»Welche historische Bewegung, die sich vorgenommen hat, die Gesellschaft zu verändern, hat keine grauen, ja schwarze Zeiten erlebt? Wir dürfen uns nicht davor fürchten, dass wir selbst diejenigen sind, die diese Realität erläutern.« [1] Santiago Carrillo |
Dies ist eine überarbeitete und für das Internet erstellte Fassung meiner Diplom-Arbeit von 1979. Sie kann nach meiner Auffassung auch heute noch interessante Informationen bieten. Es steht hier aber auch manches, was heute nicht mehr meinen Vorstellungen entspricht. Als ich diese Arbeit schrieb, war ich noch Kommunist, wenn auch ein zunehmend kritischer Kommunist. In den Jahren 1982/83 habe ich aufgehört Kommunist zu sein. (Siehe auch die Anmerkung zum Vorwort von 1991 und die diese Arbeit betreffenden Absätze in meinen Memoiren.)
Ich will in diesem Kapitel darlegen, was Marx und Engels als unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen einer sozialistischen Revolution ansahen und wie sie sich die grundlegende Beschaffenheit einer sozialistischen Gesellschaft vorstellten. Ich mache dies aus drei Gründen:
Engels schreibt im Anti-Dühring, solange die Produktivkräfte sowenig entwickelt seien, dass die Menschen fast alle Zeit ihres Lebens zur Produktion der notwendigen Lebensmittel aufwenden müssten, solange sei eine Steigerung der Produktivkräfte, Ausdehnung des Verkehrs, Entwicklung von Staat und Recht, Begründung von Philosophie, Wissenschaft und Kunst, nur möglich, vermittels einer kleinen privilegierten Schicht, die, von der unmittelbaren Produktion befreit, sich ausschließlich der Kopfarbeit widmen könne. Jeder Fortschritt der Produktivkräfte habe zur Voraussetzung eine Ausdehnung der Arbeitsteilung und solange dies der Fall sei, würde sich die Gesellschaft notwendig in Klassen teilen. Erst auf einer sehr hohen Entwicklungsstufe der Produktivkräfte, wie sie der Kapitalismus hervorbringen würde, werde es möglich sein, einen so hohen Überschuss über das Notwendige hinaus zu produzieren, dass die Arbeitszeit aller Menschen soweit verkürzt werden könne, dass sie neben der notwendigen Produktion auch noch Zeit für die Leitung der allgemeinen Angelegenheiten und zur Beschäftigung mit Philosophie, Wissenschaft und Kunst hätten. [2]
Erst auf einer solchen Stufe werde es dann auch möglich sein, die Arbeitsteilung, insbesondere zwischen Kopf- und Handarbeit, zu überwinden. Ohne diese Überwindung der Arbeitsteilung sei der Kommunismus nicht realisierbar. [3]
Ein anderer als der kapitalistische Weg zur Industriegesellschaft kommt bei Marx und Engels nicht vor. Eine sozialistische Revolution ist nach ihren Vorstellungen nur dann möglich, wenn, wie Marx schreibt, »das industrielle Proletariat wenigstens eine bedeutende Stellung in der Volksmasse einnimmt« [4] und wenn es, wie Engels schreibt, eine Bourgeoisie gibt, in deren Händen sich die Produktivkräfte soweit entwickelt haben, »dass die Abschaffung der Klassenunterschiede ein wirklicher Fortschritt, dass sie von Dauer sein kann.« [5]
Nach Marx und Engels ist der Wille allein nicht ausreichend. Die ökonomischen Verhältnisse müssen den Sozialismus möglich machen.
Engels schreibt in den Grundsätzen des Kommunismus: »Die kommunistische Revolution ... wird eine in allen zivilisierten Ländern ... gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein.« [6] Durch die Entstehung des Weltmarktes seien die Völker in solch enge Verbindung gebracht, dass keines unabhängig von anderen seine innere Entwicklung gestalten könne. Der Aufbau des Sozialismus in einigen Ländern, bei Weiterexistenz des Kapitalismus in anderen hochindustrialisierten Ländern, war für Marx und Engels undenkbar.
Den unterentwickelten Völkern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und auch Russlands, trauten Marx und Engels gar keine eigenständige Rolle beim Menschheitsfortschritt zu. Diese Völker könnten nur mit Hilfe der bereits sozialistisch gewordenen hochindustriealisierten Länder zum Sozialismus gelangen. Bestenfalls könnten Aufstände der abhängigen und kolonial unterdrückten Völker zum auslösenden Punkt für die proletarische Weltrevolution werden. [7]
Durch die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise wachse das Elend der Proletarier immer stärker an. Im Kommunistischen Manifest schreiben Marx und Engels: »Der moderne Arbeiter .., statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eigenen Klasse herab.« [8] Die Bourgeoisie ist unfähig, »ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern.« [9] Diese Verelendung führt dazu, dass das Proletariat eines Tages gezwungen sein wird, den Kapitalismus zu stürzen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Es ist also nach Marx und Engels überhaupt keine Frage, ob die Arbeiter wollen, sie werden eines Tages die Revolution machen müssen!
Die Verelendungstheorie ist später, nach Marxens Tod, von Engels
eingeschränkt worden. 1891 schrieb Engels: »Die Organisation
der Arbeiter, ihr stets wachsender Widerstand wird dem Wachstum des Elends
möglicherweise einen gewissen Damm entgegensetzen. Was aber sicher
wächst, ist die Unsicherheit der Existenz.« [10] (Engels scheint aber
nicht bemerkt zu haben, dass hiermit auch der Zwang zur Revolution
wegfällt.)
Der Staat entstand der marxistischen Theorie nach aus dem Bedürfnis, Klassenkämpfe zu unterdrücken oder zumindest in geordnete Bahnen zu lenken. Er sei in der Regel das Instrument der ökonomisch herrschenden Klasse gewesen, die vermittels seiner auch politisch herrschende Klasse wurde. [13]
Der »proletarische Staat« sollte nur die Aufgabe haben, nach der Revolution die Überreste der Bourgeoisie zu unterdrücken. In dem Maße, wie sich die neue Gesellschaft entwickele, würde er schrittweise absterben, wie Engels im Anti-Dühring schreibt: »Das Eingreifen einer Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem anderen überflüssig und schläft dann von selbst ein.« [14]
Um zu erfahren, wie die öffentliche Gewalt in der nachrevolutionären Gesellschaft nach Marx und Engels aussehen sollte, können wir neben dem Anti-Dühring und der Kritik am Gothaer Programmentwurf auf Marxens Schrift über die Pariser Kommune Der Bürgerkrieg in Frankreich und der von Engels verfassten Einleitung zu dieser Schrift aus dem Jahre 1891 zurückgreifen.
Marx sah in der Kommune die »endlich entdeckte politische Form unter der die ökonomische Befreiung der Arbeit sich vollziehen konnte.« [15] Vor dem Generalrat der Internationale vertraten Marx und Engels die Ansicht, »Die Prinzipien der Kommune seien ewig und könnten nicht zerstört werden; sie werden sich immer wieder und wieder durchsetzen, bis die Arbeiterklasse befreit ist.« [16] Die Kommune hatte für Marx und Engels (und auch für Lenin, siehe 5. Kapitel) Modellcharakter. Dies will man im realen Sozialismus heute aus verständlichen Gründen nicht mehr wahrhaben.
An die Stelle der bisherigen Beamten im kapitalistischen Staatsapparat sollten in der Kommune auf allen Gebieten und Ebenen der öffentlichen Verwaltung, Polizei, Justiz, Bildung, Wissenschaft, Kultur, Volksvertretungen u. ä. die, durch eine Vielzahl von allgemeinen und geheimen Wahlen gewählten, effektiv kontrollierbaren und jederzeit absetzbaren Delegierten treten. Diese Delegierten sollten aus ihrer Stellung keinerlei Privilegien ziehen. Engels weist darauf hin, dass die Staatsorgane immer ihre Sonderinteressen zur Geltung gebracht hätten, und deshalb sich die Arbeiter gegen ihre eigenen Beamten sichern müssten. Dazu benutzten sie »zwei unfehlbare Mittel. Erstens besetzten sie alle Stellen, verwaltende, richtende, lehrende durch Wahl nach allgemeinen Stimmrecht der Beteiligten und zwar auf jederzeitigen Widerruf durch die selben Beteiligten. Und zweitens zahlten sie für alle Dienste, hohe wie niedrige, nur den Lohn den andere Arbeiter empfingen ... Damit war der Stellenjägerei und dem Strebertum ein sicherer Riegel vorgeschoben.« [17]
Es sollte keine neue, nun Delegiertenhierarchie entstehen. Nichts konnte »dem Geist der Kommune fremder sein, als das allgemeine Stimmrecht durch hierarchische Investitur zu ersetzen.« [18]
An die Stelle der Armee sollte die allgemeine Volksbewaffnung treten [19] und die zentralisierte Polizei sollte durch eine den Kommunen unterstellte Polizei abgelöst werden. [20]
Hätte die Kommune länger existiert und sich auf ganz Frankreich ausgedehnt, dann hätte sich die Bevölkerung in selbstverwaltete Kommunen organisiert, die sich auf freiwilliger Basis zu einer Nation vereinigt hätten. Mehrere solcher Nationen würden sich dann in Förderationen vereinigen. Die Funktionen der Zentralregierungen würden auf das Bedeutenste beschränkt und an kommunale, streng verantwortliche Beamte übertragen. [21]
Vom Absolutheitsanspruch einer Ideologie, von der Herrschaft einer Partei, geschweige denn eines Parteiapparates, ist nirgends die Rede.
