Buddhismus

Buddha (indisch »Der Erleuchtete oder Erwachte« ursprünglicher Name: Siddhartha Gautama) lebte ungefähr im 6. Jahrhundert v. u. Z. (Genaue Lebensdaten sind umstritten.) Der Buddhismus ist in Indien entstanden, hat sich aber später in ganz Asien ausgebreitet und ist in verschiedene Richtungen zerfallen. Im heutigen Indien spielt er nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Folgenden werden bestimmte Grundtendenzen dargestellt, die aber bestimmt nicht von allen, die sich auf Buddha berufen, geteilt werden.

Da im »Westen« oder bei interessierten aber nur mangelhaft informierten Menschen häufig fern-östliche Lehren, Religionen und Philosophien in einen Topf geworfen werden, sei gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass sich der Buddhismus vom Bramanismus und Hinduismus in vielen wichtigen Punkten unterscheidet.

Schreibweise der Glaubensrichtungen, Orte, Personen etc. sind in der Literatur unterschiedlich.



Die Lehre Buddhas

Die Kenntnis der Lehren Buddhas stützt sich auf die sogenannten »Drei Pitakas« (indisch Körbe). Das sind Sammlungen von heiligen Schriften, die im Umfang die  Bibel übertreffen.

Das Fundament des Buddhismus sind die »Vier Heiligen Wahrheiten«:

  1. Alles Leben ist Leiden.
  2. Alles Leiden hat seine Ursache in den Begierden.
  3. Die Aufhebung der Begierden führt zum Aufheben des Leidens, zur Durchbrechung der Kette der Wiedergeburten.
  4. Der Weg zu dieser Befreiung ist der heilige achtteilige Pfad der da heißt rechtes Glauben, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Gedenken, rechtes Sich-Versenken.

Atheismus: Der ursprüngliche Buddhismus ist eine atheistische Religion, da Buddha selbst den Glauben an einen Gott und den Glauben, ein anderer könne uns erlösen, abgelehnt hat. Er verwarf auch jeden äußeren Kultus.

Dharma: Die letzten Bestandteile allen Seins, aus denen alles zusammengesetzt sei, werden »Dharmas« genannt. Diese Dharmas sind aber weder mit den  demokritischen Atomen noch mit den  leibnizschen Monaden zu vergleichen. Dharmas sind keine Seelen, nichts lebendiges, sondern unbelebt. Ein Dharma ist auch nichts dauerhaft Bestehendes, sondern etwas das kurz aufblitzt und sofort wieder vergeht. Dauerhaftes, beharrendes Sein gebe es überhaupt nicht. Nur der Augenblick sei wirklich. Das Universum sei ein unablässiger Strom einzelner Seinsmomente, ein Kontinuum der Vergänglichkeit.

Kein Ich: Es gebe auch kein dauerhaftes Ich, kein dauerhaftes Bewusstsein. Auch Ich und Bewusstsein vergingen und entstünden in jedem Augenblick neu. Nur die Geschwindigkeit, mit der dieser Prozess ablaufe, und die Verwobenheit der einzelnen Seinsmomente erwecke die Täuschung, es gäbe ein dauerhaftes Ich und ein dauerhaftes Sein. (Ähnlichkeiten zu  Hume.)

Zeit: Die Zeit sei ein Aufeinanderfolgen lauter Einzelmomente und nicht ein kontinuierliches Fließen.

Verneinung: Die buddhistische Lehre ist eine große Verneinung. Kein Gott, kein Ich, keine unsterbliche Seele, kein beharrendes Sein.

Kausalität: Das Entstehen und Vergehen der Dharmas geschehe nicht zufällig, sondern unterliege dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Dieses Weltgesetz der Kausalität wird aber auch Dharma genannt, entsteht und vergeht also auch ständig. Dieses Gesetz gelte nicht nur für die äußeren Dinge, sondern auch für  moralische Vorgänge.

Karma und Wiedergeburt: Wie andere indische Religionen geht auch der Buddhismus von der Wiedergeburt aus, und dass das Wissen und die Taten der vorherigen Leben (das Karma) das Schicksal der zukünftigen Leben bestimmt. Dabei ist aber im Buddhismus die neue Person, die auf Grund der Schuld einer früheren Person ein bestimmtes Schicksal erleidet, nicht etwa mit der alten Person identisch. Das sei sie nicht! Es gebe ja überhaupt kein dauerhaftes Ich. Das Ich entstehe und vergehe ja von einem Augenblick auf den anderen.

