Stoizismus und Epikureismus


Stoizismus und Epikureismus kurz und knapp

Griechisch/römische Philosophie: Im Gefolge der Eroberungen Alexander des Großen bekam die griechische Kultur eine starke Wirkung auf den Orient, wurde aber ihrerseits auch von orientalischen Elementen beeinflusst und verändert. Sie verlor dabei ihren national-griechischen Charakter und wurde zu einer kosmopolitischen Menschheitskultur. Nach der politisch-militärischen Eroberung Griechenlands durch Rom begann die kulturelle Eroberung des römischen Reiches durch die griechische Kultur. Aber auch hier kam es zu Rückwirkungen. Die Römer waren ein praktisches Volk. Der Schwerpunkt der Philosophie verlagerte sich von der Spekulation über die Natur zur Ethik. Philosophie wurde schwerpunktmäßig  praktische Lebensphilosophie. Epikureismus und Stoizismus wurden neben dem Platonismus und dem Aristotelismus zu zwei der vier bedeutensten philosophischen Strömungen der Antike.

Stoizismus: Eine besonders (aber nicht nur)  praktische Philosophie, die Pflichtbewusstsein, Leidenschaftslosigkeit, Gleichmut und tugendhaftes Leben in Übereinstimmung mit der Vernunft und der Natur propagiert. Der Bedeutung dieser Philosophie für die Geschichte des Abendlands ist gewaltig, da sie ganz entscheidend die christliche Ethik beeinflusst hat.

Epikureismus: Eine besonders (aber nicht nur)  praktische Philosophie, die in der Lust das höchste Lebensziel sieht. Diese wird aber nicht nur durch Sinnesgenuss, sondern auch durch Gemütsruhe und philosophische Reflexionen erreicht. Auch dadurch, dass vermieden wird, was auf Dauer mehr Unlust und Schmerz als Lust hervorruft. Heutzutage versteht man unter Epikureer Leute, die im Gegensatz zur Lehre Epikurs ein oberflächliches, genusssüchtiges Leben führen.

Stoizismus und Epikureismus haben sich über Jahrhunderte hinweg heftig gegenseitig bekämpft. Die wichtigsten Unterschiede in Stichworten:

Problem Epikureismus Stoizismus
Höchstes Gut Lust Tugend
Natur Atome, Zufall, viele Welten Logos, Fatum, eine Welt
Gott Keine göttliche Vorsehung GöttlicheVorsehung
Sinn des Lebens Kein letzter Sinn Sinnvolle Ordnung der Welt
Seele sterblich unsterblich
Politik asozial sozial


Stoizismus


Ältere Stoa Mittlere Stoa Jüngere Stoa
Zenon der Stoiker (340–260) Poseidonius
Seneca (4 v. Chr.–65 n. Chr.)
Kleantes
Panaitios Epiktet (ca. 50–130)
Chrysippos (281–208)   Marcus Aurelius (121–180)


Zenon aus Kition (Zenon der Stoiker 340–260), ursprünglich ein  Kyniker, gründete in Athen in der »Stoa poikile« (Bunte Säulenhalle – der ursprüngliche Versammlungsort) eine Philosophenschule, in der  kynische Lehren mit den Auffassungen anderer Philosophen (besonders  Heraklit und Aristoteles) verbunden wurden.

Die Stoiker teilten ihr System in drei Teile: Logik, Physik und Ethik. Die Ethik ist der wichtigste Teil, Logik und Physik nur Vorstufen.


Logik und Physik

In der Logik, bei der Frage von Allgemeinen und Besonderen (Universalienstreit) und beim Empirismus vertraten die Stoiker im Großen und Ganzen die Auffassungen des Aristoteles.

Der Geist sei bei der Geburt eine unbeschriebene Tafel (tabula rasa) in die erst die Erfahrung Vorstellungsinhalte hineinbringe. (Wie später Locke und der Behaviorismus.)