Ein solches System ist, wie Marx schrieb: »... die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft als ihre eigene lebendige Macht ... das ist die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Volksmassen selbst.« [22]
Die Produktionsmittel sollten weder dem Staat noch den einzelnen Arbeitern gehören, sondern der ganzen Gesellschaft. [23] Im Konzept der pariser Kommunarden sollte, ähnlich wie die Kommunen die Grundlage der Gesellschaft, die von Arbeiterräten geleiteten Produktivgenossenschaften die Grundlage der Produktion sein. Diese Genossenschaften würden sich zu einem großen Verband vereinigen und die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln. Eine staatliche Planungsbürokratie war nicht vorgesehen. [24]
Durch die Vergesellschaftung verlören die Produktionsmittel sofort ihre Wertform, reduzierten sich auf Gebrauchswerte. Dadurch würden Warenproduktion, Lohnarbeit und Geld fortfallen. [25] Solange das Leistungsprinzip noch gelten würde, bekämen die Arbeiter einen Schein, aus dem hervorgeht, wieviel Arbeit sie geleistet haben und welcher Anteil am Konsumgüterfond ihnen daher zusteht. Aber dies sei kein Geld mehr. [26]
Und das Leistungsprinzip sollte nicht so aussehen, dass diejenigen mit einer hohen Qualifikation mehr verdienen als die mit einer niedrigeren Qualifikation. Wie Engels im Anti-Dühring schreibt, trüge im Sozialismus die Allgemeinheit die Ausbildungskosten und darum hätte der Einzelne auf Grund höherer Qualifikation keinen Mehranspruch. Das Leistungsprinzip sollte so wirken, dass, wenn Arbeiter der gleichen Qualifikationsstufe unterschiedlich fleißig oder geschickt sind, sie unterschiedlich belohnt werden. [27]
Das Leistungsprinzip sollte solange gelten, bis die Produktivkräfte und das Bewusstsein der Menschen so weit entwickelt seien, dass die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben könnte: »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.« [28]
Ohne den folgenden Kapiteln vorzugreifen, können wir schon hier festhalten, dass erstens die zu Beginn des Kapitels aufgezählten Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution in Russland nicht vorhanden waren, und dass zweitens die gesellschaftlichen Verhältnisse im realen Sozialismus, die ökonomischen wie die politischen, den Sozialismusauffassungen von Marx und Engels total widersprechen.
Marx schrieb 1859 im Vorwort Zur Kritik der politischen Ökonomie: »In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformationen bezeichnet werden.« [3] Engels schreibt im Anti-Dühring über die der Sklaverei vorhergehenden ökonomischen Verhältnisse: »Die alten Gemeinwesen, wo sie fortbestanden, bilden seit Jahrtausenden die Grundlage der rohesten Staatsform, der orientalischen Despotie, von Indien bis Russland.« [4] Engels scheint diese orientalischen Despotien aber nicht als selbständige ökonomische Formation oder als Klassengesellschaft zu betrachten, sondern als Endphase der Urgesellschaft.
Nach Bahro ist die asiatische Produktionsweise eigentlich »keine fertige Formation, sondern das Verbindungsglied zwischen der patriarchalischen Endphase der Urgesellschaft und den Klassengesellschaften Asiens.« [5] Und er schreibt weiter, dass Marx, nachdem er die asiatische Produktionsweise in den Grundrissen untersucht hatte, er diese später nicht mehr als Klassengesellschaft betrachtet habe, weil sich in ihr das Gemeineigentum an Produktionsmitteln nicht in Privateigentum verwandelt hat. Dies würde dann auch die Äußerung von Engels erklären.
Unabhängig davon, ob man die asiatische Produktionsweise als Klassengesellschaft bezeichnen will oder nicht, kann man folgendes festhalten: Es hat lange vor der Existenz der großen Sklavenhaltergesellschaften, Systeme mit großer sozialer Differenzierung gegeben.
Die Analyse der asiatischen Produktionsweise hat heute an Bedeutung zugenommen und zwar aus zwei Gründen. Erstens haben Revolutionen mit sozialistischem Anspruch bisher fast nur in Ländern gesiegt, die sich auf einer mehr oder weniger modifizierten oder sich im Verfall befindlichen Form der asiatischen Produktionsweise befanden. Zweitens gibt es zwischen der asiatischen Produktionsweise und dem realen Sozialismus eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Die Analyse der asiatischen Produktionsweise schärft den Blick für die Analyse des realen Sozialismus.
Die Kennzeichen einer originären asiatische Produktionsweise sind:
In den Grundrissen schreibt Marx, dass »in den meisten asiatischen Grundformen, die zusammenfassende Einheit, die über alle diese kleinen Gemeinwesen steht, als der höhere Eigentümer, als der einzige Eigentümer erscheint« und »der Einzelne dann in fact eigentumslos ist.« [7] Auch im 3. Band des Kapitals steht über Asien: »Der Staat ist hier der oberste Grundherr.« [8]
Wir sehen an diesem Beispiel, dass die Produktionsmittel pro forma Gemeineigentum sein können, letztlich aber doch dem Staat gehören und die staatlichen Funktionäre darüber verfügen.
2. Im ersten Band des Kapitals beschreibt Marx die autarke Dorfgemeinde am Beispiel der indischen Gemeinwesen. »Sie bilden sich selbstgenügende Produktionsganze ... Die Hauptmasse der Produkte wird für den unmittelbaren Selbstbedarf der Gemeinde produziert nicht als Ware.« [9] Der überwiegende Teil der Mitglieder der Gemeinde arbeitet in der Landwirtschaft und webt und spinnt für den Eigenbedarf. Daneben gibt es einen Bürgermeister, einen Polizisten, einen Lehrer, einen Schmied und andere Handwerker u. ä. Durch geplante Arbeitsteilung wird eine fast vollständige Autarkie erreicht und dadurch eine fast naturgegebene Isolation erzeugt. Engels schreibt in seinem Artikel Soziales aus Russland: »Eine solche vollständige Isolierung der einzelnen Gemeinden voneinander, die im ganzen Lande zwar gleiche, aber das gerade Gegenteil von gemeinsamen Interessen schafft, ist die naturwüchsige Grundlage für den asiatischen Despotismus; und von Indien bis Russland hat diese Gesellschaftsform, wo sie vorherrschte, ihn stets produziert.« [10] Die Autarkie der Dorfgemeinden hat in den typisch asiatischen Produktionsweisen aber ihre Grenzen in den überregionalen Produktionsvorbereitungen.
3. Asiatische Produktionsweisen entstanden vorwiegend dort, wo die Menschen aus geographischen Gründen zur »großen Kooperation« gezwungen waren, in Gebieten wo Bewässerungskanäle oder Dämme gebaut werden mussten, wie z. B. in Ägypten und Indien. Mit Kanal- und Dammbau konnten einzelne Familien oder Stämme nicht fertig werden. Dies machte die periodische Zusammenfassung von mehreren Gemeinwesen erforderlich, die dann unter einer zentralen Führung diese Arbeiten bewältigten.
Engels schreibt in einem Brief an Marx über die Frage warum sich in Asien kein Privateigentum herausbilden konnte: »Ich glaube, es liegt hauptsächlich am Klima, verbunden mit den Bodenverhältnissen ... Die künstliche Bewässerung ist hier erste Bedingung, und diese ist Sache entweder der Kommunen, Provinzen oder der Zentralregierung.« [11]
Die gemeinsame Arbeit musste organisiert werden. Es mussten Vorräte angelegt werden, es musste Wissenschaft über den Fluss, über Kanalbau und Landwirtschaft betrieben werden. Die Menschen mussten, da sie von Natur aus nicht fleißig sind, angetrieben werden. [12] Diese Leitungsarbeit, letztlich die Kopfarbeit, wurde von der sich herausbildenden Priester- und Beamtenkaste verrichtet. Durch die Lebensnotwendigkeit dieser Arbeiten bekamen sie große Machtmittel in die Hände. Diese Macht wurde dann zusätzlich religiös untermauert.
Es gab eine sehr enge Verflechtung von Wirtschaft und Politik. Marx schreibt in seinem Artikel Die britische Herrschaft in Indien: »Hier hängen die Ernten ebenso von guten und schlechten Regierungen ab, wie sie in Europa mit guten und schlechten Jahreszeiten wechseln.« [13] (Das kommt einem doch ziemlich bekannt vor!)
