Der Neukantianismus war eine an Kant bzw. an bestimmte Aspekte der kantischen Philosophie anknüpfende philosophische Strömung, die ihre Blütezeit in den Jahrzehnten vor und nach der Wende vom 19. Jahrhundert auf das 20. Jahrhundert hatte und in dieser Zeit die bedeutendste philosophische Strömung war.
Besonders drei Personen leiteten eine Rückbesinnung auf Kant ein:
Die nun einsetzende Renaissance des Kantianismus brachte eine kaum zu übersehende Menge an Literatur über Kant und den Neukantianismus hervor. Dabei sind bei aller Verschiedenheit der vielen Autoren und Richtungen drei Grundzüge des Neukantianismus feststellbar:
Innerhalb des Neukantianismus haben besonders zwei »Schulen« Bedeutung:
Für die Marburger Schule des Neukantianismus ist Philosophie besonders Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie. Anknüpfend an Kants transzendentaler Deduktion bemüht sie sich darum, die logischen Voraussetzungen von Naturwissenschaft und Mathematik zu ergründen. (In diesem Sinne wird Platon von ihnen laut Hirschberger kantianisch umgedeutet.) Da im Wesentlichen Begriffsoperationen vorgenommen wurden wird diese Strömung auch »logischer Idealismus« genannt. Vertreter der Marburger Schule sind u. a.: Hermann Cohen, Paul Natorp, Ernst Cassirer, Bruno Bauch, Richard Hönigswald.
Die Vertreter der Südwestdeutsche Schule des Neukantianismus (auch Badische oder Heidelberger Schule genannt), widmeten sich besonders dem Wertproblem. Als Vertreter dieser Richtung werden besonders Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert genannt.
Wie es unter Philosophen leider weitverbreitet ist, bekämpften sich die Vertreter dieser beiden Schulen heftig.
Einige Philosophiehistoriker rechnen auch den Empiriokritizismus zum Neukantianismus. (Vertreter Richard Avenarius und Ernst Mach.) Andere sehen in ihm eine Strömung des Positivismus. (Die Grenze zwischen verschiedenen philosophischen Strömungen sind oft fließend, Zuordnungen deshalb oft problematisch.)
Nicht alle hier aufgeführten Personen haben sich selbst als Vertreter des Neukantianismus angesehen, werden aber in der Regel dem Neukantianismus zugerechnet.
Das Grundsätzliche am Neukantianismus scheint der Idealismus zu sein, da mit dem »Ding an sich« auch das letzte vom erkennenden Menschen unabhängig existierende verschwunden war. (Das wird von idealistisch orientierten Philosophen allerdings ganz anders gesehen. Sie sehen im Neukantianismus Einengung auf Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie und damit Agnostizismus und Positivismus.) Deshalb erinnert vieles an Platon. Bei den Neukantianer der Marburger Schule und bei Vaihinger scheint mehr der subjektive Idealismus, bei der Südwestdeutschen Schule scheint dagegen mehr der objektive Idealismus zu dominieren. Es gibt Platoniker, die behaupten, alle Philosophie nach Platon bestehe eigentlich nur noch aus Fußnoten zu diesem. Das ist wohl etwas übertrieben, wenn man es auf die gesamte Philosophie bezieht. In Bezug auf die immer neuen Varianten des Idealismus mag das aber durchaus zutreffen. (Soweit man die Gesellschafts- und Staatstheorie ausklammert!) Und das soll nicht bedeuten, dass spätere idealistische Philosophen nicht im Detail auch Neues zur Philosophie beigetragen haben.