Die Physik der Stoiker ist  materialistisch. Es gebe nur körperliches. Sie ist monistisch. Es gebe nur ein letztes Prinzip. In Anlehnung an  Heraklit glaubten sie an eine dem Weltganzen innewohnende (immanente) Gesetzlichkeit, die sie unter anderen auch »Gott« und »Vater« ( ! ) nennen. Da diese Göttlichkeit mit dem lebendigen Weltganzen zusammenfällt ist ihre Lehre pantheistisch.

[Etwas stößt mir hier gewaltig auf: Entweder es gibt nur Körperliches, oder es gibt zusätzlich noch eine dem Weltganzen innewohnende Gesetzlichkeit. Diese Gesetzlichkeit existiert dann auch. Allerdings nicht als Körper, sondern als eine bestimmte Ordnung, nach der die Körper sich verhalten, anders ausgedrückt bewegen. Wenn man nun diese Ordnung oder Gesetzlichkeit auch noch »Gott« nennt und daraus schließt, diese Lehre sei pantheistisch, dann ist der Marxismus-Leninismus auch eine pantheistische Lehre, da er die Existenz einer materialistischen Gesetzlichkeit behauptet.]


Ethik

Der Mensch könne als Vernunftwesen die universelle Gesetzmäßigkeit erkennen. Die einzige  Tugend sei ein im Wissen um diese Gesetzmäßigkeit geführtes vernünftiges Leben. Hierin bestehe die einzige Glückseligkeit. Dem gegenüber gebe es nur ein einziges Übel: unvernünftiges Leben. Alles andere, was von den Menschen im allgemeinen hochgeschätzt werde, z. B. Leben, Gesundheit, Ehre, Besitz, oder was sie zu vermeiden suchen, z. B. Krankheit, Tod, Armut, Knechtschaft, sei weder gut noch schlecht, sondern gleichgültig (Adiaphora).

Aufgabe des Menschen sei ein fortwährender Kampf gegen die Affekte. Sie gaukelten uns Gleichgültiges und Schlechtes als wertvoll vor. Das Ziel solle ihre völlige Überwindung sein. Der Stoizismus forderte allen Ereignissen, sowohl den (nach Meinung der Nichtstoiker) negativen wie positiven, mit Leidenschaftslosigkeit zu begegnen (apatheia). Wer dies erreicht habe, der sei wahrhaft weise. Alle anderen Menschen sind mehr oder weniger dumm.

Bis hierhin ist es die  kynische Ethik. Unter dem römischen Einfluss kommen aber nun zwei wichtige Dinge hinzu:

  1. Die Lehre, dass alles Äußere gleichgültig sei, wird eingeschränkt, so dass z. B. Ehe, Familie und Staat, aber auch Wissenschaft, eine gewisse Rechtfertigung erhalten.

  2. Während die Kyniker letztlich Egoisten waren, forderten die Stoiker eine allgemeine Gerechtigkeit und Menschenliebe, wie sie bis dahin die Antike nicht gekannt hatte. Die Stoiker waren die ersten, die im Altertum einen umfassenden Humanitätsgedanken und Kosmopolitismus vertreten haben.

Der Stoizismus war die führende philosophische Richtung im Römischen Reich. Die Geisteshaltung der führenden Römer und der Stoizismus flossen so zusammen, dass es unmöglich ist zu sagen, was hier das Bedingende, was das Bedingte ist.

[Diese von vielen Autoren und Professoren aufgestellte Behauptung passt nicht zu Gladiatorenkämpfen, Sklavenunterdrückung und anderen Grausamkeiten!]

Seneca: (4 v. Chr.–65 n Chr.) Sehr bedeutender Schriftsteller, Redner, Philosoph und Staatsmann. U. a. Erzieher des späteren Kaisers Nero, auf dessen Befehl er sich das Leben nahm. Vertrat den Stoizismus.

Marcus Aurelius: (121–180) Der einzige römische Kaiser, der Philosoph war. Schrieb seine Philosophie in den »Selbstbetrachtungen« nieder. Vertrat dort die stoischen Tugenden der Bedürfnislosigkeit, Milde und Nachsicht. Prunk und Bequemlichkeit verachtete er. Sein Leben verbrachte er größtenteils in den Heerlagern seiner Legionen. Das Christentum verachtete er als einen Rückfall in barbarischen Aberglauben.