Die Priester und Beamten verfügten über die Produktionsmittel, über die Arbeitskräfte und das gesamte Mehrprodukt. Die Arbeit der Bauern war in der Regel stark reglementiert und religiös sanktioniert. Allgegenwärtig waren Zwangsmaßnahmen und Spionage. Dabei war es oft so, dass alle Menschen eine bestimmte soziale Grundabsicherung hatten. Der Despot war der Vater des Volkes (und Stalin Vater aller Werktätigen), er hatte väterliche Gewalt über seine Untertanen, aber ließ für gewöhnlich keines seiner Kinder verhungern. (Ausnahmen gibt es natürlich.) Oft war es auch so, dass der Aufstieg in die herrschende Klasse der Priester und Beamten prinzipiell für jeden offen war, der entsprechende Fähigkeiten hatte und sich dem jeweiligen Despoten gegenüber loyal verhielt. Dies gab diesem Herrschaftssystem zusätzliche Stabilität. Im dritten Band des Kapitals schreibt Marx: »Je mehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutensten Männer der beherrschten Klasse in sich aufzunehmen, desto solider und gefährlicher ist ihre Herrschaft.« [14]
4. Marx schreibt im ersten Band des Kapitals: »Der einfache produktive Organismus dieser selbstgenügenden Gemeinwesen, die sich beständig in der selben Form reproduzieren und, wenn zufällig zerstört, an dem selben Ort, mit dem selben Namen, wieder aufbauen, liefert den Schlüssel zu dem Geheimnis der Unveränderlichkeit asiatischer Gesellschaften.« [15] Städte mit Bürgertum konnten sich neben diesen autarken Dorfgemeinden nicht entwickeln, da sie keine ökonomische Grundlage hatten. So entstanden Städte nur als Garnisonsorte mit Beamtenschaft und Militär und natürlich die Hauptstadt als Sitz des Despoten. Im günstigsten Fall kam es zu Städtegründungen an Orten, wo gute Möglichkeiten für ausländischen Handel bestanden.
Dies sind die Gründe dafür, dass sich in der asiatischen Produktionsweise keine Bourgeoisie und damit kein Kapitalismus entwickeln konnte. Bahro schreibt, dass »der Feudalismus entscheidend dadurch charakterisiert (ist), dass er immanent die Bedingungen seiner revolutionären Ablösung durch den Kapitalismus erzeugt.« [16] Und gerade dies ist in der asiatischen Produktionsweise nicht der Fall. Und dies ist der entscheidende Punkt für ihre Jahrtausende lange Stagnation.
Die ersten asiatischen Produktionsweisen waren die Theokratien der
Sumerer und Ägypter. Die Despotien, einmal entstanden, verselbständigten
sich teilweise in einem Maße, dass sie Dinge anordnen konnten,
die nicht den geringsten ökonomischen Wert hatten, z. B. der Pyramidenbau
in Ägypten. Die Theokratien waren aber nicht die einzigen asiatischen
Produktionsweisen. Bei den Völkern, bei denen die »Große Kooperation«
nicht das Bewässerungswesen, sondern die gemeinsamen Eroberungskriege
und die kollektive Unterdrückung fremder Völker war, kam ein
Kriegskönig als Despot an die Spitze, z. B. bei den Mongolen. Am stabilsten
sind jedoch die asiatischen Produktionsweisen gewesen, deren Ursachen direkt
in ökonomischen Zwängen lagen.
Wir haben hier eine herrschende Klasse, die sich nicht auf dem Boden von Privateigentum an den Produktionsmitteln gebildet hat. Die Produktionsmittel sind de jure Gemeineigentum. Da aber die staatlichen Funktionäre über sie verfügen, sind sie faktisch Staatseigentum.
Die herrschende Klasse der Priester und Beamten, sprich der Ideologen und der zivilen und militärischen Bürokraten, ist pyramidenförmig aufgebaut und an der Spitze steht der Despot. Bahro schreibt: »Der Despot (ist) ja nur die repräsentative und administrative Spitze einer herrschenden Klasse, die über die Kirchen- und Staatsbürokratie abwärts bis zu den Steuereintreibern und Dorfältesten sowie zu den Vorstehern der staatsobligatorischen Kaufleute- und Handwerker-Kooperationen reicht. Es handelt sich um eine als ideologischer und administrativer Staatsapparat organisierte herrschende Klasse.« [17]
Die unteren Teile dieser Staatshierarchie sind oft noch von der Bevölkerung gewählt und besitzen auch nur bescheidene Privilegien. Der Aufstieg in die herrschende Klasse ist leichter, als in Klassengesellschaften, die auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln gegründet sind.
Der Staat hat eine wichtige Aufgabe im Wirtschaftsprozess. Seine Beamten sind Planer und Leiter des Produktionsprozesses. Sie leisten die Kopfarbeit, verfügen über die Produktionsmittel, über die Arbeitskräfte und über das ganze Mehrprodukt. Sie eignen sich auch einen Teil des Mehrprodukts für persönliche Privilegien an. Sie sind also Ausbeuter. Die Privilegien, die sie besitzen, sind aber an ihre Funktion gebunden, vererbbar sind sie oft nicht.
Die Ausbeutung der Hand- durch die Kopfarbeit ist die älteste Ausbeutungsweise. Sie existierte lange vor der Entstehung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und sie dauert auch nach der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln an.
Bahro weist darauf hin, »dass Marx die Herrschaft der Kopfarbeit über die Handarbeit zwar stets als wesentliches Moment der Klassengesellschaft betrachtete, aber in der Kontroverse mit Bakunin die Möglichkeit, dass ihr eine selbständige Bedeutung zukommen könnte, zumindestens für die Epoche jenseits des Kapitalismus abwies.« [18] Hier hat die geschichtliche Entwicklung Marx widerlegt.
Die Ursache für die Ähnlichkeiten zwischen der asiatischen Produktionsweise und dem realen Sozialismus liegen nach Bahro weniger darin, dass die meisten realsozialistischen Länder vor ihrer Umgestaltung auf dem Boden einer mehr oder weniger modifizierten Form der asiatischen Produktionsweise standen (dies komme nur verstärkend hinzu), sondern darin, dass es auf grund ähnlicher ökonomischer Probleme in den Übergangsgesellschaften zwischen Kommunismus und entwickelter Klassengesellschaft zu ähnlichen Herrschaftsformen kommt. »Das einstmals ›vorwärts‹ und nun ›rückwärts‹ zu durchschreitende Übergangsstadium zwischen Kommunismus und entwickelter Klassengesellschaft ist beide male gekennzeichnet durch eine spezifische, unmittelbar aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kooperation erwachsene Funktion des Staates. Verstaatlichte, nicht mehr gemeinschaftliche bzw. noch nicht vergesellschaftlichte Produktivkräfte machen das charakteristische dieser beiden Epochen aus.« [19]
Nach Bahros These werden also alle Völker, unabhängig vom Entwicklungsstand ihrer Produktivkräfte und ihrer sonstigen demokratischen und kulturellen Traditionen eine Phase durchlaufen müssen, in der die Herrschaft faktisch von den Bürokraten oder Technokraten ausgeübt wird, auch die Länder Westeuropas. Aber diese Übergangsgesellschaft kann in sehr verschiedenen Variationen erscheinen. In ihr können auch die Errungenschaften der bürgerlichen Epoche aufgehoben werden. Ich werde hierauf in den Schlussbemerkungen noch genauer eingehen.
8781169: Kiewer Reich. Anfänglich ein loser Verband ostslawischer Stämme, zusammengehalten von den Kiewer Fürsten. Die Oberschicht war normanisch und nahm im 10. Jahrhundert die slawische Sprache an. Zu einer starken Zentralgewalt kam es nicht.
Ab 988 nimmt Russland das Christentum griechisch-orthodoxer Richtung an. Dadurch wird es in sehr starkem Maße von der kulturellen Entwicklung des »lateinischen« Europas abgekoppelt.
11691240: Zeit der Teilfürstentümer. Die verschiedenen Landesteile entwickeln sich unterschiedlich. Nowgorod, stark im Außenhandel engagiert, gibt sich eine demokratische Verfassung. Ansonsten überwiegen monarchistische und aristokratische Herrschaftsformen. Der Großfürst hat nur Macht in seinem eigenen Gebiet. Kirchlich blieb die Einheit des Reiches erhalten.
12401480: Mongolenherrschaft. Die Fürstentümer bleiben unter der Oberhoheit der Mongolenchane erhalten und die Fürsten treiben für sie den Tribut ein.
Mitte des 14. Jahrhunderts geht aus dem Kampf um den Großfürstentitel das bis dahin völlig bedeutungslose Moskau als Sieger hervor.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts werden westliche und südwestliche Teile Russlands durch die litauischen Großfürsten von der Mongolenherrschaft befreit. Diese Teile werden von der westeuropäischen Kultur beeinflusst. Hierdurch kommt es zur Spaltung der Russen (Ostslawen) in Ukrainer, Weißrussen und Großrussen.
14801700: Moskauer Reich. Ivan der III. befreit Russland von der Mongolenherrschaft. Er und sein Nachfolger Ivan der IV. (der Schreckliche) bauen einen starken Zentralstaat auf. Der Zar gleicht mehr einem orientalischen Despoten als einem europäischen Kaiser.
Russland, ursprünglich ein rein osteuropäisches Land, expandiert über die Jahrhunderte hinweg kontinuierlich. Im 16. und 17. Jahrhundert werden riesige aber nur dünn besiedelte Gebiete in Nordasien erworben. 1740 erreichen russische Truppen den Stillen Ozean. Im 18. und 19. Jahrhundert werden in Zentralasien und im Kaukasusgebiet Kolonien erobert, die sofort dem Russische Reich einverleibt werden.
17001917: Petersburger Reich. Peter der Große verlegt die Hauptstadt von Moskau in das von ihm gegründete St. Petersburg. Seither verstärkte Anstrengungen sich die technischen, wissenschaftlichen und z. T. auch die kulturellen Errungenschaften Europas anzueignen. Diese Versuche bleiben allerdings bis zum Untergang des zaristischen Russlands 1917 in den Anfängen stecken. Eine wirkliche tiefgreifende Europäisierung Russlands findet nicht statt.
