Biologismus


Biologismus

Ein in der Regel negativ beladener Begriff, mit dem vor allem linke Aktivisten und Theoretiker (oft aber auch  idealistisch und/oder religiös orientierte Menschen) Wissenschaftler, Philosophen etc. belegen, die den Menschen vorrangig oder jedenfalls in einem beträchtlichen Maße als Naturwesen betrachten, und die in aller erster Linie oder jedenfalls in beträchtlichem Umfang die Biologie zur Erklärung des Menschen, seiner Fähigkeiten und Begabungen, seines Fühlen und Verhaltens, seiner Bedürfnisse und Ziele etc. heranziehen.

Auf der konservativen und der faschistischen Seite des politischen und wissenschaftlichen Spektrums (ich setzte faschistisch und konservativ nicht etwa gleich, es gibt dort beträchtliche Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten) wird der Mensch vorrangig oder ausschließlich als Naturwesen angesehen. Ungleichheit wird durch die natürliche Ungleichheit gerechtfertigt. Kriege, etc. werde so gerechtfertigt oder zumindest so erklärt. (Ich benutze den Begriff auch hin und wieder, z. B. bezogen auf Nietzsche.)

Auf der linken Seite des politischen und wissenschaftlichen Spektrums (auch dort gibt es beträchtliche Unterschiede z. B. zwischen demokratischen Linken und Stalinisten, aber auch Gemeinsamkeiten) sieht man die Menschen und die Ungleichheit unter ihnen – jedenfalls soweit es ihre Fähigkeiten und Begabungen, ihre Verhaltensweisen, ihre Bedürfnisse und Ziele anbetrifft – in aller erster Linie (manchmal auch ausschließlich) als Produkt der Gesellschaft in der sie leben, bzw. aufgewachsen sind, getreu dem berühmten Satz von  Marx: »Der Mensch ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.«


Meine Einstellung zur Rolle der Biologie

Wenn man sich dazu entschlossen hat ein philosophischer  Materialist zu sein – und dies ist in der Regel der Fall bei den Leuten, die den Begriff Biologismus verwenden – dann ist es eigentlich selbstverständlich, dass der Mensch, bevor er ein gesellschaftliches und ein psychisches etc. Wesen wird, Naturwesen ist. Deshalb muss auch die Biologie herangezogen werden, wenn man ein vollständiges Menschenbild haben will.

Es ist absurd anzunehmen, Einstein sei nur auf Grund seiner ganz spezifischen Sozialisation der Schöpfer der  Relativitätstheorie geworden oder Beethoven sei nur auf Grund seiner ganz spezifischen Sozialisation ein herausragender Komponist geworden. Auch weniger markante Unterschiede unter den Menschen sind nicht nur sozialisationsbedingt, obwohl auch die Sozialisation eine wichtige Rolle spielt.

Die linken Theoretiker aller Richtungen und viele andere (nur) philosophisch, (nur)psychologisch etc. denkende Menschen haben sich mehr oder weniger explizit geweigert, bei der Untersuchung und Beurteilung des Menschen auch die Biologie zu benutzen. Sie haben Theorien über den Menschen entwickelt, über seine angeblich wahren Bedürfnisse, über seine wahre Bestimmung, über die Zukunft der Gesellschaft etc., ohne die natürliche, materielle Substanz des Menschen zu untersuchen, ohne zu prüfen, was diese natürliche, materielle Substanz überhaupt möglich macht. Und das ist der letztlich entscheidende Grund dafür, dass alle diese Theorien in der Praxis gescheitert sind.


Kommentare anderer Autoren zur Rolle der Biologie

Hoimar v. Ditfurth beschäftigt sich in seinem Buch Der Geist fiel nicht vom Himmel mit der Evolution des Nervensystems und des Gehirns und kommt am Ende des 18. Kapitels zu folgender Schlussfolgerung: »Es ist unbestreitbar richtig, dass man das Wesen des Menschen biologisch nicht erfassen kann. Aber ebensowenig lässt sich bestreiten, dass eine biologische Betrachtung wie die, die ich in diesem Buch durchzuführen versuche, zur Einsicht in die Bedingungen menschlicher Existenz beiträgt. Der Versuch einer einseitig biologischen Betrachtung des Menschen würde dessen Wesen verfehlen. Aber Einseitigkeit führt in jedem und daher auch im umgekehrten Falle in die Irre: Eine einseitig anthropologisch-geisteswissenschaftliche Wesensbestimmung des Menschen ist erfahrungsgemäß immer in Gefahr, jene unserer Eigenschaften zu übersehen, die Ausdruck und Folge unserer biologischen Geschichtlichkeit sind


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