt: »Und das Subjekt gehört nicht zur Welt, sondern ist eine Grenze der Welt.«

Tod: »Der Tod ist kein Erlebnis des Lebens. Den Tod erlebt man nicht.«

Wert: »Der Sinn der Welt muss außerhalb ihrer liegen. In der Welt ist alles wie es ist und geschieht alles, wie es geschieht; es gibt in ihr keinen Wert – und gäbe es einen, so hätte er keinen Wert. Wenn es einen Wert gibt, der Wert hat, so muss er außerhalb alles Geschehens und So-Seins liegen. Denn alles Geschehen und So-Sein ist zufällig

Wissen: »Wenn einer es weiß, weiß es keiner.«


Meine Kritik an Wittgenstein

Bei der Kritik an Wittgenstein geht es nicht darum, seine Verdienste für die Philosophie zu ignorieren oder ihm seine große analytische Kraft abzusprechen. Es geht darum auf seine Schwachstellen hinzuweisen und einer falschen Idealisierung entgegenzuarbeiten.

Wenn ich die Aussagen eines Philosophen nicht nachvollziehen kann, dann gibt es für mich zwei Möglichkeiten:

  1. Es liegt an mir. Ich bringen nicht oder noch nicht die geistige Kraft auf,
    ihn zu verstehen.
  2. Es liegt am Philosophen. Seine Argumente sind nicht schlüssig.

Lichtenberg fragt »Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?« Nein! Aber genauso wie es hohle Köpfe gibt, so gibt es auch hohle Bücher. Und so wie in einem Kopf schlüssige und hohle Gedanken nebeneinander stehen können, so auch in einem Buch. Viele berühmte Philosophen habe sowohl Geniales geleistet, wie auch viel Mist geschrieben.

Wenn ein genialer Mensch so vor sich hindenkt, dann mag dabei viel geniales herauskommen. Aber auch manches, was nicht schlüssig ist. Wenn nun dieser Mensch aber den Argumenten anderer Menschen nicht zugänglich ist, dann wird er neben seinen genialen Sätzen auch seine Irrtümer verteidigen. Das hat man bei vielen bedeutenden Philosophen.

Hätte Wittgenstein 30 Jahre länger gelebt und hätte er nach den Philosophischen Untersuchungen wieder eine philosophische Pause eingelegt, wir hätten eventuell einen Wittgenstein-3, der den Wittgenstein-2 so verurteilt, wie dieser den Wittgenstein-1. Vielleicht hätte er dann den Sprung zur Dialektik gemacht.

 Einleitendes Zitat zu diesem Artikel finde ich sehr schön. Wittgenstein hat aber scheinbar nur den ersten Teil realisiert ;-) Womit ich keineswegs bestreiten will, dass er eine intellektuelle Kapazität war. Aber er blendet einfach sehr viel Wichtiges aus. Er denkt nur im Rahmen seiner Prämissen.

Vergleiche hinken. Aber man könnte in etwa sagen: Wittgenstein hatte eine Art Tunnelblick. Dort, wo er hinsieht, zeigt er zum Teil eine geniale analytische Begabung. Wer sich die Mühe macht, sich durch den Tractatus und die Philosophischen Untersuchungen durchzuarbeiten, der wird anschließend mit Wirklichkeit und Sprache bewusster umgehen. Deshalb haben diese Werke auch einen Sinn oder eine Bedeutung. Sie können Menschen sensibilisieren. Aber man sollte da nicht stehenbleiben, sie nicht für des Weisheit letzten Schluss halten.

Bei Wittgenstein findet man die – für die Analytische Philosophie übliche – katastrophale Einschränkung des Philosophiebegriffs! Ethik, Ästhetik, ontologische und metaphysische  Hypothesen haben dort keinen Platz, sind nach meiner Auffassung und der Auffassung der meisten Philosophen aber keine Sprachprobleme.

Der Grundfehler von Wittgenstein ist, dass er nicht dialektisch denkt. Es gibt etwas oder es gibt es nicht. Man kann über etwas sprechen oder man kann nicht darüber sprechen. Etwas hat einen Sinn oder hat keinen Sinn. Würde man die oder durch und ersetzen, wäre es besser. So kann man auch sagen Logische Partikel vertreten und vertreten nicht. Das denkende Subjekt gibt es und gibt es nicht etc. Es kommt immer darauf an, wie man es gerade sieht, in welchem Zusammenhang, oder Sprachspiel, man ein Urteil fällt.