Unter den Nachfolgern Peter des Großen gewinnt Russland eine starke militärische und politische Stellung auf dem europäischen Kontinent, u. a. im Zusammenhang mit den Napoleonischen Kriegen (Befreier Europas) und im Zusammenhang der Niederschlagung von nationalen und sozialen Aufständen (Gendarm Europas). Mit der Niederlage im Krimkrieg gegen die Westmächte (1853/5456) beginnt der Abstieg Russlands.
1762: Der Adel wird vom Dienstzwang befreit, die Bauern werden Leibeigene.
Seit 1830 Auseinandersetzung zwischen Slawophilen und Westlern.
18551881: Alexander der II. Innenpolitische Reformen. U. a. 1861 die »Bauernbefreiung«. Geringe Zuteilung von Land an die Bauern gegen Abzahlung.
18811894: Alexander III. Nach der Ermordung seines Vaters durch die Narodniki (Anarchisten) kehrt der neue Zar zur staatlichen Repressionspolitik zurück.
Ab 1890: Beschleunigte Industrialisierung. Vorwiegend mit englischen und französischem Kapital.
18941917: Nikolaus II. Der letzte Zar kann den Niedergang Russlands nicht aufhalten. Ungelöste Konflikte zwischen Industrialisierung und halbherziger landwirtschaftlicher Reformen. Versuche der reaktionären Zurückdrängung von demokratischen Errungenschaften z. B. im Zusammenhang mit der Revolution von 1905. Die militärischen Niederlagen und die Verschlechterung der Lebensbedingungen im Verlaufe des 1. Weltkrieges versetzen dem zaristischen Russland den Todesstoß.
Februar/März 1917: Februarrevolution. Der Zar wird gestürzt.
Die im vorigen Kapitel beschriebene asiatische Produktionsweise hat im zaristischen Russland, trotz wesentlicher Modifikationen, lange Zeit geherrscht. Weder die Reformen westlich orientierter Zaren oder Zarinnen, noch die im 19. Jahrhundert begonnene Industriealisierung hat das Wesen der russischen Gesellschaft entscheidend geändert.
Auf den halbasiatischen Charakter des zaristischen Russlands weisen besonders Bahro [1] und Dutschke [2] hin, die allerdings trotz dieser gemeinsamen Ausgangsbasis bei der Beurteilung der sowjetischen Geschichte zu ganz unterschiedlichen Auffassungen gelangen, wie im 6. Kapitel noch genauer erläutert wird.
Zur Beurteilung des Russlandbildes von Marx ist eine Artikelserie aus den Jahren 1856/57 interessant, die unter dem Titel Revelation of the diplomatic history of the 18th century erschienen ist. Diese Schrift ist im realen Sozialismus bis zum heutigen Tage unterschlagen worden, und der Grund ist wohl der, dass es sich hier um eine völlig andere Interpretation der russischen Geschichte handelt, als die der heutigen sowjetischen Geschichtsschreibung. [3] Diese Schrift ist in der Bundesrepublik unter dem Titel Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts erschienen. [4] (In DKP-Kreisen nennt man sie »eine Piratenschrift von Marx«. Ihre Richtigkeit kann zwar nicht bestritten werden, aber nur die Zentralkomitees der KPdSU und der SED haben als Stellvertreter Marxens, Engels' und Lenins auf Erden das Recht, deren Schriften zu veröffentlichen.)
Von einer feudalistischen Gesellschaft kann in Russland bestenfalls in der Zeit der Kiewer Russ und der Teilfürstentümer gesprochen werden, also in der Zeit vom 9. bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts. Mit der Eroberung durch die mongolischen Tataren verschwand dieses »normannische Russland ganz vom Schauplatz.« [5] Die erobernden Tataren zwangen Russland die asiatische Produktionsweise auf. [6] Durch Metzeleien entvölkerten sie riesige Landstriche und schufen dadurch eine noch größere Isolation der Dorfgemeinden voneinander, als das durch die Weite des Landes ohnehin schon der Fall war. Die russischen Fürstentümer wurden nicht zerstört, sondern tributpflichtig gemacht. Dies entsprach der asiatischen Ausbeutungsweise. Die russischen Fürsten wurden an der Eintreibung der Steuern beteiligt, wurden also faktisch Diener oder Beamter des Mongolenchans.
Die Tataren waren bemüht, die russischen Fürsten in ständiger Zwietracht zu halten und hatten deshalb die Großfürstenwürde wieder hergestellt. Der Kampf um diese Großfürstenwürde war nach Marxens Auffassung ein ehrloser Streit unter Sklaven, der mit Mord und Verleumdung geführt wurde, und indem sich schließlich die moskauer Linie durchsetzte. [7] »Ivan der I. Kalita und Ivan der III. genannt der Große verkörpern das durch die tatarische Herrschaft emporgekommene Moskau ...« [8]
Ivan der III. (14621505) ist nach Marx der Begründer der moskowitischen Selbstherrschaft. Entgegen der heutigen sowjetischen Geschichtsschreibung war nach Marx die Befreiung vom Tatarenjoch nicht das Ergebnis eines Befreiungskrieges, sondern Ivan war mehr der Arzt, der das Ende des tatarischen Ungeheuers vorhersagt, als der Krieger, der den Todesstreich führt. [9] Die Tataren waren bei der Thronbesteigung Ivans schon geschwächt, von inneren Fehden zerrissen. Ivan »brach nicht das Joch, sondern befreite sich verstohlender Weise davon.« [10] Mehr durch List und Tücke als durch offenen Kampf. Marx hat nicht die beste Meinung von Ivan den III., bezeichnet ihn als ehrlosen Deserteur, Schwindler, der vor den Abgesandten des Chans im Staube kriecht und gleichzeitig mit Lug und Trug die Tributzahlungen umgeht. Ivan dem I. bescheinigt Marx »die Vereinigung der Charaktere eines Henkers, Speichelleckers und obersten Sklaven des Tataren.« [11]
In der sowjetischen Geschichtsschreibung ist man bemüht, diesen beiden den Anstrich von nationalen Helden zu geben.
Nachdem Ivan der III. das tatarische Joch losgeworden war, wandte er sich mit Hilfe der russischen Fürstentümer gegen die russischen Republiken, dann mit Hilfe der Bojaren gegen die Fürsten und dann mit Hilfe der Gefolgschaften der Bojaren gegen die Bojaren. Zum Schluss ließ er noch einen eigenen Bruder ermorden, der sich nicht unterwarf. So hatte es Ivan der III. am Ende seines Lebens geschafft, sich selbst zum allein herrschenden Despoten aufzuschwingen. Das russische Volk wurde nicht von der Despotie befreit, nur der Despot wechselte.
Eine weitere und abschließende Etappe der Durchsetzung der despotischen Selbstherrschaft war die Zeit Ivan des IV., genannt der Schreckliche. (15301584) Unter Ivan dem IV. wurde 1550 ein zentralisiertes Gerichts- und Verwaltungswesen eingeführt, das eine Verstärkung der zentralen Organe brachte und die Steuerprivilegien der weltlichen und geistlichen Fürsten einschränkte. [12] 1556 kam das »Gesetz über die Dienstleistungen aller«, die alle Untertanen, einschließlich der Fürsten und Bojaren, zu Dienstleistungen für den Zaren verpflichteten. In der Duma, in der anfänglich nur der Hochadel vertreten war, wurden auch Dienstadlige und Beamte aufgenommen. In den 60er Jahren kam es zu den großen Bojarensäuberungen, in denen Ivan der IV. alle ihm missliebigen Fürsten und Bojaren ermorden ließ. Der Hochadel wurde ganz entscheidend dezimiert, den Überlebenden wurden die Ländereien abgenommen und Dienstadligen zugewiesen. Große Teile des Landes wurden direkt Zarenland. Der Zar behielt sich die Entscheidungen aller Staatsangelegenheiten vor.
Von dieser Zeit an gab es in Russland eine pyramidenförmig organisierte herrschende Klasse. An der Spitze der Zar als alleiniger Herrscher, unter ihm sein Dienstadel, seine Beamten und Steuereintreiber, die Dorfvorsteher der verstreuten bäuerlichen Gemeinden und die orthodoxe Staatskirche.
Seit dem 17. Jahrhundert regierten die Zaren immer mehr mit Hilfe der
Beamtenschaft. So schrieb Engels in seinem Artikel Soziales aus Russland
von einem »Heer von Beamten, das Russland überflutet und ausstiehlt
und hier einen wirklichen Stand bildet« (!) [12a]
In der sowjetischen Geschichtsschreibung ist man bemüht, die russische Gesellschaft jener Zeit als einen europäischen Feudalismus dazustellen und unterschlägt oder bagatellisiert dabei alle wichtigen Unterschiede zwischen dem zaristischen Russland und dem feudalistischen Westeuropa.
Im Feudalismus kam ein absoluter Monarch erst sehr spät an die Spitze, als die feudale Gesellschaft sich bereits im Verfall befand, das Bürgertum in den Städten erstarkte und die Waffentechnik große Fortschritte gemacht hatte, worauf die absoluten Monarchen sich stützen konnten. [13] In Russland war aber der Großfürst schon seit den Zeiten der mongolischen Herrschaft wesentlich mehr als ein »primus inter pares«, wie es bei den westeuropäischen Kaisern und Königen des Mittelalters der Fall war.
Während im Feudalismus die gängigste Ausbeutungsweise die Fronarbeit der Bauern auf dem Gut der Feudalherren war, wurden die russischen Bauern über Kopfsteuern nach typisch orientalischer Weise ausgebeutet.