»Asien, Europa – Winkel der Welt;
der ganze Ozean – ein Tropfen des Alls!
Der Athos – eine winzige Scholle des Weltganzen;
die ganze Gegenwart – ein Augenblick der Ewigkeit!«


[Wenn wir immer solche Kaiser gehabt hätten, wäre ich auch Monarchist!
Zitiert nach Störig, S. 193.]


Stoiker und Christen: Obwohl Stoiker und aufkommendes Christentum von Beginn an verfeindet waren (bis zur gegenseitigen physischen Vernichtung) kann die Bedeutung des Stoizismus für das Christentum gar nicht überschätzt werden. Der Stoizismus hat dem Christentum den Boden bereitet. [Die Übereinstimmungen in der Ethik sind ja auch nicht zu übersehen.]


Epikureismus

Von Epikur (341–270) sind lediglich drei Lehrbriefe erhalten. Als Quellen für den Epikureismus dienen insbesondere die Schriften des römischen Dichters Lukrez (ca. 96–150) und der Dichter Vergil und Horaz. Wie bei den Stoikern wird die Philosophie in Logik, Physik und Ethik eingeteilt, wobei die Ethik den wichtigsten Teil darstellt.


Logik und Physik

Anlehnung an  Demokrit und den Atomismus. Ein wichtiger Unterschied zu diesem ist aber die Absage an eine durchgängige Kausalität. Die Götter werden zwar nicht geleugnet, aber sie hätten bei der Weltentstehung und Weltlenkung keine Bedeutung.


Ethik

Das Ziel des Lebens sei die Gewinnung von Lust und die Vermeidung von Unlust. Da hemmungslose Bedürfnisbefriedigung aber nicht zu Lust sondern zu Unlust führe, müsse die Vernunft das Streben nach Glück leiten und zügeln. Aber auch bei aller vernünftigen Beschränkung, im Gegensatz zu den Stoikern ist Glück, Freude, Lust (oder welche Wörter man auch immer benutzen mag) und nicht die Leidenschaftslosigkeit das Ziel oder der Zweck des Lebens. [Womit ich eindeutig Epikureer und nicht Stoiker bin!]

Es gibt Freuden des Leibes und Freuden der Seele. Die Freuden des Leibes sind an den Augenblick gebunden, die der Seele nicht. Die Seele kann ins Vergangene zurück- und ins Zukünftige voraus blicken und damit über momentanes Unglück hinweghelfen. [Seele wird hier, wie ich es verstehe, einfach mit aktivem Bewusstsein, mit Geist gleichgesetzt.]

Die Vernunft lehre uns, dass das wahre Glück in einer heiteren Beschaulichkeit und einer ausgeglichenen Ruhe des Geistes (Ataraxie) zu finden sei. Seinen Frieden finde der, der die Furcht vor den Göttern und die Angst vor dem Tode abgestreift hat.

Epikur: »Das schauerlichste Übel also, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.«

An dieser kurzen Darstellung erkennt man, dass ein Mensch, der nur auf Sinnengenuss aus ist, nicht im Sinne Epikurs lebt. Der Begriff Epikureer wird häufig falsch verwendet im Sinne eines nicht durch Vernunft geleiteten rein materiellen Hedonismus.

Lebe verborgen: Staat und Politik wurden gering geschätzt. Das Leben im privaten Kreis wurde vorgezogen. [Dies ist allerdings ein Rezept, das, würden es alle Menschen befolgen, ein Zusammenleben in größeren Gruppen unmöglich machen würde.]

[Ich glaube das größte Glück erreicht man dadurch, dass man einerseits, wo es möglich ist, seine Bedürfnisse befriedigt, sowohl die materiellen, körperlichen wie die geistigen, sich an dieser Bedürfnisbefriedigung erfreut, also Freude zum Lebensziel macht, und dass man andererseits dort, wo uns die Bedürfnisbefriedigung nicht möglich ist, wir dies ohne Gejammer mit heiterer Gelassenheit ertragen. Womit ich nicht behaupten will, dass es mir immer gelingt, nach diesem Grundsatz zu leben. Aber über die Jahre hinweg gelingt es mir immer besser.]


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