Erlösung: Auch der Buddhismus betrachtet alles Leben als Leiden. Dort komme man nur heraus, wenn man durch asketisches Leben usw. alle Wünsche, alle Gier abstreife.

Nirwana: Erreichen tut man dann aber nicht, wie in anderen Religionen versprochen, die ewige Glückseligkeit, sondern lediglich das »Nirwana« und das heißt wörtlich das »Nichts«. Das Nirwana wird beschrieben als der Zustand der Flamme, nachdem sie erloschen ist.

Ethik: 5 Gebote:

  1. Töte keine Lebewesen
  2. Nimm nicht, was dir nicht gegeben
  3. Sprich nicht die Unwahrheit
  4. Trinke keine berauschenden Getränke
  5. Sei nicht unkeusch

[Iss kein Fleisch, klau nicht, lüg nicht, sauf nicht, vögel nicht. Das ist ja schon das Nirwana ;-)]


Überwinde den Zorn durch Herzlichkeit,
Böses durch Gutes ...
Niemals in der Welt hört Hass durch Hass auf,
Hass hört nur durch Liebe auf."


Die Entwicklung nach Buddha

In den Jahrhunderten nach Buddhas Wirken kam es über die Frage, welche der zahlreichen Sammlungen von buddhistischen Schriften die authentische Lehre Buddhas wiedergeben, zu Meinungsverschiedenheiten und zu Aufspaltungen in zahlreiche Richtungen und Sekten.

Mahayana: Um die Zeitenwende entstand eine buddhistische Kirche, die in vielem der christlichen Kirche des Mittelalter glich. Buddha wurde zum Gott erhoben und das Nirwana wurde zu einem Himmel, der von weiteren Buddhas bevölkert wurde und in dem die Menschen die ewige Glückseligkeit erreichen könnten. Es entstanden Gottesdienste, Gebete, Totenmessen etc. Diese Richtung des Buddhismus nannte sich »Mahayana« d. h. »Großes Fahrzeug« (zum Heil).

Hinayana: Die Richtungen, die am ursprünglichen Buddhismus festhielten und Buddha weiterhin als Menschen ansahen, wurden abfällig »Hinayana« genannt, d. h. »Kleines Fahrzeug«. (In der Literatur wird für diese Richtung auch der Begriff »Theravada« (»Lehre der Ältesten«) gebraucht oder diese wird als einzige noch existierende Strömung des Hinayana bezeichnet.)

Der Buddhismus hat sich dann über ganz Asien ausgebreitet und ist in vielen Ländern zu einem wesentlichen Kulturbestandteil geworden. Vielerorts schuf er überhaupt erst die Grundlage eines geistigen Lebens. Die Ausbreitung geschah allerdings völlig gewaltfrei. Gegenwärtig bekennen sich zwischen 200 und 500 Millionen Menschen zum Buddhismus. Die Zahl ist deshalb so wage, weil der Buddhismus keine Exklusivreligion ist. Er erlaubt seinen Anhängern auch, gleichzeitig an andere Religionen zu glauben. [Etwas das einem Juden, Christen oder Moslem wohl schier unverständlich vorkommen muss.]


Die buddhistische Logik der Verneinung – Der Philosoph Nagarjuna

Der ungefähr um das Jahr 125 u. Z. lebende indische Philosoph Nagarjuna schuf aufbauend auf schon vorhandene Gedanken die »Logik der Verneinung« (die auch Dialektik genannt wird).

Die Lehre von den zwei Wahrheiten: Es wird zwischen einer niederen und einer höheren Wahrheit unterschieden. Eine Behauptung kann aus Sicht des gemeinen Verstandes als wahr erscheinen, aus einem höheren Blickwinkel aber als falsch. (A = gemeine Wahrheit, B = höhere Wahrheit) Das Gegensatzpaar AB kann aus einem höheren Blickwinkel aber auch wieder falsch sein, eine falsche Alternative. (AB = gemeine Wahrheit, C = höhere Wahrheit) ABC kann nun wiederum auch nur eine gemeine Wahrheit sein usw. So ergibt sich die Möglichkeit eines stufenweisen Aufstiegs zu immer höherer, umfassenderer Wahrheit.