Russland war aber keine typische asiatische Produktionsweise. Es hat neben diesen asiatischen Elementen auch feudalistische gegeben. So gab es doch einige bedeutende Städte mit Kaufleuten und Handwerkern. Dies ist der Grund, Russland nicht als asiatisches, sondern halbasiatisches Land zu bezeichnen. Aber im Vergleich zu Westeuropa hat sich in Russland keine Bourgeoisie von Bedeutung entwickelt. In Westeuropa entstanden viele Städte und wurden selbständiger, in Russland zerschlug die zaristische Selbstherrschaft schon seit den Zeiten Ivan des III. die selbständigen Städte. So wurden in Russland die Bedingungen für die Entstehung des Kapitalismus gesellschaftlich ausgerottet. Der Kapitalismus war in Russland von Beginn an etwas importiertes, dass sich nicht organisch aus der russischen Gesellschaft entwickelt hat.
Zur Zeit des Frühkapitalismus hatte der Staat nur die Aufgabe, die Rahmenbedingungen des Kapitalismus zu sichern, z. B. durch Schutzzölle oder militärische Eroberungen neuer Rohstoffquellen und Absatzmärkte. Dass der Staat sich aber direkt ins Wirtschaftsleben einmischt, entstand erst in der monopolistischen Phase des Kapitalismus.
In Russland hatte der Staat von Beginn an eine wesentlich stärkere ökonomische Funktion als in Westeuropa. Darauf weisen Marx und Engels hin [14] und auch in der sowjetischen Geschichtsschreibung wird dies nicht bestritten. [15] Da sich unter den sozialökonomischen Verhältnissen Russlands nur schwer und nur eine kleine Bourgeoisie bilden konnte, war hier der Staat der Initiator des technischen Fortschritts.
Da es seit der Mongolenzeit in Russland kein Bürgertum von Bedeutung mehr gab, entwickelte sich keine bürgerliche Kultur, oder nur in einem verschwindend geringen Maße, die keine gesellschaftliche Relevanz hatte. Frühbürgerliche Demokratie, selbstbewusste Kaufleute und Handwerker, die dem Adel die Selbständigkeit abtrotzten oder abkauften, Bildungsbürgertum u. ä. m . gab es so gut wie nicht.
Durch die Einführung des Christentums griechisch/ Die bürgerlich/kapitalistische Phase in der Entwicklung der Menschheit
war für Marx und Engels nicht nur ökonomisch eine Vorbedingung
für den Sozialismus. Auch die kulturellen Errungenschaften dieser
Epoche wurden als Selbstverständlichkeiten vorausgesetzt. Unter dem Zaren Peter dem Großen (16821725) wurden verstärkt
Anstrengungen unternommen, sich die technischen Errungenschaften Westeuropas
anzueignen. Russland wollte nicht zur Halbkolonie werden. Es wollte
seine Großmachtstellung behaupten und dafür musste es sich
die militärtechnischen Errungenschaften Westeuropas aneignen.
Unter Vermittlung des Staates entstanden Manufakturen und die Eisenproduktion
wurde gesteigert. Der Staat beteiligte sich auch direkt am Handel. »Der
Zar ist der erste Handelsmann Russlands.« [16] Nach Dutschke dominierte
das staatliche Handelskapital im kapitalistischen Verwertungsprozess.
Er sieht hier einen originären asiatischen Kapitalismus. [17]
In der Regierungszeit Katharinas der II. (176296) wurden weitere
Anstrengungen unternommen aus Russland einen Feudalstaat zu machen.
1762 wurden die Bauern nach europäischen Vorbild Leibeigene und die
Adligen vom Dienstzwang befreit. Sie mussten aber weiterhin für
den Zaren die Steuern eintreiben. Der Adel erlangte nur sehr langsam feudale
Qualität, ohne sich jemals völlig aus dem Despotismus herauszuarbeiten.
In den Städte nahmen die Adligen noch am ehesten europäische
Verhaltensweisen an, aber auf dem Lande blieb im wesentlichen alles beim
alten. Es bestanden auch weiterhin (bis 1917) Staatsbauern. Marx sprach
bei der Analyse russischer Verhältnisse nie von Feudalismus. [18]
Unter dem Zaren Alexander dem II. (185581) wurden 1861 die Bauern
aus der Leibeigenschaft entlassen. Aber dies führte nicht zur Durchsetzung
des Kapitalismus, sondern zu einer tiefere Orientalisierung. [19] Die Bauernbefreiung
hatte zum Ziel eine Stärkung der Autokratie des Zaren durch das Niederreißen
der Schranken, die der große Autokrat in den vielen kleinen Autokraten
der russischen Gutsbesitzer hatte. Der Staat bezahlte die Gutsbesitzer
für die Entlassung der Leibeigenen und die Überlassung eines
Teils des Bodens, und die Bauern mussten dann dies Geld an den Staat
zurückzahlen und zwar ursprünglich wesentlich mehr (300%!) als
der Staat an die Gutsbesitzer gezahlt hatte. [20] Die zaristische Regierung
holte das typisch asiatische Steuersystem von den Adligen zurück.
Auch durch diese erneute Wandlung änderte sich an der ökonomischen
Basis der Despotie nichts wesentlich. Bei der Landverteilung bekammen die
freigelassenen Bauern so wenig Land, das es nun zu einem starken Streben
der Bauern nach mehr Land kam.
Durch den vom Staat erzeugten kapitalistischen Weg wurden die Zweige
des Kapitalismus großgezogen, die ohne die Produktivität der
Landwirtschaft zu erhöhen, am besten dazu geeignet waren, diese auszubeuten,
z. B. die Eisenbahnen. [21] Der russische Bauer war nie voll von seinen
Produktionsmitteln getrennt. Eine »ursprüngliche Akkumulation« fand
so gut wie gar nicht statt. Dies wurde zu einem Hemmnis der kapitalistischen
Entwicklung.
In den wenigen Zentren der Industriealisierung gab es große Betriebe,
die durch Vermittlung des Staates zumeist mit ausländischem Kapital
(englischem und französischem) errichtet wurden. Russland verfügte
über die größten Betriebe der damaligen Zeit. [22] Der
Kapitalismus hatte in Russland von Beginn an monopolistischen Charakter.
Es gab in diesen Betrieben ein klassenbewusstes und kampfstarkes Proletariat,
das aber gemessen an der Gesamtbevölkerung nur wenige Prozente ausmachte.
Auf grund der politischen Rückständigkeit bildete sich auch der
Reformismus nicht in dem Maße aus wie in Westeuropa. [23]
Bahro kommt bei der Analyse des zaristischen Russlands zu dem
Ergebnis, dass in ihm zu Anfang unseres Jahrhunderts drei Formationen
übereinander lagen:
»Zuunterst die asiatische Zarenbürokratie samt orthodoxer Staatskirche
und Bauernschaft.
Und Bahro schreibt weiter, dass die sozial-ökonomischen Verhältnisse
zu Beginn des Weltkrieges zu Tode unterhöhlt und europäisch übertüncht
waren. Aber was musste bleiben, wenn in einer Revolution die zahlenmäßig
schwache Bourgeoisie und Intelligenz zu 90% umkommt und das kleine Proletariat
zu großen Teilen im Bürgerkrieg fällt und der Rest sozial
destruiert wird, als Klasse aufhört zu existieren? Was bleiben musste
war die bäuerliche Basis der Zarendespotie samt kleinbürgerlicher
Anlagerung in den nichtindustriellen Provinzstädten. Dazu genaueres
im 6. Kapitel. Lenin hatte die sozial-ökonomischen Verhältnisse des zaristischen
Russlands nicht voll durchschaut. Er hielt das zaristische Gesellschaftssystem
irrtümlich für einen westeuropäischen Feudalismus. Er sah
zwar viele einzelne Besonderheiten, aber nicht die entscheidende Besonderheit.
Lenin hatte nach Bahro keinen allgemeinen theoretischen Begriff von
der asiatischen Produktionsweise. [1] Wenn er den Begriff »asiatisch« benutzt,
ist dies bei ihm eine politische, keine ökonomische Kategorie. So
schreibt er: »Russland ist in sehr vielen und sehr wesentlichen Beziehungen
zweifellos ein asiatischer Staat, und dabei ein ganz besonders barbarischer,
mittelalterlicher, schändlich rückständiger asiatischer
Staat.« [2] Aber schon in seiner Schrift Die Entwicklung des Kapitalismus
in Russland [3] behauptet Lenin, der Aufstieg des kapitalistischen
Privateigentums habe sich durchgesetzt. [4]
Ein wichtiger Bestandteil des Leninismus ist die Parteitheorie. Bei
Marx und Engels ist nirgendwo die Rede von einer führenden Partei
beim Sturz des Kapitalismus und beim Aufbau des Sozialismus. Lenin schuf
unter den spezifisch russischen Verhältnissen den Parteitypus des
demokratischen Zentralismus. (Nach der Oktoberrevolution übertrug
er diesen Parteitypus dann auf die ganze Welt.) Unter den zaristischen
Verhältnissen war eine legale Klassenorganisation des Proletariats
nicht möglich. [5] Lenin forderte für die Partei unter diesen
Umständen »strengste Konspiration, strengste Auslese der Mitglieder,
Herausbildung der Berufsrevolutionäre.« [6] Dies sollte aber nicht
dazu führen, dass nun die Berufsrevolutionäre für alle
denken, sondern durch eine solche Organisation sollte es ermöglicht
werden, immer größere Gruppen am politischen Kampf zu beteiligen.
