Ideale


Ideale und Philosophie

Umgangssprachlich bedeuten Ideale ethische oder  moralische Werte, die man realisieren oder (bescheidener) an die man sein Handeln orientieren will. In der Philosophie spricht man bei solchen Idealen in der Regel von (ethischen) Werten. Was ich unter Ideale im Sinne von »ethische Werte« verstehe  weiter unten.

Über die zwei Bedeutungen von Idealismus siehe  Idealismus, Materialismus etc.

Der Begriff Ideal hat in der Philosophie eine etwas andere Bedeutung als in der Umgangssprache, wobei es allerdings Ähnlichkeiten, bzw. Berührungspunkte gibt:


Meine Vorstellungen über Ideale

Die Menschen haben im Verlaufe ihrer Geschichte Gesetzeswerke, ethische Systeme u. ä. hervorgebracht, die aber zu den verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich sind. Die neugeborenen Menschen wachsen nun in eine bestimmte Gesellschaft, eine bestimmte soziale Schicht und eine ganz spezifische Familie hinein (z. B. eine mit einer bestimmten Religion) und verinnerlichen die dort herrschenden Wertvorstellungen. Im weiteren Leben werden sie nun gut und böse nicht nur an den natürlichen und individuellen Bedürfnissen messen, sondern auch an den verinnerlichten Wertvorstellungen.

Auffassungen, bzw. Wertvorstellungen können aber auch gegen das Anerzogene, gegen die herrschenden Wertvorstellungen – jedenfalls gegen Teile davon – entstehen. Ansonsten ließe sich gar nicht erklären, warum wir überhaupt Wertvorstellungen haben. Irgendwann im Verlaufe der Evolution bzw. der Menschheitsgeschichte mussten diese Werte irgendwann erstmals entstanden sein. (Es sei denn, man hat eine  Objektivistische Wertethik. Ich habe eine  subjektivistische Ethik.) Es ließe sich ansonsten auch nicht erklären, warum sich die Wertvorstellungen im Verlaufe der Geschichte schon des Öfteren geändert haben.

Die Werte eines Menschen gehen aus seiner Natur, seiner Psyche, seinen Gefühlen, auch unterschwelligen, aus seinem Unterbewusstsein, seinen Lebensumständen, seiner Vernunft und eventuell weiteren Ursachen hervor. Nach meiner Überzeugung spielen die Gefühle eine dominierende Rolle. – Die verinnerlichten und die selbst gebildeten Wertvorstellungen sind die Ideale (im ethischen Sinne), die ein Mensch hat. (In der Philosophie nennt man sie in der Regel »ethische Werte«.) Während Bedürfnisse auch schon Tiere haben, sind Ideale etwas originär menschliches. (Wobei es bei Tieren Vorformen geben kann.)

Was Menschen für gerecht und ungerecht halten, hat also einerseits etwas zu tun mit ihren Bedürfnissen, oder, um ein anderes Wort zu verwenden, mit ihren Interessen, und mit ihren Idealen. Das heißt ja nichts anderes, als dass zu den natürlichen und individuellen Bedürfnissen nun noch das Bedürfnis hinzutritt, sich an bestimmte Wertvorstellungen zu halten. Hätte der Mensch nur Interessen, bzw. würden seine Ideale völlig identisch mit seinen Interessen sein, dann ließe sich nicht erklären, warum Menschen, die satt sind, unglücklich darüber sind, dass andere, weit entfernt lebende Menschen, (ver)hungern, dass freie Menschen sich daran stören, dass andere Menschen unterdrückt werden etc. (Hunderte weiterer Beispiele wären möglich.) Es ließe sich dann auch nicht erklären, warum es soetwas wie ein »schlechtes Gewissen« gibt. (Ein schlechtes Gewissen entsteht, wenn unsere Interessen, bzw. ein daraus resultierendes Verhalten im Widerspruch zu unseren Idealen steht.)

Es gibt Menschen, die keine über ihren Interessen hinausgehenden Ideale, Werte, ethischen Maßstäbe etc. haben. Diese glauben häufig, dass niemand soetwas hat. Hinter moralischen Vorstellungen verbürgen sich immer Interessen.  Moral sei eine Illusion wie Gott. Ein aufgeklärter Mensch würde den Moralbegriff genauso aufgeben, wie den Gottesbegriff. Es gibt viele Beispiele dafür dass das nicht stimmt. Menschen handeln häufig wider ihren Interessen. Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass der Mensch angeborene altruistische Gefühle hat. Menschen, die solche Gefühle nicht in sich vorfinden, sind »Gefühlskrüppel«, so wie  Nietzsche einer war. (»Krüppel« ist ein derbes Wort, das man in der Regel vermeiden sollte. Gefühlskrüppeln gegenüber halte ich es aber für eine angebrachte Polemik. Krüppel ist, wem etwas fehlt, was zum Menschen normalerweise gehört, z. B. ein Körperteile, eine Bewegungsmöglichkeit, ein Bestandteile der Psyche, wie Mitleid.)