[Beispiel:

  1. »Jeden Morgen geht die Sonne auf und Abends geht sie unter.« (Aussage A. Gemeine Wahrheit. Empirische Wahrheit.)
  2. »Die Sonne geht weder auf noch unter. Die Erde dreht sich um ihre eigene Achse; deshalb erscheint es uns so, als ob die Sonne auf- und untergehe.« (Aussage B. Höhere Wahrheit. Rationale, naturwissenschaftliche Wahrheit.)
  3. »Es gibt keine absolute Bewegung. Ob sich etwas bewegt oder nicht, ist immer eine Frage der Betrachtung, bzw. der Interpretation.« (Aussage C. AB erweist sich als falsche Alternative. Abstraktes Denken,  Leibniz,  Relativitätstheorie.)
  4. »Es gibt überhaupt keine Bewegung, sondern nur unveränderliches, beharrendes Sein.« ( Parmenides) Bewegung ist subjektiver Schein. (Aussage D. Die Alternative AB oder C ist eine falsche. Beginn des philosophischen Denkens.)
  5. »In dem Moment, wo ich Bewegung erlebe, gibt es Bewegung. Zumindest in meinen Erlebnissen. Und da meine Erlebnisse ein Teil des Seins sind, gibt es Bewegung im Sein.« (Aussagen E. Die Alternative AB-C oder D erweist sich wieder als falsche.) Die Frage ist nicht, ob es Bewegung gibt, sondern ob es unbewegliche Teile des Seins gibt. Gibt es einen unbeweglichen Kern des Seins? Z. B. die Sphäre der  platonischen Ideen? Was versteht man überhaupt unter Sein? Was versteht man unter Schein? (Fortschreitendes philosophisches Erkennen.)]

Die Vierfache Weise der Beweisführung: Jedes Problem, das eine Antwort in Form von Ja oder Nein erfordert, könne auf vierfache Weise gelöst werden:

Die höchsten Wahrheiten hätten immer den Charakter des »weder Ja noch Nein«, d. h. sie stünden jenseits aller Besonderung und aller Fasslichkeit.

Die Achtfache Verneinung des Werdens:
Mit der Methode des »weder noch« behauptet Nagarjuna dann, es gebe

Die Wahrheit liege jenseits dieser Unterscheidungen. [Eine Dialektik des »Ja und Nein« erscheint mir plausibler.]

Der Mittlere Pfad: Der auf diese Weise vorgehende Denker werde sich vor allen Abweichungen nach links und rechts schützen und sich von allen scheinbar unausweichlichen, sich ausschließenden Gegensatzpaaren fernhalten.


Vier buddhistische Hauptsysteme

So wie sich auf dem Boden der christlichen Religion oder parallel zu ihr eine christliche Philosophie entwickelte, so entwickelte sich auch eine buddhistische Philosophie, die allerdings eine viel größere Zahl konkurrierender Systeme hervorbrachte als die christliche Philosophie. Das liegt wohl an der wesentlich größeren Toleranz, die die indischen Religionen generell auszeichnet.

1. Das realistische bzw.  materialistische System des Vasubandhu: Der Philosoph Vasubandhu lebte ca. 420–500 u. Z. Er richtete die Verneinung nur gegen den Faktor »Personen« und leugnet die Existenz von dauerhaften »Ichs«. Die Existenz der körperlichen Welt wurde dagegen nicht geleugnet.

2. Das nihilistische System des Harivarman: Harivarman lebte ca. 250–350 u. Z. Für ihn existieren weder Personen noch Körper, noch Ideen. (System 1 und 2 gehören zum  Hinayana.)

3. Das  idealistische System des Vasubandhu: Vasubandhu, der zuerst das realistische System begründete, wurde später von seinem Bruder Asanga, der vorher schon das idealistische System entwickelt hatte, zum Idealismus bekehrt und verfasste die wichtigsten Bücher dieser Richtung. Die Existenz von Personen und Materie wird geleugnet. Nur den Ideen komme wahre Wirklichkeit zu.

4. Das nihilistische System des Nagarjuna: Die obigen drei Systeme versuchen die Frage nach Sein oder Nichtsein von Personen, Körpern oder Ideen mit Ja oder Nein oder mit Ja und Nein zu beantworten. Nagarjuna beantwortet diese Fragen mit einem »weder noch« und glaubt damit sich von System 2 zu unterscheiden. (System 3 und 4 gehören zum  Mahayana.)