Lenins Auffassung war, dass die Arbeiterklasse aus sich heraus
nur tradeunionistisches Bewusstsein entwickeln kann. [7] Die sozialistischen
Ideen müssen von der Partei in die Massen hineingetragen werden. [8]
Die Partei muss die aktiven und bewussten Proletarier in sich
aufnehmen und dort für den revolutionären Kampf schulen. »Durch
die Erziehung der Arbeiterpartei erzieht der Marxismus die Avantgarde des
Proletariats, die fähig ist, die Macht zu ergreifen und das ganze
Volk zum Sozialismus zu führen, die neue Ordnung zu leiten und zu
organisieren, Lehrer, Leiter, Führer aller Werktätigen und Ausgebeuteten
zu sein bei der Gestaltung ihres gesellschaftlichen Lebens ohne die Bourgeoisie
und gegen die Bourgeoisie.« [9] Die Partei sollte das ganze Volk von der
zaristischen Selbstherrschaft befreien. »Gebt uns eine Organisation von
Revolutionären und wir werden Russland aus den Angeln heben.«
[10]
Dutschke folgert aus dieser Parteitheorie, dass nach Lenin zwar
abstrakt-theoretisch die Arbeiterklasse sich selbst befreien sollte, konkret-historisch
sollte dies jedoch die Partei in die Hände nehmen. [11] Und Dutschke
kritisiert, dass das Verhältnis Partei Klasse ein borniert-ideologisches
gewesen sei, und dass eine Dialektik von Partei und Massentätigkeit
als Kontrolle der Klasse über die Partei von Anfang an nicht gegeben
war. [12]
Bahro beurteilt das Verhältnis Partei Klasse ähnlich [13],
aber während Dutschke diese Parteitheorie verwirft, ist sie für
Bahro die einzig mögliche. Auf die Unterschiede zwischen Bahro und
Dutschke werde ich im 6. Kapitel genauer eingehen.
Auf grund der russischen Verhältnisse musste sich bei Lenin
eine andere Einstellung zur Rolle des Staates in der Übergangsperiode
ergeben als bei Marx. [14] Die Diktatur des Proletariats sollte nach Marx
nur den politisch-militärischen Widerstand der gestürzten Bourgeoisie
brechen. Und nach Engels ist die Diktatur des Proletariats schon kein Staat
im eigentlichen Sinne mehr. [15]
Lenin verabsolutierte die Auffassung, dass der bürgerliche
Staatsapparat zerschlagen werden muss [16], Marx und Engels hatten
dies von der konkreten Situation in dem jeweiligen Land abhängig gemacht
[17], und Lenin forderte dann den Aufbau eines neuen proletarischen Staatsapparates.
Die Werktätigen brauchen den Staat, aber der Staat muss so beschaffen
sein, dass er sofort abzusterben beginnt und zwangsläufig absterben
muss. [18] Lenin betont aber nicht, dass der proletarische Staat
nach Marx und Engels schon kein eigentlicher Staat mehr ist und verwischt
so nach Dutschke den wichtigen Unterschied zwischen einem Staat und der
Diktatur des Proletariats. [19]
Bahro vertritt den Standpunkt, dass schon in der Schrift Staat
und Revolution die realsozialistische Gesellschaft wie sie heute existiert,
in ihren wesentlichen Grundzügen konzipiert ist. [20] Es wird davon
gesprochen, dass eine neue Staatsmaschine geschaffen werden muss,
mit deren Hilfe die Revolution regiert und kommandiert. [21] »Bis die höhere
Phase des Kommunismus eingetreten sein wird, fordern die Sozialisten die
strengste Kontrolle seitens der Gesellschaft und seitens des Staates über
das Maß der Arbeit und das Maß der Konsumtion.« [22] Solange
das Leistungsprinzip noch gilt, wird nach Lenin »nicht nur das bürgerliche
Recht [23] eine gewisse Zeit fortbestehen, sondern sogar auch der bürgerliche
Staat ohne Bourgeoisie.« [24] Und Lenin spricht von »der Umwandlung aller
Bürger in Arbeiter und Angestellte eines großen Syndikats, nämlich
des ganzen Staates.« [25] Bahro stellt fest, dass dies die Fundamente
sind, auf denen die realsozialistische Gesellschaft bis heute beruht. [26]
Nach Lenin sollte dieser neue Staatsapparat aber »eine nach dem Typ
der Kommune gebildete Organisation der bewaffneten Arbeiter sein.« [27]
Gegen Verbürokratisierung des neuen Staates sollten sofort die bewährten
Maßnahmen der Pariser Kommune angewandt werden: »1. nicht nur Wählbarkeit,
sondern jederzeitige Absetzbarkeit; 2. eine den Arbeiterlohn nicht übersteigende
Bezahlung; 3. sofortiger Übergang dazu, dass alle die Funktionen
der Kontrolle und Aufsicht verrichten, dass alle eine Zeitlang zu
›Bürokraten‹ werden, so dass daher niemand zum Bürokraten
werden kann.« [28]
Die Kontrolle von unten ist auf grund der Rückständigkeit
Russlands und der Kulturlosigkeit der Massen nie richtig in Gang gekommen.
Und auch wenn man die Rückständigkeit ausklammert, mussten
die leninschen Vorstellungen des Partei- und Staatsapparats beim Aufbau
des Sozialismus zu einer Herrschaftsstruktur führen, in der wirkliche
Kontrolle von unten gar nicht mehr möglich ist.
Lenin war in einer Weise Voluntarist, gab dem Willen von einzelnen
Menschen einen Stellenwert, wie Marx und Engels das nicht getan haben.
Erstes Beispiel dafür ist, dass er in einem rückständigen
Land eine sozialistische Revolution machen wollte. Zweites Beispiel, dass
er die NÖP einführte, die die kapitalistische Produktionsweise
wieder einführen sollte, er aber gleichzeitig einen sozialistischen
Überbau erhalten wollte. Wenn Lenin ein Marxist war, dann war er jedenfalls
ein sehr eigenwilliger Marxist.
Lenin war ein Dogmatiker, ein Absolutist reinsten Wassers. Er war überzeugt
die Wahrheit zu besitzen. Daran gab es überhaupt keinen Zweifel. Offener
Meinungsstreit und Pluralismus auf ideologischen Gebiet war für Lenin
unvorstellbar. Über die Vertreter anderer Auffassungen innerhalb der
Arbeiterbewegung schrieb er: »Leute, die tatsächlich davon überzeugt
sind, dass sie die Wissenschaft vorangebracht haben, würden nicht
Freiheit für die neuen Auffassungen neben den alten fordern, sondern
eine Ersetzung der alten durch die neuen.« [29] Für Lenin gab es nur
Wissen oder Nichtwissen, Wahrheit oder Lüge. Ein »Vielleicht«, ein
»Eventuell« gab es für ihn nicht. Politisch Andersdenkende waren bestenfalls
Dummköpfe, wenn sie nicht gleich Lumpen, Kapitalistenknechte etc.
waren. Schon zwanzig Jahre vor der Oktoberrevolution redete und schrieb
Lenin über politische Gegner nur in dieser verächtlichen Weise.
Nach der Machtergreifung der Bolschewiki wurden politisch Andersdenkende
zu Kriminellen erklärt. Im Bürgerkrieg wurden sie massenweise
liquidiert. 1921 forderte Lenin im Zusammenhang mit Diskussionen über
das Strafgesetzbuch der RSFSR auf sozialdemokratische Aktivitäten
und Propaganda die Todesstrafe zu verhängen, ersatzweise die Ausweisung
ins Ausland. [30]
Lenin war ein linker Machiavelli. In seinen Methoden war er nicht zimperlich.
Nach ihm gibt es nur ein einziges Kriterium richtiges und falsches Handeln
voneinander zu unterscheiden: Nützt es dem Aufbau des Kommunismus
oder schadet es dem Aufbau des Kommunismus? »Für uns ist die Sittlichkeit
den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet.« [31] »Sittlich
ist, was der Zerstörung der alten Ausbeutergesellschaft ... dient.«
[32] Diesem Ziel wird alles untergeordnet. Eine ewige Sittlichkeit gibt
es nicht.
Wenn es außerhalb des Klassenkampfes kein Kriterium für
gut oder böse gibt, dann ist Lüge, Intrige, Verleumdung, Mord
und Massenmord eben gerechtfertigt, wenn es dem Aufbau der besseren Welt
dient. Der Zweck heiligt die Mittel. Lenin war überzeugt, dass
die schlimmen Dinge, die die Bolschewiken im Bürgerkrieg tun mussten
(?), durch die leuchtende Zukunft gerechtfertigt sind.
Wenn man über längere Zeit nach dem Motto verfährt »der
Zweck heiligt die Mittel«, dann kommt es fast zwangsläufig zu einer
Umkehrung von Zweck und Mittel. Die Mittel werden zum Selbstzweck und der
einstige Zweck wird zum Mittel der Rechtfertigung. Genauso ist es unter
Stalin und seinen Nachfolgern gekommen.
Es gibt auch die Auffassung, dass sich in den Mitteln das Ziel,
das man anstrebt, widerspiegeln muss. Das sah Lenin anders. 1898: Gründung der geheimen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Russlands.
1902: Entstehung der Bolschewistischen Partei.
