Das Wort »glauben« hat verschiedene Bedeutungen. Unterschiedliche Verwendungen dieses Wortes sind oft Ursache von Missverständnissen.
Glauben ist eine Weise des »Für-wahr-haltens«, wie »meinen« und »wissen« und steht wertmäßig zwischen diesen beiden. Die Grenzen zwischen diesen drei Begriffen sind allerdings besonders in der Umgangssprache fließend.
Umgangssprachlich bedeutet »glauben« vielfach »für wahrscheinlich halten«. »Ich glaube, es regnet heute noch.« Die Bewölkung nimmt Formen an, die in der Vergangenheit meist zu Regen geführt haben oder die Wettervoraussage war entsprechend.
Beim »Glauben« kann aber auch das Gefühl hinzutreten. »Ich glaube dir.« »Ich glaube an dich.« Man vertraut einem Menschen. Dieses Vertrauen geht über das durch den Verstand begründbare hinaus.
Und diese Form von »Glauben« leitet über zur religiösen Bedeutung dieses Begriffes. Wenn ein Mensch sagt: »Ich glaube an Gott«, dann meint er in der Regel nicht, dass er die Existenz Gottes für wahrscheinlich hält. Wer diesen Satz benutzt, ist meistens überzeugt, dass Gott existiert. Glauben ist hier gleich sicheres Wissen.
Unser Glaube lenkt unsere Wahrnehmungen, unsere Vorstellungen, unsere Gefühle, unser Denken und die Interpretation unserer Erlebnisse. Das führt dazu, dass Menschen, die den gleichen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, in verschiedenen Welten leben. (Sehen Sie hierzu auch das philolex-Essay »Individuelle Welten«) Das kann soweit gehen, dass der Glaube eine Änderung des körperlichen Zustandes eines Menschen herbeiführt.
Ob der Glaube über den körperlichen Zustand des Glaubenden hinaus weitere objektive Tatbestände der Welt verändern kann, ist umstritten und geht in den Bereich der Religion und der Esoterik. Religiöse Menschen sprechen oft pathetisch davon, dass der Glaube Berge versetzen könne. Im übertragenen Sinne mag es stimmen, da der Glaube den Menschen große Kräfte verleihen kann. Dogmatiker sind oft bereit, für ihren Glauben zu sterben. Leider auch dafür andere sterben zu lassen. Über die Richtigkeit der Glaubenssätze sagt das allerdings überhaupt nichts aus, da die Menschen für ganz unterschiedliche Glaubenssätze bereit sind zu sterben und sterben zu lassen.
Seit Platon, aber besonders für die Aufklärung, galt Glaube in der Philosophie als eine unvollkommene und bedenkliche Vorform des Wissens und etwas, das die Menschen ab einem bestimmten Entwicklungspunkt hinter sich lassen müssten. Marx ging davon aus, dass der Glaube im Kommunismus absterben würde. Für die Rationalisten ist die Vernunft das letztlich alles begründende.
Andere Philosophen bewerteten den Glauben positiver. (Wenn auch nicht immer im religiösen Sinne.) Aristoteles sprach davon, dass an die ersten Prinzipien geglaubt werden müsse und Popper sagte, am Anfang aller Erkenntnis stehe der irrationale Glaube an die Vernunft. Bei Kierkegaard und späteren Existentialisten, wie Heidegger und Jaspers, spielte der Glaube eine große Rolle.
Die christlichen Geistlichen, Theologen und Philosophen haben sich seit der Antike bemüht, den Glauben als einen selbständigen Bewusstseinsbereich neben und über dem Wissen zu etablieren und haben in der Zeit der Scholastik über das Verhältnis von Glauben und Wissen, bzw. von Glauben und Vernunft diskutiert. (Credo ut intelligam oder Intelligo ut credam.)
Vom Boden des christlichen Glaubens aus philosophierten in der Neuzeit die deutschen Glaubensphilosophen.
Kant beschäftigte sich in der Kritik der reinen Vernunft mit den verschiedenen Weisen des »Für-wahr-haltens« (meinen, glauben, wissen). Für ihn ist »glauben« subjektives Überzeugsein. Im Unterschied zu »meinen« bleibt hier kein Zweifel. Glauben sei aber noch kein objektiv begründetes Wissen.
Ambrose Bierce: »Glaube: Dinge für wahr halten, für die es keine Parallele und keinen Beweis gibt und die jemand verkündet, der über kein Wissen verfügt.«
Wilhelm Busch: »Wer in Glaubenssachen den Verstand befragt, kriegt unchristliche Antworten.«
Erich Fromm: »Ohne Glaube wird der Mensch [...] steril, hoffnungslos und bis ins Innerste seines Wesens furchtsam..« [Fromm hat schöne Sachen geschrieben, z. B. Haben oder Sein, mit dieser Aussage lag er aber völlig falsch. Es gibt Gläubige in großer Furcht vor der Hölle und völlig furchtlose Ungläubige.]
Galileo Galilei: »Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen.«
André Gide: »Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.«
Goethe: »Glaube ist Liebe zum Unsichtbaren, Vertrauen aufs Unmögliche, Unwahrscheinliche.«
Victor Hugo: »Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich.« [Im alltäglichen Leben muss man von der Richtigkeit bestimmter Dinge ausgehen, weil man sonst lebensunfähig wäre. Das hat aber nichts mit religiösem Glauben zu tun. Ohne den kann man durchaus leben.]
Friedrich Heinrich Jacobi: »Aller Glaube ist unwillkürliche Hingebung des Geistes an eine Vorstellung von Wahrheit..«
Ron Kritzfeld: »Atheisten: Leute, die einen Glauben, den sie nicht haben, glühend verteidigen.«
Stanislaw Jerzy Lec: »Blinder Glaube hat einen bösen Blick.«
Martin Luther: »Die Vernunft ist das größte Hindernis in Bezug auf den Glauben, weil alles Göttliche ihr ungereimt zu sein scheint, dass ich nicht sage, dummes Zeug.« [Jedenfalls die christliche Vorstellung von Gott.]
Nietzsche: »Das Bedürfnis nach Glauben ist der grösste Hemmschuh der Wahrhaftigkeit.«
Max Planck: »Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, den Glauben zum Handeln.«
Bertrand Russell: »Was wirklich gebraucht wird, ist nicht der Wille zu glauben, sondern der Wunsch, es herauszufinden, was das genaue Gegenteil ist.«
Francesco de Sanctis: »Der Glaube schwindet, und es entsteht die Philosophie.«