»In den Abgründen des Unrechts findest du immer die größte Sorgfalt für den Schein des Rechts.« Johann Heinrich Pestalozzi




Recht


Recht ist ein politisch-juristische Begriff, aber auch ein philosophischer und umgangssprachlich/alltäglicher Begriff. Deshalb kann Recht verschiedenes bedeuten.


Politisch-juristisch

Als politisch-juristischer Begriff bedeutet Recht ein System von Gesetzen mit – innerhalb eines Staates oder auch überstaatlichem – allgemeinen Geltungsanspruch, das von gesetzgebenden Institutionen geschaffen und wenn erforderlich von Organen der Rechtspflege durchgesetzt wird.

In den meisten Staaten der Welt gibt es heutzutage eine (zumindest vorgebliche, theoretische) horizontale Gewaltenteilung. Die Legislative schafft Gesetze, die Exekutive führt die Gesetze aus, bzw. handelt im Rahmen der Gesetze und die Judikative interpretiert die Gesetze bzw. wendet sie im Einzelfall an.

Die Wissenschaft vom Recht ist die Rechtswissenschaft oder die Jurisprudenz, abgekürzt oft Jura. (Jura-Studium). Verwandt mit der Rechtsphilosophie ist Staatsphilosophie.

Als Justiz bezeichnet man die staatlichen Organe der Rechtspflege.


Umgangssprachlich alltäglich

Als umgangssprachlich/alltäglicher Begriff wird Recht oft mit »richtig« gleichgesetzt. Für richtig und gerecht hält der Einzelne, was mit den eigenen ethischen Überzeugungen, mit  Sitte und  Moral, aber auch mit den eigenen Idealen und Interessen übereinstimmt.


Rechtsphilosophie

Innerhalb der Philosophie beschäftigt sich die Rechtsphilosophie mit dem Recht, aber keinesfalls nur sie. Bei einigen Philosophen ist Rechtsphilosophie identisch mit  praktischer Philosophie. (U. a. bei Hegel.)

Die Philosophen streiten seit Jahrtausenden darüber, was Recht und was Unrecht ist und ein Ende dieses Streites ist nicht zu erwarten. Dabei geht dieser Streit einerseits um die konkreten Aussagen (z. B.: »Ist das Töten eines Menschen unter bestimmten Umständen erlaubt oder immer verboten?«), andererseits um die Herkunft bzw. Begründung des Rechts.


Naturrecht und Rechtspositivismus

Die meisten Philosophen gehen davon aus, dass es unabänderliche, über jede (menschliche) Willkür stehende Rechte gibt (Naturrecht). Einige Philosophen (und viele mit der Rechtssetzung und Rechtspflege betraute Menschen) gehen davon aus, dass Recht immer und nur das ist, was eine Gruppe von Menschen als Recht setzt. (Rechtspositivismus) (Eng mit diesem Streitpunkt zusammen hängt die Frage, ob  Werte subjektiv oder objektiv sind.)

Die Naturrechtslehre geht davon aus, dass es eine höhere Instanz als den Menschen gibt, die Rechte setzt, über die der Mensch sich nicht hinwegsetzen kann und darf. Diese Instanz kann die Natur sein, aber auch – da täuscht der Name dieser Lehre etwas! – Gott oder die Vernunft.

Unter Naturrecht verstehen einige Menschen »das Recht, das in der Natur herrscht«. Sozialdarwinismus und besonders hart Faschismus sind Ergebnisse eines solchen Missverständnisses. Ähnlich aber nicht immer identisch damit ist die Vorstellung »Recht gleich Macht«.