Die Behauptung »Das denkende Subjekt gibt es nicht« für sich allein, nicht dialektisch eingeschränkt, ist blödsinnig. Dann hätte es auch das denkende Subjekt Wittgenstein nie gegeben. Dann wäre auch dieser Artikel über Wittgenstein unmöglich.

Wittgenstein engt Begriffe zu stark ein. Die Begriffe Sprache, Welt, Wirklichkeit, Sinn etc. werden so stark eingeengt, das philosophische Probleme darin keinen Platz mehr haben. Dadurch verschwinden sie aber nicht. Wenn Wittgenstein sagt, logische Sätze hätten eigentlich keinen Sinn, dann hat er dabei eine sehr eingeschränkte Vorstellung von Sinn. Die Funktionsweise der Welt oder der Sprache zu beschreiben hat einen Sinn.

Wittgenstein war ein gemütskranker Mensch. Man sollte niemanden seine Krankheit vorwerfen, aber man sollte sie auch nicht bestreiten oder gar idealisieren. Die konkrete Art von Gemütskrankheit, die ein Philosoph hat, bestimmt seine Philosophie zumindest mit. Das war auch bei anderen Philosophen, z. B. Kierkegaart, Nietzsche oder Sartre so.

Bei Wittgenstein und seinen Geschwistern kann man sehen, das allgemeine  Lebensangst, Depressionen, Selbstmordgedanken etc. die durch objektive Umstände nicht bedingt sind, sehr wahrscheinlich genetisch bedingt ist. Das legt die Häufung von Selbstmorden und Selbstmordgedanken in der Familie Wittgenstein nahe.

Wittgenstein-1 schreibt »Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt. Die Ethik ist transzendental.« Das ist einer der Punkte, wo ich nicht verstehe, wie ein intelligenter Mensch soetwas sagen kann. »Du sollst nicht töten.« »Du sollst andere Menschen nicht verhungern lasen.« »Du sollst die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen nicht zerstören.« (Ich könnte tausend weiterer Beispiele bringen.) Was ist denn an diesen Sätzen transzendental? (Oder auch transzendent.) Natürlich lassen sich solche ethischen Grundsätze in Worte fassen. Dass die Menschen sich oft an solche Grundsätze nicht halten, ist ein anderes Problem.

Es ging Wittgenstein nicht etwa darum, die »Welt zu verbessern«, sondern es ging ihm um sein »Seelenheil«, er strebte intellektuelle und psychische Reinheit und Klarheit an. Diese glaubte er dadurch zu erreichen, dass er die philosophischen Probleme zu Scheinproblemen erklärte.

Wittgenstein hatte mit beiden Weltkriegen unmittelbar zu tun. Aber über die Kriege, ihre Ursachen oder Vermeidbarkeit nachzudenken, kam er darauf? Sind das Scheinproblme? Wittgenstein hatte eine große intellektuelle Kraft. Das hat ihn aber nicht daran gehindert, zu elementaren Problemen des tatsächlichen Lebens überhaupt keinen Bezug zu haben. Er war nicht nur wie Russell sagte »das vollendete Beispiel eines Genies«. Er war auch ein ganz hervorragender Fachidiot. Wittgenstein ist ein Paradebeispiel dafür, wie Dummheit und Klugheit, Genie und Ignoranz in einem Menschen vereint sein können.

»Dass das Leben problematisch ist, heißt, dass Dein Leben nicht in die Form des Lebens passt. Du musst dann Dein Leben verändern, und passt es in die Form, dann verschwindet das Problematische.« Also wenn du nichts zu essen hast, krank bist oder in einem Schützengraben liegst und neben dir die Leute verrecken siehst, dann ist das alles nur solange problematisch, wie es für dich problematisch ist. Ändere einfach deine Einstellung zum Leben. Dann hören diese Lebensumstände auf problematisch zu sein. Mich erinnert das an  Nietzsche. Wir akzeptieren, ja wir bejahen Leid und Elend. Dann haben wir keine Probleme damit. Nietzsche: »Wer sagt: Das Leben ist nichts wert, der sagt eigentlich: Ich bin nichts wert.« Auch  Sartre fällt mir hier ein. Nach ihm gibt es Einschränkungen nur innerhalb konkreter Lebensentwürfe.

