Zeit


Kurzbeschreibung des Zeitbegriffs

Die Zeit hat in der Philosophie eine ganz zentrale Bedeutung und ist von verschiedenen Philosophen zu verschiedenen Zeiten immer wieder neu definiert worden.

Für den Alltagsverstand, der noch durch keine philosophischen und naturwissenschaftlichen Gedanken sensibilisiert ist, ist Zeit eine Art Gefäß, innerhalb dessen alles stattfindet. Würde nichts stattfinden, gäbe es dieses Gefäß trotzdem. So betrachtet, ist das Sein – und alle seine Bestandteile – in der Zeit, die keinen Anfang und kein Ende hat.

In der Philosophie ist die vorherrschende Auffassung (die allerdings in verschiedenen Varianten auftritt), dass die Zeit im Sein ist. Sie ist abhängig von bewegtem Sein. Zeit ist das Aufeinanderfolgen von Zuständen (subjektiven oder objektiven). Wo es keine Bewegung, keine Aufeinanderfolge gibt, gibt es auch keine Zeit. So betrachtet, kann die Zeit einen Anfang und ein Ende haben. (Und dann eventuell einen neuen Anfang, dann wieder ein Ende und so fort.)

In der modernen Physik seit Albert Einstein ist Zeit eine Dimension, die zusammen mit den drei räumlichen die Raum-Zeit bildet.


Verschiedene Philosophen zur Zeit

Für  Parmenides ist das Sein zeitlose unbewegte Ewigkeit.

Nach  Augustinus ist die Zeit nicht von unserem Bewusstsein trennbar. Nur die Gegenwart existiere. Vergangenheit und Zukunft seien Erinnerungen und Erwartungen im jetzt. Wir könnten das immer Existierende nur in der Erscheinungsform des Nacheinander erfassen. Für Gott sei dagegen alles gleich gegenwärtig. Zeit könne es nur geben, wo eine Welt und damit Veränderung vorhanden sei. Zeit und Welt seien zusammen entstanden. Deshalb unterscheide man zurecht Zeit und Ewigkeit.

 Kant sagt, die Zeit sei »reine Form unseres inneren Sinnes«, den Dingen, der Welt komme sie nicht zu. [Mit dieser Aussage überschreitet Kant nach meiner Auffassung die von ihm selbst gezogene Grenze des menschlichen Wissens über die »Welt an sich«.]


Meine Vorstellung von der Zeit

Der Grundtatbestand meiner Existenz sind »Erlebnisse«. [1] (In anderen Philosophien sagt man Erscheinungen, Gegebenheiten, Vorstellungen etc.) Diese Erlebnisse sind nicht statisch, sondern sie ändern sich ständig. Diesen ständigen Wechsel in meinen Erlebnissen nenne ich Zeit. Wo es keine Veränderung, keine Aufeinanderfolge, keine Bewegung gäbe, gäbe es auch keine Zeit. Ich schließe mich also weitgehend Augustinus und Kant an. Ihre Aussagen über die Zeit sind für mich aber lediglich plausible philosophische  Hypothesen, keine unumstößlichen Wahrheiten.

»Ich bin immer im Jetzt, immer in der Gegenwart, nie in der Vergangenheit oder Zukunft. Aber ich habe das Erleben, es gebe ein ›vor dem Jetzt‹, es habe eine Vergangenheit gegeben. Diese Erlebnisse nenne ich ›Erinnerungen‹. Und ich habe das Erleben, es werde ein ›nach dem Jetzt‹, eine Zukunft geben. Diese Erlebnisse nenne ich ›Erwartungen‹. Auch für die Reihenfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft benutze ich das Wort ›Zeit‹. – Aber: Vergangenheit und Zukunft haben keine subjektive Realität! Subjektive Realität haben nur die Erinnerungen und Erwartungen als Erlebnisse im Jetzt.« (Zitat aus dem 6. Kapitel Meiner Philosophie)


Es gibt nur Gegenwart! Mit immer neuen Inhalten.