1905: Erfolglose Revolution
1914: Beginn des 1. Weltkrieges.
1917 Feb./März Februarrevolution. Sturz des Zaren.
7. Nov. 1917 (Nach dem alten russischen Kalender 25. Okt.) Staatsstreichartige
Machtergreifung der Bolschewistischen Partei unter der Führung Lenins.
(Oktoberrevolution)
191821 Bürgerkrieg zwischen den »Roten« und den »Weißen« (Bolschewiki und antibolschewistische Kräfte unterschiedlicher Ausrichtung),
den die Bolschewiki für sich entscheiden. Im Verlauf des Krieges kommen
durch Kampfhandlungen, Massaker und Hungersnöte Menschen in zweistelliger
Millionenhöhe ums Leben.
1921: Neue ökonomische Politik Verbot der Fraktionsbildung innerhalb
der KP Endgültige Unterdrückung anderer politischer Gruppierungen.
1922: Stalin wird Generalsekretär der KP, ursprünglich ein
rein administrativer Posten. 30. Dez.: Gründung der Sowjetunion.
1924: Tod Lenins
192429: Aus innerparteilichen Flügelkämpfen geht Stalin
als Sieger hervor. Er setzt gegen den Widerstand Trotzkis die These vom
Aufbau des Sozialismus in einem Lande durch.
192829: Ende der NÖP. Beginn der staatlich betriebenen Industrialisierung
Zwangskollektivierung der Landwirtschaft. Diese führt zu Ernterückgängen,
die Hungersnöte mit vielen Millionen Toten zur Folge haben.
193639: Zeit der »Großen Säuberungen«. In drei großen
Schauprozessen werden ca. 90% der alten Garde der Bolschewiki abgeurteilt
und hingerichtet. Viele Millionen weniger bekannter Kommunisten werden
umgebracht oder nach Sibirien deportiert. Bis 1953, dem Todesjahr Stalins,
werden ca. 18 Millionen Menschen Opfer des stalinschen Terrors. Ca. ein
Drittel wird sofort umgebracht, ein weiteres Drittel geht an den harten
Arbeits- und Lebensbedingungen im GULAG zugrunde. (Opferzahlen nach Solschenizyn, Der Archipel Gulag. Aktuellere Zahlen mögen von diesen abweichen. In einer ZDF-Reihe über Stalin und die Sowjetunion aus dem Jahre 2003 wurden 40 Millionen Opfer des stalinschen Terrors genannt. Was nicht heißt, dass alle diese Opfer umkamen.)
1939: Hitler-Stalin-Pakt über die Aufteilung Osteuropas in deutsche
und sowjetische Interessensgebiete.
193941: In den ersten beiden Jahren des 2. Weltkrieges erobert Stalin
in Ost- und Südosteuropa Staaten und Gebiete, die er nach dem Ende
des 2. Weltkrieges nicht wieder herausgibt.
1941: Überfall der Sowjetunion durch das faschistische Deutschland.
Nach anfänglichen schweren Niederlagen und riesigen Gebietsverlusten
kann Stalin das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Die an Dummheit und Brutalität
nicht zu übertreffende Kriegführung Hitlers, seine unrealistischen
Kriegsziele, militärische Unterstützung durch die Westmächte,
nicht zuletzt aber die Weite der russischen Lande und das riesige Potential
an Menschen und Material ermöglicht Stalin den Sieg. Die Sowjetunion
verliert im 2. Weltkrieg ca. 27 Millionen Menschen. Dabei ist die Höhe
der Opfer in einem beträchtlichen Maße das Ergebnis der an Verrat
grenzenden Unfähigkeit und Menschenverachtung Stalins.
Nach Ende des 2. Weltkrieges hatte die Sowjetunion ihre Einflusssphäre
weit nach Europa hinein ausgedehnt. In den von sowjetischen Truppen besetzten
Ländern wurde zwangsweise das sowjetische System eingeführt.
Es entstand der »Kalte Krieg« zwischen dem westlichem Block unter Führung
der USA und dem östlichem Block unter Führung der Sowjetunion.
1949 explodierte die erste sowjetische Atombombe. Die Sowjetunion wurde
neben den USA zweite Weltmacht.
Die Oktoberrevolution unterschied sich von Beginn an von früheren
Revolutionen. In Paris 1871 oder in Russland im Februar 1917 hatten
sich die Massen spontan erhoben. Die Lebensverhältnisse hatten sich
drastisch verschlechtert und nun genügte ein Tropfen um das Fass
zum Überlaufen zu bringen. Aus der Flut der Ereignisse gingen in Paris
die Organe der Kommune hervor und in Russland die Sowjets. In diesen
Organen und an ihren Spitzen standen Angehörige verschiedener politischer
Gruppen und politischer Ideologien.
Der Oktoberaufstand war keine spontane Erhebung der Massen. Er war
von einer Zentrale von Berufsrevolutionären geplant und durchgeführt.
Er war faktisch die putschistische Machtergreifung einer Partei. Nur gestützt
auf eine straffe Organisation konnte er überhaupt gelingen und nur
gestützt auf diese Organisation konnte die sich bildende Regierung
überleben. Der Vorteil der Bolschewiki war, dass sie im Herbst
1917 als einzige über eine solche Organisation verfügten. Die
Macht lag auf der Straße und die Bolschewiki haben konsequent zugegriffen.
Und die Macht hatte von Beginn an nicht das Volk, nicht die Arbeiterklasse,
sondern die bolschewistische Partei. [1]
Die Bolschewiki konnten sich allerdings auf eine weitverbreitete Stimmung
unter den Massen stützen. Sie sind mit dem Willen großer Teil
des Volkes an die Macht gekommen. Anders ist es nicht erklärlich,
dass sie den Bürgerkrieg gewannen.
Die alte zaristische Regierung und die bürgerlichen, menschewistischen
und sozialrevolutionären Politiker hatten in den Monaten vor dem Aufstand,
auf grund ihrer Unfähigkeit die drängenden Probleme zu lösen,
ständig an Anhängern verloren. Die Bolschewiki gewannen die Mehrheit
in den wichtigsten Sowjets des Landes. Die Wahl zur Duma zeigte aber, dass
die Bolschewiki eine Wahl nach bürgerlich-parlamentarischen Bedingungen
selbst in den Monaten um die Oktoberrevolution herum nicht gewinnen konnten.
Um gegen die Interventen und die weißen Armeen siegen zu können,
musste die Sowjetregierung eine eigene Armee aufbauen. Schon wenige
Tage nach dem Oktoberaufstand wurde ein Angriff der Kerenski-Truppen mit
Hilfe ehemaliger zaristischer Offiziere zurückgeschlagen. Dutschke
meint, die rote Armee sei aus dem Staatsvertrauen Lenins entstanden. [2]
Dies sehe ich nicht so. Ohne eine zentralisierte Armee, nur gestützt
auf Partisanen und Milizen hätte Sowjetrussland nicht überleben
können. Dutschke ist hier zu sehr vom chinesischen und vietnamesischen
Beispiel beeinflusst. Die Situation in Russland war eine andere.
[3]
Der Bürgerkrieg wurde auf beiden Seiten mit großer Brutalität
geführt. Roter und weißen Terror ergänzten sich. Es ging
für beide Seiten um Sein oder nie wieder Sein. Die Bolschewiki hatten
das Beispiel der 30.000 ermordeten Kommunarden des Paris 1871 vor Augen.
Sie wussten, dass die herrschenden Klassen vor keinem Verbrechen
zurückschrecken, wenn es darum geht, ihre Privilegien zu verteidigen.
Aber auch die Bolschewiki waren nicht zimperlich in ihren Methoden. Über
die »Der Zweck heiligt die Mittel Politik« Lenins habe ich mich bereits
im 5. Kapitel ausgelassen.
In der Zeit des Bürgerkrieges entstanden die Institutionen, die
die Zeit überdauern sollten und später zu den entscheidenden
Stützen der stalinistischen Despotie werden sollten. [4] Neben der
roten Armee wurde die Geheimpolizei »Tscheka« gegründet. Nach Elleinstein
bekam sie mit der Zeit eine Machtfülle, die schließlich sogar
die bolschewistischen Führer beunruhigte. [5]
Das Prinzip des demokratischen Zentralismus hatte den Leitungen große
Macht in die Hände gegeben. Nicht nur die Partei, auch die staatlichen
Institutionen einschließlich Armee und Geheimpolizei wurden nach
diesem Prinzip aufgebaut.
Die Bolschewiki verstanden zu Beginn die Oktoberrevolution als ersten
Schritt, als Signal für die Weltrevolution. In den Tagen des Aufstandes
und auch noch lange Jahre danach, wäre keiner der bolschewistischen
Führer auf die Idee gekommen, dass Russland für Jahrzehnte
allein bleiben würde mit seiner Revolution oder gar, dass der
Sozialismus in einem, dazu auch noch sehr rückständigen, Land
aufgebaut werden könnte. »Selbstverständlich kann den endgültigen
Sieg nur das Proletariat der fortgeschrittenen Länder der Welt erringen,
und wir Russen beginnen das Werk, das vom englischen, französischen
und deutschen Proletariat gefestigt werden wird.« [6] Und einige Zeit später
sagte Lenin: »Solange es in anderen Ländern keine Revolution gibt,
werden wir Jahrzehnte brauchen, um uns herauszuwinden.« [7]
Russland war, wie im 4. Kapitel erläutert, ein rückständiges
Land mit wenig Industrie, wenig Bourgeoisie und Proletariat, wenig Intelligenz
und einer großen Masse von rückständigen Bauern.
