Ein Mythos ist eine Sage oder eine Sammlung von Sagen (Götter-, Tier- und Heldensagen) z. B. über Weltentstehung und Weltuntergang, die Entstehung und das zukünftige Schicksal der Menschen. Fast alle Völker haben einen Schöpfungsmythos hervorgebracht. Der am weitesten verbreitete ist der Schöpfungsmythos der Bibel, im 1. Buch Mose, da er Bestandteil der drei Weltreligionen, Judentum, Christentum und Islam ist. Die Mythen gleichen Märchen. Sie werden nicht kritisch, vernünftig hinterfragt. [1]
In der Regel sind Mythen die frühesten in Worte gefasste Überlieferungen eines Volkes. Z. T. werden Mythen aber auch von einzelnen klar bestimmbaren Menschen ausgedacht. Viele vorsokratische Philosophen waren faktisch Mythenerfinder bei denen allerdings schon ein bisschen vernünftige Erklärungsversuche einflossen. Die Grenze zwischen Mythos und Philosophie war zur Zeit der Vorsokratiker noch fließend. Aber auch in jüngerer Zeit hat es immer wieder Mythenerfinder gegeben, die für ihre Geschichten viele Anhänger fanden. (Z. B. Rudolf Steiner.)
Ein Mythos wird »gebildet in der absichtslos dichtenden Sage«, wie David Friedrich Strauß es genannt hat. Er ist das Ergebnis des menschlichen Einbildungsvermögens, des fabulierenden Verstandes. Es gibt verschiedenste Mythen, denen eines gemeinsam ist: Sie sind nicht nachprüfbar. Man kann sie glauben oder es auch lassen. (Die Aussagen von Mythen können noch so vielen Erfahrungen und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen, der Gläubige wird trotzdem an ihnen festhalten.)
Eine Hypothese ist eine auf der Grundlage von Beobachtungen und Überlegungen (Empirie und Ratio) gebildete Vermutung. Sie wird auf der Basis von Indizien aufgestellt. Sie ist von Menschen gleicher Bildung und gleichem Wissensstand überprüfbar. Sie kann auf Basis weiterer Erfahrungen und Überlegungen verifiziert oder falsifiziert werden. [2]
Sowohl die Hypothese wie der Mythos können Wahrheit enthalten oder aber auch völlig neben den Tatsachen liegen. Aber auf Grund des unterschiedlichen Zustandekommens gibt es für Hypothese und Mythos völlig zu recht zwei verschiedene Wörter. Darüber hinaus ist das Aufstellen von Hypothesen eine höhere Form von Erkenntnisart als das Erfinden von Mythen. Ansonsten wäre nämlich die Evolutionstheorie und das 1. Buch Mose tatsächlich qualitativ gleichwertig. In einigen Bundesstaaten der USA ist dies bekanntlich Grundlage der Bildungspolitik. Nach meiner Auffassung eine unzulässige Vermischung von Mittelalter und aufgeklärter Gegenwart.
Ernst Cassirer: »Mythos ist immer als das Ergebnis einer unbewussten Tätigkeit und als ein freies Produkt der Einbildungskraft bezeichnet worden.«
Rudolf Karl Bultmann: »Der eigentliche Sinn des Mythos ist nicht der, ein objektives Weltbild zu geben; vielmehr spricht sich in ihm aus, wie sich der Mensch selbst in seiner Welt versteht; der Mythos will nicht kosmologisch, sondern anthropologisch besser: existential interpretiert werden.«
Fritz P. Rinnhofer: »Der Mythos ist die Illusion des Volkes.«
Wilhelm Busch: »Alle Thesen sind Hypothesen.«
Konrad Lorenz: »Unsere Arbeitshypothese lautet also: Alles ist Arbeitshypothese.«
Nietzsche: »Die Wissenschaft war bisher die Beseitigung der Verworrenheit der Dinge durch Hypothesen.«
Karl Popper: »Unser Wissen ist ein kritisches Raten, ein Netz von Hypothesen, ein Gewebe von Vermutungen.«
Schopenhauer: »Eine gefasste Hypothese gibt uns Luchsaugen für alles sie Bestätigende, und macht uns blind für alles ihr Widersprechende.«
Anmerkungen
Ursprünglich jedenfalls nicht. Heutzutage sind viele Angehörige von Religionsgemeinschaften so verweltlicht und von neuzeitlichem Wissen angesteckt, dass sie nicht mehr wörtlich an ihre Mythen glauben. Zurück zum TextAnm. 2: Das trifft allerdings nicht für alle Hypothesen zu. Z. B. die Behauptung, dass ein Individuum mit seinem Tod nicht nur körperlich, sondern auch bewusstseinsmäßig aufhört zu existieren, ist zumindest in dieser Welt weder verifizierbar noch falsifizierbar. Man könnte nun mit einer gewissen Berechtigung sagen, dadurch ist diese Behauptung eben gar keine Hypothese, sondern ein Glauben. Ich plädiere dafür, den Begriff Hypothese nicht ganz so eng zu sehen und ihn auch für begründbare philosophische Aussagen zuzulassen. Zurück zum Text