Als ich zum ersten Mal die  Urknall-Hypothese vernahm, da habe ich mich – wie die meisten anderen Menschen auch – gefragt, was denn vor dem Urknall war. Einen Beginn der Zeit konnte ich mir nicht vorstellen. Meine heutige Auffassung von der Zeit führt dazu, dass ich dieses Problem nicht mehr habe. Wo sich nichts bewegt, wo keine Aufeinanderfolge ist, ist die Zeit nicht nur nicht feststellbar – es bewegen sich ja auch keine Uhren –, es gibt dann überhaupt keine Zeit, weil Zeit nur Aufeinanderfolge von Erlebnissen (subjektiv), bzw. Ereignissen (objektiv) ist.

Möglich ist auch eine dialektische Sicht der Zeit. Sie ist identisch und gleichzeitig nicht identisch mit der Aufeinanderfolge der Erlebnisse. Dies gilt dann aber auch nur für die Welt meiner Erlebnisse. Ob es für das Sein schlechthin zutrifft, liegt außerhalb meines Erkenntnisvermögens.

»Zeit ist Geld.« So Benjamin Franklins Ratschlag für junge Kaufleute. Umgekehrt kann Geld auch Zeit sein. Indem man nämlich die Zeit, die man zum Geldverdienen aufwenden müsste, für anderes einsetzen kann, wenn man auch ohne Arbeit Geld hat oder bekommt. Anders gäbe es das philolex gar nicht.


Zitate zur Zeit

Aristoteles: »Wir messen also nicht nur die Bewegung durch die Zeit, sondern auch die Zeit durch die Bewegung, weil sie einander begrenzen und bestimmen.«

Augustinus: »Was also ist ›Zeit‹? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.«

Francis Bacon: »Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.«

Hector Berlioz: »Die Zeit ist der beste Lehrer – leider tötet sie alle ihre Schüler.«

Wilhelm Busch: »Je älter man wird, desto hastiger tritt sie einem auf die Hacken, die Zeit, die sogenannte.« »Scheint dir auch mal das Leben rauh, // sei still und zage nicht, // die Zeit, die alte Bügelfrau, // macht alles wieder schlicht.«

Thomas Carlyle: »In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit.«

Charlie Chaplin: »Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme.«

Maurice Chevalier: »Eine schöne Uhr zeigt die Zeit an, eine schöne Frau lässt sie vergessen.«

Karlheinz Deschner: »Ist es das Gute selbst an der schlimmsten Zeit, dass sie vergeht, ist eben dies das Schlimme auch an der besten.«

Einstein:»Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist für uns Wissenschaftler eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige.« »Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität

Fichte:»Für die bloße reine Vernunft ist alles zugleich. Nur für die Einbildungskraft gibt es eine Zeit.«

Anatole France: »Nichts ist so sehr für die gute alte Zeit verantwortlich wie ein schlechtes Gedächtnis.«

Benjamin Franklin: »Ist die Zeit das Kostbarste unter allem, so ist Zeitverschwendung die allergrößte Verschwendung.« »Verlorene Zeit wird nicht wiedergefunden.«

Goethe: »Gerne der Zeiten gedenk' ich, // da alle Glieder gelenkig // – bis auf eins. // Doch die Zeiten sind vorüber, // steif geworden alle Glieder // – bis auf eins.« »Mein Erbteil wie herrlich, weit und breit! Die Zeit ist mein Besitz, mein Acker ist die Zeit.«

Giovanni Guareschi: »Zeit haben nur diejenigen, die es zu nichts gebracht haben. Und damit haben sie es weitergebracht als alle anderen.« [Ich bin einer von denen!]

Johann Gottfried von Herder: »Die zwei größten Tyrannen der Erde: der Zufall und die Zeit.«

Immanuel Kant: »Die Zeit ist kein diskursiver, oder, wie man ihn nennt, allgemeiner Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung.«

Erich Kästner: »Die Zeit vergeht. – Sie weiß es nicht besser.« Aus dem Film »Das doppelte Lottchen«

Gottfried Keller: »Die Zeit geht nicht, sie stehet still, // Wir ziehen durch sie hin; // Sie ist ein Karawanserei, // Wir sind die Pilger drin.« [Die Gegenwart ist ewig!] »Es ist ein weißes Pergament // Die Zeit, und jeder schreibt // Mit seinem roten Blut darauf, // Bis ihn der Strom vertreibt.«