Wittgenstein gab sein Vermögen nicht aus ethischen Motiven weg, sondern: »Ich habe mich wie ein aufgeblasener Schlauch gefühlt, solange ich dieses Geld hatte.« Dass er das Geld nicht Notleidenden oder wohltätigen Organisationen gab, sondern seinen sowieso reichen Geschwistern zeigt, dass er keine soziale Sensibilität hatte.

Ob die Entscheidung für Eigentumslosigkeit das Kriterium dafür ist, dass jemand ein echter Philosoph ist? Schopenhauer hat sein (kleineres) Vermögen sein lebenlang erhalten. Es war Grundlage für ein durch materielle Probleme nicht belastetes Leben, in dem er philosophisch und schriftstellerisches tätig sein konnte. In Anspielung auf  Fromm: »Ein Sein muss man haben.« Später hatte Wittgenstein Probleme mit der Herausgabe seiner Bücher. Die er nicht gehabt hätte, hätte er sein Vermögen nicht verschenkt. Auch hier der Mangel an praktischer Vernunft, den viele Philosophen gezeigt haben. Ein Vermögen kann man auch dazu nützen sich philanthropisch zu betätigen. Das hat Russell in einem beträchtlichem Maße getan.

Was man in der Literatur über seine Lebensweise lesen kann, zeigt, dass Wittgenstein die Ästhetik nicht nur aus der Philosophie verbannte, sondern auch in der Praxis keinen Bezug zur ihr hatte. Er hatte keinen Geschmack. Er war scheinbar ein reiner Gedankenmensch. Man fühlt sich an Lichtenberg erinnert: »Der Mann hatte so viel Verstand, dass er fast zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen war.« Er lebte in kärglichen Räumen und nahm kärgliche Mahlzeiten zu sich. »Es ist mit ziemlich gleich, was ich esse, wenn es nur immer das Gleiche ist.« Zu einem vollentwickelten Menschen gehört eine gewisse Freude bei der Bedürfnisbefriedigung.

Welchen Bezug Wittgenstein zur Ästhetik hatte, kann man auch an dem vom ihm in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts für seine Schwester entworfenen »Haus Wittgenstein«, wo die Bausünden späterer Jahrzehnte vorweggenommen wurden.

Nun könnte man zum Schutz Wittgensteins und anderer berühmter Philosophen Eduard Hitschmann zitieren, der sagt: »Wer zum Philosophieren gesund genug wäre, der philosophiert eben nicht!« Das mag auf viele zutreffen, aber nicht auf alle. Es gab unter den bedeutenden Philosophen auch gesunde Menschen, ohne psychische Probleme, z. B. Popper.

Die Argumente gegen die Unmöglichkeit einer Privatsprache leuchtet mir in keiner Weise ein. Wenn es etwas gibt, was über jeden Zweifel erhaben ist, dann ist es das, was ich in diesem Moment unmittelbar erlebe. Meine Zahnschmerzen kann ich nicht bezweifeln, genauso wie viele andere negative und positiven Empfindungen. Und wenn ich bestimmten Empfindungen Laute, sprich Wörter zuordne, dann habe ich eine Sprache ohne das ich dazu irgendeine intersubjektive Kommunikation brauche. Wenn es schmerzt, sagt ein Mensch instinktiv »Aua«. Dafür braucht er keine intersubjektive Bestätigung. Aber da der Mensch aus eigener Erfahrung weiß, unter welchen Umständen er »Aua« sagt, kann er mit anderen Menschen über die innere Empfindung Schmerz sprechen.

Und selbst wenn ich mich darauf einließe zu sagen, Sprache kann nur in der Kommunikation mit anderen erlernt oder gar gebildet werden, dann sagt das noch lange nichts darüber aus, ob meine Gesprächspartner wie ich sich wissende bewusste Subjekte sind, wie ich eines bin. Sie könnten theoretisch Computer-Simulationen oder biochemische Maschinen ohne Bewusstsein sein. Das Bewusstsein ist nämlich nicht unabdingbare Voraussetzung, dass eine Person, dass ein Körper funktioniert.