Der Rechtspositivismus lehnt die  Naturrechtslehre ab. Recht sei etwas von Menschen gesetztes, sei etwas subjektives bzw. intersubjektives. Recht sei, was der Gesetzgeber als Recht setzt. In einem bestimmten Territorium zu einer bestimmten Zeit gelten bestimmte Gesetze und an die hat man sich zu halten bzw. auf die kann man sich berufen. Der Streit darüber, ob nun diese Gesetze aus irgendwelchen übergeordneten Gesichtspunkten gerecht oder ungerecht seien, sei unentscheidbar und deshalb für die juristische Praxis unbedeutend. [1]

Dass es in Gesellschaften positives Recht geben muss, wird mit Ausnahme einiger weniger Radikal-Anarchisten keiner bestreiten. (Fahren wir nun alle auf der rechten oder der linken Straßenseite?) Ob das in einem bestimmten Land bestehende positive Recht zum Ziel hat, die verschieden Interessen auszugleichen oder ob es bestimmte Menschen und Menschengruppen vor anderen privilegiert und ungerechte Verhältnisse zementiert, ist umstritten.


Rechtsvorstellungen verschiedener Philosophen

Heraklit unterschied als erster zwischen Naturrecht und positivem Recht.

Die Vielfalt der Sophisten zeigt sich daran, das Recht sowohl als Macht der Starken über die Schwachen, denn auch als Schutz der Schwachen vor den Starken angesehen wurde. Vielfach wurde auf die Relativität des Rechts und der Rechtsvorstellungen verwiesen.

Bei  Platon ist die Idee des Guten die Idee der Ideen, die oberste Idee. Aus ihr ergebe sich Recht, das nur die Weisesten erkennen könnten, die deshalb als Philosophenkönige herrschen müssten, damit es gerecht zugehen könne.

Bei Aristoteles ist der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen, das Gesellschaft und Staat bildet. Recht sei, dass jeder sich gemäß seines Wesens entwickeln könne. Da die Menschen unterschiedlich seien, gebe es unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Sklaverei sei erlaubt, da einige Menschen nun mal minderwertig seien.

Dagegen gingen die  Stoiker von der prinzipiellen Gleichheit aller Menschen aus.

In der mittelalterlichen Scholastik wurde zwischen göttlichem und weltlichem Recht unterschieden. Das göttliche Naturrecht stehe über jeder menschlichen Setzung, das weltliche Recht entstehe aus der Vernunft und werde vom absoluten Fürsten durchgesetzt.

Für Hobbes hat der Mensch nur die Wahl zwischen rechtlosem Naturzustand oder Unterwerfung unter einen Absoluten Monarchen. Recht ist, was dieser als Recht setzt.

 Locke ist der Begründer der Vorstellung, dass es eine Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber und Regierung geben soll. Grundlage des Rechts müsse die gegenseitige Achtung sein.

Für Bentham ist Recht das, was das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl herbeiführe.

Bei Kant ist objektives Recht der »Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann«.

Für  Hegel ist das Recht ein objektives Gebilde, das als Produkt der dialektischen Entwicklung der Idee entstehe.

Für Marx ist Recht das Produkt der dialektischen Entwicklung der Gesellschaft. Es stütze die bestehenden Eigentumsverhältnisse.

Für Lenin ist Recht das, was dem Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft dient. Unrecht was dem entgegensteht. Ein anderes Kriterium Recht und Unrecht zu unterscheiden gebe es zumindest gegenwärtig nicht.

In der gegenwärtigen Diskussion über Recht ist die Position von Habermas sehr bedeutsam. In einem freien Diskurs, in einer »Idealen Sprechsituation« müssten die Menschen eine Übereinkunft und einen Interessenausgleich finden.


Kritisches zum Recht

Der finanziell Bessergestellte oder mächtige Institutionen (Behörde, große Firmen etc.) haben immer mehr Möglichkeiten »Recht zu bekommen« als kleine Leute. So ist selbst in einem funktionierendem Rechtsstaat Rechtsgleichheit für alle nicht zu erreichen. Übertretungen des positiven Rechts durch finanziell Schwache ist deshalb zwar nicht legal aber nach meinem Dafürhalten legitim. Jedenfalls legitimer, als wenn die sowieso schon Mächtigen die Gesetze brechen.