Stanislaw Jerzy Lec: »Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.«

Lichtenberg: »Die Sanduhren erinnern nicht bloß an die schnelle Flucht der Zeit, sondern auch zugleich an den Staub, in welchen wir einst verfallen werden.«

Josef Neckermann: »Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.«

Johann Nepomuk Nestroy: »Es ist eine schöne Zeit, wo man sich noch Mühe gibt, die Zeit zu töten, aber es kommt leider nur zu schnell die Zeit, wo man merkt, dass die Zeit einen selbst tötet.« »Ja, die Zeit, das is halt der lange Schneiderg'sell, der in der Werkstatt der Ewigkeit alles zum Ändern kriegt. Manchmal geht die Arbeit g'schwind, manchmal langsam, aber fertig wird's, geändet wird alles!«

Isaac Newton: »Die absolute, wahre mathematische Zeit verfließt gleichförmig und ohne Beziehung zu einem Gegenstand.«

Linus Pauling: »Argwöhnisch wacht der Mensch über alles, was im gehört. Nur die Zeit lässt er sich stehlen, am meisten vom Fernsehen.«

Jean-Luc Picard (Patrick Stewart): »Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen. Was wir hinterlassen ist nicht so wichtig wie die Art, wie wir gelebt haben. Denn letztlich [...] sind wir alle nur sterblich.«

Rolling Stones: »Time Is On My Side.« (Songtitel) [»Die Zeit ist auf meiner Seite« Wenn ich in den Spiegel, auf die Waage und den Kalender sehe, kann ich das nicht glauben. 8( ]

Friedrich Rückert: »Nie stille steht die Zeit, // der Augenblick entschwebt, // und den du nicht benutzt, // den hast du nicht gelebt.«

William Shakespeare: »Die Zeit schlägt Falten in die reinste Stirn, entstellt die schöne Wahrheit der Natur und prägt auf alles der Vernichtung Spur.« »Die Zeit reiset in verschiednem Schritt mit verschiednen Personen.« »Jedes Ding hat seine Zeit.«

Schopenhauer: »So lange wir jung sind, man mag uns sagen, was man will, halten wir das Leben für endlos und gehen danach mit der Zeit um. Je älter wir werden, desto mehr ökonomisieren wir unsere Zeit. Denn im späteren Alter erregt jeder verlebte Tag eine Empfindung, welche der verwandt ist, die bei jedem Schritt ein zum Hochgericht geführter Deliquent hat.« »Gewöhnliche Menschen überlegen nur, wie sie ihre Zeit verbringen. Ein intelligenter Mensch versucht, sie auszunutzen.«

Lucius Annaeus Seneca: »Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.«

Sophokles: »Alles verzehrt die Macht der Zeiten.« »Es ist die Zeit ein milder Gott.«

Theodor Toeche-Mittler: »Unendlich ist der Raum, durch den wir in dunkler Nacht sternenweit schauen, aber bei lichtem Tage bietet er sich fassbar umgrenzt dem Auge. Nie die Zeit: unsichtbar bleibt sie, stumm, unerbittlich, ein Geheimnis dem Menschen, eine Macht, die uns alle unterjocht.«

Leo Tolstoi : »Wir schätzen die Zeit erst, wenn uns nicht mehr viel davon geblieben ist.«

Kurt Tucholsky: »Wer die Enge seiner Heimat begreifen will, der reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte

Mark Twain: »Die Zeit mag Wunden heilen, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin.«

Peter Ustinov: »Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.«

Johann Heinrich Voß: »In stetem Wechsel kreiset // Die flügelschnelle Zeit, // Sie blühet, altert, greiset, // Und wird Vergessenheit; // Kaum stammeln dunkle Schriften // Auf ihren morschen Grüften. // Und Schönheit, Reichtum, Ehr' und Macht // Sinkt mit der Zeit in öde Nacht.«


Von mir selbst: Ach, du liebe Zeit!


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Anmerkungen

Anm. 1: Dies habe ich in Meine Philosophie näher erläutert. Zurück zum Text.


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