Erfahrung


Kurzbeschreibung des Begriffs

Der Begriff »Erfahrung« wird im weiteren Sinne synonym oder ähnlich verwendet wie Erlebnis, Wahrnehmung, Gefühle, Erkenntnis. Erfahrung im weiten Sinne ist alles, was ein Mensch bewusst erlebt. Erfahrung im engeren Sinne bedeutet »in geordneten Zusammenhang gebrachte Erlebnisse, Gefühle etc.«.

Lebenserfahrungen nennt man das erprobte und bewährte Wissen, das ein Mensch im Laufe seines Lebens gesammelt hat. Berufserfahrungen sammelt ein Mensch, wenn er über längere Zeit hinweg eine bestimmte Tätigkeit ausübt. Oft wachsen Menschen mit den Aufgaben, die sie zu bewältigen haben.

Unterschieden wird zwischen Primärerfahrung und Sekundärerfahrung. Primärerfahrungen sind die eigenen Erlebnisse. Sekundärerfahrungen sind die Berichte anderer Menschen über deren Erlebnisse und welche Schlüsse sie daraus gezogen haben. ( Russell spricht hier von »Wissen durch Bekanntschaft und Wissen durch Beschreibung«.) [1]

Unterschieden wird zwischen äußerer Erfahrung, die sich auf äußere Gegenstände, Tatbestände und Prozesse bezieht und innere Erfahrung, die sich auf Erlebnisse und im Menschen vor sich gehende Prozesse bezieht.

In der Philosophie wird Erfahrung oft mit Empirie gleichgesetzt und dem Denken und dem Rationalismus gegenübergestellt.

Eine wichtige Rolle spielt die Erfahrung in den Erfahrungswissenschaften.


Erfahrung bei verschiedenen Philosophen

Für Aristoteles bedeutet Erfahrung Vertrautsein mit dem Besonderen. Diese Vorstellung von Erfahrung galt allgemein in der Antike und im Mittelalter.

Eine neue Bedeutung bekommt der Begriff Erfahrung in der Renaissance. Bei Hobbes, Fr. Bacon und Galilei entsteht Erfahrung aus kontrolliertem, systematischem Beobachten beim Experiment, aus der durch  Induktion allgemeine Aussagen der Naturwissenschaft gewonnen werden.

Im englischen Empirismus (Locke, Berkeley, Hume) ist Erfahrung gleich Sinneseindrücke, die als einzige verlässliche Erkenntnisgrundlage angesehen werden.

Nach Kant sind Erfahrungen mehr als Sinneseindrücke. Die von außen kommenden Eindrücke würden durch die apriorischen  Formen der Sinnlichkeit und die apriorischen  Kategorien des Verstandes geformt. Erfahrung entstehe durch Sinneseindrücke und Verstand.

Hegel teilt zwar Kants Kritik am Empirismus, vertrat aber die Auffassung, Kant bleibe beim bloßen Gegenüberstellen vom Besonderen (Sinneseindruck) und dem Allgemeinen (Verstand, Begriff) stehen. Nötig sei eine dialektische Erfahrung, in der das Besondere und das Allgemeine versöhnt sei.

Adorno kritisierte Hegels Theorie von der Synthese des Allgemeinen und des Besonderen. Das Wissen um die Differenz von Allgemeinen und Besonderen sei wichtiger als deren Versöhnung.

Im modernen Empirismus und in der modernen Sprachphilosophie (z. B. Carnap, Russell, Wittgenstein I) wir versucht, einfachste Basissätze zu formulieren, die theoriefreie Erfahrung wiedergeben sollen. Popper und Kuhn haben dagegen eingewandt, dass es keine theoriefreie Erfahrung gebe.

Bei Husserls phänomenologischen Erfahrungsbegriff wird wie im Empirismus die Phänomene mit den Erfahrungen gleichgesetzt. Es gibt hier aber verschiedene Arten von Phänomenen.

Für die Hermeneutiker Heidegger und Gadamer setzt Erfahrung einen Verstehenshorizont voraus, der Erfahrung überhaupt erst möglich mache.


Zitatezu Erfahrung

Konrad Adenauer: »Die Erfahrungen sind wie die Samenkörner, aus denen die Klugheit emporwächst.«

Josh Billings: »Erfahrung vermehrt unsere Weisheit, verringert aber nicht unsere Torheiten.« »Erfahrung ist eine Schule, in der ein Mensch lernt, was für ein großer Dummkopf er gewesen ist.«

Thomas Carlyle: »Die Erfahrung lässt sich ein furchtbar hohes Schulgeld bezahlen, doch sie lehrt wie niemand sonst.«

Benjamin Franklin: »Erfahrung ist eine teure Schule, aber Narren wollen anderswo nicht lernen.«

Aldous Huxley: »Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt.« [Das ist ein dialektisches Wechselverhältnis.]

Eugène Ionesco: »Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.« [Das ist ein dialektisches Wechselverhältnis.]

Konfuzius: »Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste; zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste; und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.« »Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben.«

John Locke: »Keines Menschen Kenntnis kann über seine Erfahrung hinausgehen.«

William Somerset Maugham: »Wenn man genug Erfahrung gesammelt hat, ist man zu alt, um sie zu nutzen.«

Johann Nepomuk Nestroy: »Kaum ist die Ernte einer Erfahrung glücklich eingebracht, so wird der Acker vom Schicksal neu umgepflügt.«

Ovid: »Alter gibt Erfahrung.«

François de La Rochefoucauld: »In jedes Lebensalter treten wir als Neulinge und ermangeln darin der Erfahrung, trotz der Zahl der Jahre.«

George Bernard Shaw: »Wir lernen aus Erfahrung, dass die Menschen nichts aus Erfahrung lernen.« »Erfahrungen sind Wegweiser – keine Lagerplätze.« »Die Weisheit eines Menschen misst man nicht nach seinen Erfahrungen, sondern nach seiner Fähigkeit, Erfahrungen zu machen.«

Anton Tschechow: »Wo Fehler sind, da ist auch Erfahrung.« [Innerhalb eines Systems ist ein Fehler nur wenig Erfahrung, wenn das System selbst der Fehler ist.]

Kurt Tucholsky: »Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie allein machen..« »Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.«

Gerhard Uhlenbruck: »Wer aus Erfahrungen nicht lernt, hat nie erfahren, was Lernen ist.«

Leonardo da Vinci: »Das Wissen ist Kind der Erfahrung.«

Oscar Wilde: »Ich bin durchaus nicht zynisch, ich habe nur meine Erfahrungen, was allerdings ungefähr auf dasselbe hinauskommt.«


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Anmerkungen

Anm. 1: Näher beschäftigt habe ich mich mit den »eigenen Erlebnissen« und den »Berichten Anderer« am  Ende des 6. Kapitels Meiner Philosophie. Zurück zum Text


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