Recht und Gerechtigkeit müssen nicht immer auseinanderfallen, sie können aber auch nicht immer übereinstimmen. Recht und  Moral sind oft verschieden. Das möchte ich am Beispiel der Pädophilie erläutern:

Bestraft werden kann nur Mann A.  Moralisch besser als die anderen Männer ist nur Mann E.


Zitate zu Recht, Gesetz und Juristen

Konrad Adenauer: »Natürlich achte ich das Recht. Aber auch mit dem Recht darf man nicht so pingelig sein.«

Aristoteles: »Denn das Recht ist nichts anderes als die in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung, und eben dieses Recht ist es auch, das darüber entscheidet, was gerecht ist.«

Augustinus: »Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.«

Ambrose Bierce: »Gesetzlich: mit der Vorstellung des zuständigen Richters vereinbar.«»Rechtmäßig: Vereinbar mit dem Willen des zuständigen Richters.«

Thomas Carlyle: »Macht und Recht unterscheiden sich sehr von einer Stunde zur anderen; aber wenn man ihnen Jahrhunderte gibt, um sich zu erproben, wird man sie identisch finden.«

Marie von Ebner-Eschenbach: »Der größte Feind des Rechtes ist das Vorrecht.«

Charles de Gaulle: »Die Zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind.«

Jean Giraudoux: »Nie hat ein Dichter die Natur so frei ausgelegt, wie ein Jurist die Wirklichkeit

Goethe: »Vom Rechte, das mit uns geboren ist, // Von dem ist leider! nie die Frage.«

Hegel: »Die Jurisprudenz ist das Subsumieren des Besonderen unter das Allgemeine, das Zusammenschließen derselben.«

Dieter Hildebrandt: »Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen.«

Hobbes: »Autorität, nicht Wahrheit, macht das Gesetz.«

Rudolf von Jhering: »Das Ziel des Rechts ist der Friede, das Mittel dazu der Kampf.« »Der Bildungsprozess des Rechts ist keine Sache der bloßen Erkenntnis wie bei der Wahrheit, sondern Sache des Kampfes der Interessen.« »Alles Recht in der Welt ist erstritten worden, jeder wichtige Rechtssatz hat erst denen, die sich ihm widersetzten, abgerungen werden müssen, und jedes Recht, sowohl das Recht eines Volkes wie das des Einzelnen, setzt die stetige Bereitschaft zu seiner Behauptung voraus.«

Joseph Joubert: »Es gibt ein Recht des Weiseren, nicht ein Recht des Stärkeren.«

Kant: »Das Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit in Einklang gebracht werden kann.« »Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Recht angepasst werden.«

John Keats: »Ich glaube, wir können Juristen in die Kategorie der Monster einreihen.«

Helmut Kohl: »Es darf keine Nachsicht gegenüber jenen geben, die sich anmaßen, für sich selbst rechtsfreie Räume zu schaffen.« [Das gilt auch für ihn selber! Parteispendenskandal der CDU.]

Hans Kudszus: »Das Recht ist eine Gewalt, die der Gewalt das Recht streitig macht.«

Konfuzius: »Der sittliche Mensch weiß, was recht ist, der gewöhnliche, was man verkaufen kann.«

Ferdinand Lassalle: »Die alleinige Quelle des Rechts ist das gemeinsame Bewusstsein des ganzen Volkes: Der allgemeine Geist.«

Lenin: »Recht ist, was der proletarischen Klasse nützt.« [Faktisch das was den  Kommunisten nützt.]

