Lao Tse (ca. 6. Jahrhundert v. u. Z. auch Lao Zi und viele weitere Schreibweisen) war ein bedeutender chinesischer Philosoph, dessen tatsächliche Existenz allerdings unsicher ist. Das Buch Tao-te King (auch Dao De Jing), dass er geschrieben haben soll, ist jedenfalls vorhanden. Im Gegensatz zu Konfuzius, dem bedeutensten chinesischen Philosophen, war Lao Tse ein Metaphysiker. Seine Lehren beinhalten aber auch Aussagen zur praktische Philosophie.
Tao (auch Dao): Der unfassliche Urgrund der Welt, das Gesetz aller Gesetze, Vernunft, das Absolute. (Ähnlich wie in Indien Brahman.)
Erkenntnis: Das Tao sei als letzter Urgrund unfassbar, das Erkennen des Nichterkennens sei das Höchste. ( Negative Theologie.) Wir könnten aber das Tao erfühlen, uns seines Wirkens innewerden, wenn wir demütig und hingebungsvoll die Natur betrachten. [Wenn ich demütig und hingebungsvoll die Natur betrachte, dann sehe ich dort ein großes Restaurant, in dem jedes Lebewesen sowohl Gast als auch die angebotene Speise ist.]
Gesellschaft und Politik: Lao Tse strebte nicht nach Weltflucht und Askese. Der Mensch solle in der Welt stehen und in ihr wirken, aber so, als wäre er gleichsam nicht von ihr. Ihm wird der Satz zugeschrieben: »Liebt die Dinge der Welt, aber verliert euch nicht an sie.« [»Ja, Wohlstand wollen wir gern anstatt, dass uns am Ende der Wohlstand hat.« Wolf Biermann]
Ethik: Parallelen zu Buddha und Jesus. Vergelte Böses mit Gutem, vergelte Lüge mit Wahrheit.
Einfachheit: Das einfache Leben verschmähe Gewinn, Künstelei, Selbstsucht, aber auch Klugheit. »Der vollkommene Mensch wünscht nichts zu wünschen. Schaffen wir höchste Leere, bewahren wir feste Stille.« Der Erleuchtete kehre zurück zur Einfalt des Kindes. Wenn das Volk schwer zu lenken sei, dann liege es daran, dass es zuviel Wissen habe. Wer das Land durch Wissen lenke, sei des Landes Räuber. Wer nichts nachläuft, dem fallen gerade dadurch die Dinge zu usw. (Zitate aus Störig, S. 96ff) [Mir geht das zu weit! Es fängt an tatsächlich einfältig und lebensfeindlich zu werden. Genau den gleichen Quatsch kann man in der Bergpredigt lesen. »Sorget Euch nicht darum, was ihr essen werdet und womit ihr Euch kleiden werdet, wenn Ihr nur an meinen Vater glaubt, wird Euch das alles zufallen ...« Mit einer solchen Einstellung wären die Menschen durch keinen Winter gekommen.]
»Selbst Himmel und Erde können nichts Dauerndes schaffen, um wie viel weniger der Mensch.«
Dialektik: »Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander. Schwer und Leicht vollenden einander. Lang und Kurz gestalten einander. Stimme und Ton vermählen einander. Vorher und Nachher folgen einander.«
»Der beste Führer ist der, dessen Existenz gar nicht bemerkt wird, der zweitbeste der, welcher geehrt und gepriesen wird, der nächstbeste der, den man fürchtet und der schlechteste der, den man hasst. Wenn die Arbeit des besten Führers getan ist, sagen die Leute: ›Das haben wir selbst getan‹.«
»Gewalt zerbricht an sich selbst.« [Häufig. Aber leider nicht immer. Oft triumphiert auch die Gewalt.]
»Güte beim Denken erzeugt Tiefe, Güte beim Verschenken erzeugt Liebe, Güte in den Worten erzeugt Wahrheit.«
»Wenn Güte als gut gelten will, wird sie zu Ungutem.« [Also nicht »Tue Gutes und sorge dafür, dass man davon spricht.«]
»Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.«
»Wer andere besiegt, hat Kraft. Wer sich selber besiegt, ist stark.«
»Ton knetend formt man Gefäße. Doch erst ihr Hohlraum, das Nichts, ermöglicht die Füllung. [...] Das Sichtbare, das Seiende, gibt dem Werk die Form. Das Unsichtbare, das Nichts, gibt ihm Wesen und Sinn.«
»Ich habe drei Schätze, die ich hüte und hege. Der eine ist die Liebe, der zweite ist die Genügsamkeit, der dritte ist die Demut.«
»Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt.«
»Die Wiederkehr ist der Weg des Sinns. Die Sanftheit ist die Wirkung des Sinns. Alle Dinge dieser Welt entstehen aus dem Sein. Das Sein entsteht aus dem Nichtsein.«
»Das Universum ist vollkommen. Es kann nicht verbessert werden.« [Das menschliche Leben ist ein Teil des Universums. Und das ist für Milliarden von Menschen verbessert worden.]
»Je mehr Verbote umso ärmer das Volk.«
»Das Weiche besiegt das Harte, das Schwache triumphiert über das Starke.«
»Wahre Worte sind nicht angenehm, angenehme Worte sind nicht wahr.« [Das stimmt natürlich nicht in jedem Fall.]
Folgende Zitate werden Lao Tse vielfach zugeschrieben, sind wahrscheinlich aber von anderen (chinesischen?) Denkern. Ich führe sie hier auf, weil sie ein Teil des Bildes sind, das viele Menschen von Lao Tse haben und weil sie sinnvolles aussagen.
»Denken ohne zu lernen ist töricht, lernen ohne zu denken ist gefährlich.«
»Nur wer sich in Genügsamkeit genügt, hat stets genug.«
»Lernen ist wie rudern gegen den Strom sobald man aufhört, treibt man zurück.«
»Besser als einer, der weiß, was recht ist, ist einer, der liebt, was recht ist, und besser als einer, der liebt, was recht ist, ist einer der Begeisterung fühlt für das, was recht ist.«
»Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant.«
»Wissen um sein Nichtwissen ist Größe.«