Der Zen-Buddhismus

Der Zen-Buddhismus unterscheidet sich gravierend von den eben behandelten Systemen. Er hat zwar seinen Ursprung in Indien, bekam seine Ausprägung aber in China. Dort und in Japan existiert er bis heute. Er ist in der Gesamtentwicklung des Buddhismus eine der wichtigsten und weitverbreitetsten Richtungen.

Der Zen-Buddhismus hat kein ausgebildetes philosophisches System und keine ausformulierten Glaubenssätze. Und zwar weil nach Meinung der Zen-Buddhisten das Haften an Wörtern, Begriffen und festen Lehrsätzen den Menschen daran hindere, das wirklich Gemeinte zu erkennen. Das gelte auch für die Lehre Buddhas.

Buddha habe seine reinen Wahrheiten in schweigendem Verstehen an seine Schüler weitergegeben und die wieder an ihre Schüler und so gibt es eine ununterbrochene Kette bis zu den heutigen Zen-Buddhisten. »Von Geist zu Geist wurde es überliefert.« »Schau direkt in des Menschen Seele, erkenne ihre Natur und werde zum erleuchteten Buddha.« »Das heilige Wissen ist kein Wissen.«

Der nach Erleuchtung Suchende bekommt ein bestimmtes Thema gestellt und muss nun unter der Aufsicht eines Priester mehrere Tage und Nächte in einer genau vorgeschriebenen Haltung meditieren. Glaubt er die Lösung gefunden zu haben, wendet er sich an den Priester, der über den Erfolg entscheidet.

Die Zen-Buddhisten sind aber nicht (wie man vermuten könnte) weltabgewandte Spinner, sondern im praktischen Leben stehende und handelnde Menschen. (Man darf sie nicht mit den  Yogis verwechseln.) Jede gewonnene Einsicht, soll sofort ins praktische Leben übertragen werden. Dies verdeutlichen einige Aussprüche von Zen-Patriarchen: »Das Leben ist die Lehre.« »Keine Arbeit, kein Essen.« »Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen sind die heilige Lehre.«


Zitate zum Buddhismus

14. Dalai Lama: »Mehr als jede andere Tugend betont der Buddhismus Uneigennützigkeit, die in Liebe und heilender Hinwendung Ausdruck findet.«

Nietzsche: »Aber ein Christentum, das vor allem kranke Nerven beruhigen soll, hat jene furchtbare Lösung eines ›Gottes am Kreuze‹ überhaupt nicht nötig: weshalb im stillen überall der Buddhismus in Europa Fortschritte macht.«

Bertrand Russell: »Was für das Christentum gilt, gilt gleichermaßen auch für den Buddhismus. […] die buddhistische Priesterschaft – wie es sie beispielsweise in Tibet gibt – ist in höchstem Grade bildungsfeindlich, tyrannisch und grausam.«


Kritik am Buddhismus

Wenn man über die ständige Veränderung des eigenen Ichs, der inneren und äußeren Welt nachdenkt, dann kann man durchaus zu einer Einstellung gelangen, wie in der Dharmalehre dargelegt, dass es also kein dauerhaftes Sein gibt, in jedem Augenblick alles schon wieder anders ist. Aber wenn man dort stehen bleibt, dann kommt man zu unhaltbaren Auffassungen. Wenn Buddha dies so vertreten hat (was sich ja gar nicht mehr eindeutig feststellen lässt), dann meine ich, war der alte Grieche  Heraklit, der zur gleichen Zeit lebte und die Dialektik begründete, doch klüger, indem er nämlich erkannte, dass wir in jedem Augenblick ein anderer sind und doch immer der gleiche. Da von Buddha aber sowohl der Ausspruch »Alles ist« als auch der Ausspruch »Nichts existiert« überliefert ist, war er vielleicht doch nicht so weit von Heraklit entfernt.

Die buddhistischen Lehren können Menschen die Augen öffnen über Ursachen von Leid. Aber dort stehen bleiben, das mag ich nicht. In Bedürfnisentsagung und im Nichts (Nirwana) kann ich kein erstrebenswertes Ziel sehen.

In der Praxis waren und sind viele buddhistische Mönche fortschrittsfeindlich.


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