Karl Marx: »Das Recht kann nie höher sein, als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.«

Montesquieu: »Etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern es muss Gesetz sein, weil es recht ist.« [ Naturrecht.] »Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.«

Hermann Oeser: »Was dem einen recht ist, kommt den anderen gewöhnlich gar nicht billig.«

Ovid: »Gesetze wurden gemacht, damit der Stärkere seinen Willen nicht in allen Dingen durchsetzt.« »Gleiche Rechte, gleiche Pflichten.«

Blaise Pascal: »Das Recht ohne Macht ist machtlos – die Macht ohne Recht ist tyrannisch. Also muss man dafür sorgen, dass das was Recht ist, mächtig und das was mächtig ist, gerecht sei.«

William Penn: »Gerechtigkeit ist die Versicherung, die auf unserem Leben und auf dem Vermögen ruht. Gehorsam ist die Prämie, die wir dafür bezahlen.«

Johann Heinrich Pestalozzi: »Das gesellschaftliche Recht ist daher ganz und gar kein sittliches Recht, sondern eine bloße Modifikation des tierischen

Gustav Radbruch: »Ein guter Jurist kann nur der werden, der mit einem schlechten Gewissen Jurist ist.« »Die Gerechtigkeit ist die zweite große Aufgabe des Rechts, die erste aber ist die Rechtssicherheit, der Friede.« »Rechtsstaat ist wie das tägliche Brot, wie Wasser zum Trinken und wie Luft zum Atmen, und das Beste an der Demokratie ist, dass nur sie geeignet ist, den Rechtsstaat zu sichern.«

Rousseau: »Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.«

Bertrand Russell: »Regierung kann auch ohne Recht bestehen, nicht aber Recht ohne Regierung.«

George Savile Marquis of Halifax: »Wenn die Gesetze sprechen könnten, würden sie sich zuallererst über die Juristen beschweren.«

Schiller: »Das Gesetz ist der Freund des Schwachen.«

Arthur Schopenhauer: »Das Recht an sich ist machtlos: von Natur herrscht die Gewalt. Dies nun zum Rechte hinüberzuziehen, so dass mittels der Gewalt das Recht herrsche, dies ist das Problem der Staatskunst.«

Albert Schweitzer: »Das Fundament des Rechts ist Humanität.« »Es ist die Bergpredigt die unanfechtbare Rechtsurkunde des freisinnigen Christentums.«

Manès Sperber: »Rechtsbewusstsein entsteht durch ein Unrechtserlebnis.«

Spinoza: »Jeder hat soviel Recht, wie er Macht hat.«

Jonathan Swift: »Gesetze sind wie Spinnweben, die kleine Fliegen fangen, aber Wespen und Hornissen entkommen lassen.«

Tacitus: »Früher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen.« »Nichts erhält die Gesetze so wirksam wie ihre Anwendung gegen hochgestellte Personen.«

Mark Twain: »Gesetzeslücken lassen sich durch beständigen Gebrauch beträchtlich erweitern.«

Gerhard Uhlenbruck: »Wir fertigen uns unser Recht, um uns zu rechtfertigen.«

Joseph Unger: »Das Recht hat die merkwürdige Eigenschaft, dass man es behalten kann, ohne es zu haben.«

Otto Weiss: »In so manchen Staaten sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich; vor dem Gesetz – nicht vor dem Gericht.« »Wodurch man sich sehr unbeliebt machen kann: Wenn man oft recht hat.«


Römischer Rechtsgrundsatz: »In dubio pro reo

Römisches Sprichwort: »Fiat iustitia et pereat mundus


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Anmerkungen

Anm. 1: Diese Auffassung wurde nach dem 2. Weltkrieg einigen deutschen Richtern zum Verhängnis (vielen von denen allerdings leider nicht!), die während der Nazizeit positives Recht durchsetzten. Wenn Soldaten aus der deutsche Armee desertierten, weil sie den verbrecherischen, verrückten und in den letzten Jahren offensichtlich verloren Krieg nicht mehr mitmachen wollten, war dies gemessen am positiven Recht Unrecht. Wenn sie dafür zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, war das Recht. »Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein« argumentierte auch der ehemalige Marine-Richter und spätere baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger. (Und heute denkt so manch ehemaliger Stasi-Mitarbeiter.) Zurück zum Text


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