Wenn ein Kleinkind oder ein Tierjunges versucht, seine eigene Gliedmaßen zu essen, also in seinen eigene Körper beißt, dann verspürt es einen Schmerz. So bemerkt es, dass seine Handlung nicht richtig war. Sprache und Intersubjektivität ist dafür nicht nötig.

Rein theoretisch könnte eine Menschengruppe ohne Sprache existieren, wie unsere Vorfahren vor langer Zeit, die Herdentiere. Diese können auch ohne Sprache ihr Futter finden, genießbares von ungenießbaren unterscheiden, richtiges von falschem Handeln unterscheiden etc. Selbst ein Einzelgänger könnte, nachdem er die ersten Jahre von der Mutter ohne jede Sprache umsorgt wurde, überleben. Im Tierreich gibt es ja viele Einzelgänger. Deshalb kann ich Wittgensteins hohe Bewertung der Sprache nicht nachvollziehen.

Die Widerlegung des Solipsismus via angeblicher Unmöglichkeit der Privatsprache ist nicht schlüssig. Wittgensteins Argumentation setzt die Richtigkeit vieler Sachen voraus, die bezweifelbar sind. Wittgenstein-1 schreibt (wie ich meine völlig zu recht) »Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese; und das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird.« Genauso, wie Aussagen über zukünftige Ereignisse unsicher sind, so sind es auch Aussagen über vergangene Ereignisse. Die Argumentation über die Unmöglichkeit der Privatsprache ist aber nur dann schlüssig, wenn man sich der Richtigkeit seiner Erinnerungen ohne jeden Zweifel sicher sein kann. Es wäre rein theoretisch möglich, dass die von mir wahrgenommene Welt eine Art »Holo-Deck« ist, das erst vor wenigen Sekunden angeschaltet wurde und in dem ich das einzige Subjekt bin. (Ähnlich sieht es auch  Russell.) Wobei ich ja nicht behaupte, dass sei so. Ich behaupte lediglich, dass man das nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann. Und deshalb ist die Ausschließung des Solipsismus via angeblicher Unmöglichkeit der Privatsprache nicht sicher.

Auch Wittgensteins Behauptung, dass der Solipsismus, streng durchgeführt, mit dem reinen  Realismus zusammenfällt, ist nicht schlüssig. Im unmittelbaren Erleben fällt, wie auch Russell feststellte, Bewusstseinsinhalt und materieller Gegenstand zusammen. So gesehen kann der Solipsismus, streng durchgeführt, auch mit dem reinen  Idealismus zusammenfallen.


Im Gegensatz zu anderen Philosophen will Wittgenstein nicht philosophische Probleme lösen oder deutlicher machen, sondern zum Verschwinden bringen. Er will aufzeigen, dass Philosophie Unsinn ist, er will die Philosophie abschaffen. Da stelle ich folgende Fragen:

Das alles sind keine unsinnigen Fragen. Es sind keine Scheinproblem. Sie lassen sich nicht in Sprachlehre auflösen. Das anzunehmen ist Blindheit gegenüber elementaren philosophischen Problemen.


Kommentare anderer Philosophen zu Wittgenstein

Russell: »Wittgenstein kennenzulernen war eines der erregendsten geistigen Erlebnisse meines Lebens.« Wittgenstein sei »das vollendete Beispiel eines Genies« (Zitiert nach Weischedel.)

Popper: »Und so ist Wittgenstein leider auch so ein angebeteter Philosoph geworden. Mir ist nicht klar, worauf diese Anbetung von Wittgenstein beruht. Ich sehe nicht, dass er irgendwelche philosophischen Probleme schärfer formuliert oder gelöst hat – im Gegenteil: Wittgenstein hat einmal gesagt, es gebe gar keine philosophischen Probleme.«


Literatur

Literatur:


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Anmerkungen

Anm. 1: In Anspielung auf die »transzendentale Vernunft«  Kants, die nach seinen Auffassungen die Welt, so wie sie für den Menschen ist, schafft. Für den »transzendentalen Lingualismus« schafft die Sprache die Welt, so wie sie für uns Menschen ist. Zurück zum Text


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