Zitate zu Ideale

Amos Bronson Alcott: »Ideale sind unsere besseren Ichs

Axel von Ambesser: »Ideale sind ein Leuchtturm, kein Hafen.«

Jakob Bosshart: »Extreme Idealisten sind immer Feiglinge, sie nehmen vor der Wirklichkeit Reißaus.«

Wilhelm Busch: »Lieben Sie das Ideale oder das Reale? Man lebt und hofft.«

Fjodor Dostojewski: »Ich habe mich wohl schon tausendmal über diese Fähigkeit des Menschen gewundert, das höchste Ideal neben der niedrigsten Gemeinheit in seiner Seele hegen zu können, und beides mit vollkommener Aufrichtigkeit.«

Ortega Y Gasset: »Ideale sind ein Teil des Kosmos, und wir gewahren sie darin durch einen echten Erfahrungsakt, genau so wie wir das Wirkliche wahrnehmen. Ideale erziehen und regen unser Leben an. Ideale sind biologische Sprungfedern. Ohne Ideale kein Leben.«

Curt Goetz: »Idealismus ist die Fähigkeit, die Menschen so zu sehen, wie sie sein könnten, wenn sie nicht so wären, wie sie sind.«

Hegel: »Das Ideal ist das Wirkliche in seiner höchsten Wahrheit

Jean Paul: »Wer irgendein Ideal, das er ins Leben ziehen will, in seinem Inneren hegt und nährt, ist dadurch gegen die Gifte und Schmerzen der Zeit gefeit.« [Zumindest kann er leichter mit ihnen umgehen, sie leichter ertragen.]

Alphonse de Lamartine: »Das Ideal ist die Wahrheit, von weitem gesehen.«

Robert Lembke: »Erwachsene nennen ihre Teddybären Ideale.«

Theodor Lessing: »Alles das, woran ich auf Erden gelitten habe und was mir am Menschen böswillig und gehässig erschien, brüchig und gemein, machtwillig oder eitel, alles das begegnete mir auf meinem Lebenswege stets im Gewande der Ideale.«

Ludwig Marcuse: »Sobald die Wirklichkeit mit einem Ideal verschmolzen wird, verdeckt es sie.« [Für oberflächliche Beobachter. Genau hingesehen, blamiert die Wirklichkeit jedes Ideal.]

André Maurois: »Auch unsere Ideale bekommen im Laufe der Zeit Runzeln, Krähenfüße und sehr viele Narben.«

Henry Louis Mencken: »Ein Idealist ist jemand, der bemerkt hat, dass eine Rose besser riecht als Kohl, und daraus folgert, dass sie auch eine bessere Suppe abgeben wird.« [Meine eigene Übersetzung.]

Yehudi Menuhin: »Idealistisch darf nur die Richtung sein, alles andere praktikabel.«

Robert Musil: »Ideale haben merkwürdige Eigenschaften und darunter auch die, dass sie in ihren Widersinn umschlagen, wenn man sie genau befolgen will.«

Friedrich Nietzsche: »Alle Ideale sind gefährlich: weil sie das Tatsächliche erniedrigen und brandmarken; alle sind Gifte, aber als zeitweilige Heilmittel unentbehrlich.« [Das ist nichts anderes als die Idealisierung des »Ist-Zustandes«.]

Friedrich Schlegel: »Die Quelle des Ideals ist der heiße Durst nach Ewigkeit, die Sehnsucht nach Gott, also das Edelste unsrer Natur

Carl Schurz: »Ideale sind wie Sterne. Man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich nach ihnen orientieren.«

Leo Tolstoi: »Für das Leben wird ein Ideal benötigt. Ein Ideal ist jedoch nur dann Ideal, wenn es Vollkommenheit ist.«

Kurt Tucholsky: »Ein Ideal, für das ein Mann oder eine Frau nicht kämpfen wollen, stirbt – das ist ein Naturgesetz.« »Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.«

Carl Friedrich von Weizsäcker: »Das Ideal misst man vielleicht am besten an den Opfern, die es verlangt.«

Richard von Weizsäcker: »Am Ideal gemessen versagt die Wirklichkeit. Aber was wäre das für eine traurige Wirklichkeit, wenn sie aufhören würde, sich nach dem Ideal zu orientieren und nach der Wahrheit zu fragen?«

Tennessee Williams: »Die Sterne, die wir am Himmel sehen, gibt es vielleicht gar nicht mehr. Genauso verhält es sich mit den Idealen früherer Generationen.«


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