Am Ende des Bürgerkrieges war auch das wenige zu großen
Teilen verschwunden. Die Industrie war nahezu völlig zerstört
[8], der Produktionsschwund in der Landwirtschaft führte 1920/21 zu
einer Hungersnot mit sieben Millionen Toten. [9] Im Lande irrten schätzungsweise
zehn Millionen Bettler und verwahrloste Kinder umher. [10] Das Bürgertum
und der Adel waren durch die Sozialisierung ihres Besitzes fast vollständig
verschwunden, im Bürgerkrieg umgekommen oder ins Ausland geflohen.
[11] Die Intelligenz, Lehrer, Ingenieure, Ärzte u. ä. war zu
90% umgekommen oder ins Ausland ausgewichen. [12]
Sowjetrussland war um 1922 ein Reich von Bauern. Die Masse dieser
Bauern bestand aus Analphabeten, die abergläubisch der orthodoxen
Kirche ergeben waren. Es fehlte an jeder demokratischen Tradition. Die
Bauern kannten nur die Despotie des Zaren. Demokratische Rechte, repräsentative
Körperschaften, Wahl der Regierung, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit
u. ä. hatte es nie gegeben.
Auch das Proletariat war verschwunden. [13] Lenin sprach davon, dass
durch den Krieg und durch die Zerrüttungen das Proletariat »deklassiert,
das heißt aus seinen Klassengeleisen geworfen ist und aufgehört
hat, als Proletariat zu existieren.« [14] Ein großer Teil des klassenbewussten
Proletariats war im Bürgerkrieg gefallen und die Überlebenden
in den Staatsapparat abgezogen worden. Was übrig blieb, waren nach
Lenin deklassierte Elemente.
Als sich Anfang der 20er Jahre die Arbeiter, also diese deklassierten
Elemente, die übrig geblieben waren, von der bolschewistischen Partei
abwandten [15], standen die Bolschewiki vor einem unerwarteten Problem.
Bisher war man stillschweigend davon ausgegangen, dass das Proletariat
den Sozialismus will. Aber kann man den Sozialismus auch gegen den Willen
der Arbeiter aufbauen? Hätten zu dieser Zeit freie Wahlen stattgefunden,
es wären menschewistische und anarchistische Leute gewählt worden,
was gleichbedeutend mit dem Ende der Revolution gewesen wäre. Die
Bolschewiki ließen dies nicht zu.
So war für Lenin die Diktatur des Proletariats, zwar nicht de
jure aber de facto, Diktatur der Partei. Lenin und die Partei waren überzeugt,
die Interessen der Arbeiter besser begriffen zu haben als die Arbeiter
selbst. Von Selbstbefreiung der Arbeiter war sowieso nur pro forma die
Rede gewesen. Die leninsche Parteitheorie und die konkrete Situation Russlands
ergänzten sich und führten schon zu den Lebzeiten Lenins zur
Diktatur der bolschewistischen Partei. Lenin sprach davon, wenn der Zar
in der Lage war, das Land mit seinen 130.000 Gutsbesitzern zu regieren,
warum sollten dann 240.000 Mitglieder der bolschewistischen Partei nicht
in der Lage sein, Russland zu regieren, es im Interesse der Armen
gegen die Reichen zu regieren. [16]
Auf der Basis kultureller und ökonomischer Rückständigkeit
und umgeben von einer überlegenen feindlichen Umwelt war, soweit waren
die Bolschewiki der Anfangszeit jedenfalls noch Marxisten, der Aufbau des
Sozialismus nicht möglich. Um die materiellen Voraussetzungen für
den Sozialismus zu erreichen, wurde die »Neue Ökonomische Politik«
(NÖP) eingeführt. Die NÖP hatte nach Lenins Worten die Aufgabe,
im großen Maße »die Wiedereinführung der kapitalistischen
Produktionsweise zu fördern.« [17] Kleinere Privatbetriebe wurden
wieder zugelassen, der Warenverkehr wurde wieder frei, ausländisches
Kapital wurde unter bestimmten Bedingungen wieder zugelassen. In der Übergangszeit,
bis die materiellen Voraussetzungen des Sozialismus geschaffen waren, sollte
unter Leitung des sozialistischen Staates ein Mischsystem zwischen Staatsbetrieben
und Privatbetrieben bestehen. Der Staat sollte aber die wichtigsten Wirtschaftsbereiche
kontrollieren. [18]
Durch die NÖP kam es bald zu einem ökonomischen Aufschwung.
Die NÖP brachte aber auch Gefahren mit sich. So mancher neue und alte
Kapitalist erhoffte über sie ein friedliches Zurück zum Kapitalismus.
(Wie man bei einer kapitalistischen ökonomischen Basis einen sozialistischen
Überbau erhalten will, dass ist das Geheimnis des Voluntaristen
Lenin.)
Um die Errungenschaften der Oktoberrevolution zu sichern, kam es zu
Veränderungen auf politischem Gebiet und innerhalb der bolschewistischen
Partei. Die menschewistische und die sozialrevolutionäre Partei, die
bisher eine Art Halblegalität besaßen, wurden endgültig
unterdrückt. Die Unzufriedenheit unter den Arbeitern und Bauern, wie
wenig sich für sie im täglichen Leben geändert hat, hätte
sich in einer Stärkung dieser Parteien ausgedrückt und auch die
neu entstehende Schicht der NÖP-Leute hätte versucht, durch diese
Parteien ihre Interessen zu vertreten.
Das Verbot aller anderen Parteien zog das Fraktionsverbot innerhalb
der bolschewistischen Partei automatisch nach sich. Verschiedene Flügel
in der bolschewistischen Partei wären faktisch verschiedene Parteien
gewesen.
In der Partei organisierten sich jetzt Menschen, die sich unter anderen
Umständen anderswo organisiert hätten. Um zu verhindern, dass
die Partei von innen her von ihrer kommunistischen Ideologie abgebracht
werden könnte, wurde neben dem Fraktionsverbot noch eingeführt,
dass bestimmte Positionen in der Partei nur von Mitgliedern besetzt
werden konnten, die schon vor 1917 in der Partei waren und dies waren 1924
nur noch 1% der Mitglieder. [19]
Es wurde auch schon zu den Lebzeiten Lenins üblich, Funktionäre
der Partei, des Staates und der Wirtschaft von oben einzusetzen. Es entstand
genau die hierarchische Struktur, die Marx für unvereinbar mit der
Kommune bezeichnet hatte. [20]
Ebenfalls noch zu den Lebzeiten Lenins kam es zu den ersten großen
Säuberungen, die allerdings noch nicht in Form von Erschießungen
und Deportationen vorsichgingen. 1921 wurden ein Drittel der Mitglieder,
200.000 Leute, aus der Partei ausgeschlossen.
Diese noch zu Lenins Zeiten eingeführten Mechanismen, die die
Kommunistische Partei schützen sollten, wurden später von Stalin
dazu benutzt, die Kommunistische Partei zu zerstören. Was hier entstanden
war, war ein von der Bevölkerung, der Arbeiterklasse und auch von
der Masse der Parteimitglieder unkontrollierbarer Herrschaftsapparat. Wenn
dieser Apparat mit aufrechten Kommunisten besetzt blieb, konnte das vielleicht
gutgehen, um die Durststrecke zu überwinden, bis die materiellen Verhältnisse
oder die internationale Revolution eine Lockerung wieder zuließen.
Aber was musste bleiben, wenn man die alte Garde der Bolschewiki,
die bekannten und weniger bekannten Kommunisten der ersten Zeit, zu Hundertausenden
ermordete? Was bleiben musste, war das Gerippe einer Despotie. Nach
der Liquidierung der alten Garde wurde der Apparat besetzt mit den stupidesten,
politisch und moralisch ungebildesten Bürokraten. [21]
Von Beginn an hatten die Bolschewiki Probleme mit der Arbeitsmoral.
Sie mussten mit Hilfe der Gewerkschaften Disziplinargerichte schaffen,
die gegen Bummelantentum und Produktionsdiebstähle vorgingen. Die
Stachanowbewegung allein war nicht in der Lage, die Arbeitsmoral der Massen
zu heben. Die Methoden die Menschen zu besserer Arbeit zu zwingen, nahmen
mit der Zeit drastisch zu. Lohnabzug, Verbot den Arbeitsplatz oder Wohnort
zu wechseln, bis zu Arbeitslager bei mehrfach verspäteten Erscheinen
bei der Arbeit. Ende der 30er und Anfang der 40er Jahre war die Bewegungsfreiheit
der Arbeiter und Bauern mehr eingeschränkt als zu den Zeiten des Zarismus.
Hier ist ein Gedanke von Bahro sehr interessant. [22] Er fragt, warum
war für Marx ein anderer als der kapitalistische Weg zur Industriegesellschaft
nicht möglich?
Der Kapitalist jage nicht nach Mehrprodukt, sondern nach Mehrwert.
Während die früheren Ausbeuter sich von dem erbeuteten Mehrprodukt
ein schönes Leben gemacht hätten, sei der Kapitalist, kraft der
dem Kapitalismus innewohnenden ökonomischen Gesetzen, gezwungen, seinen
Mehrwert sofort wieder zu investieren, die Produktionsmittel so gut wie
möglich zu nutzen, seine Arbeiter so lange wie möglich arbeiten
zu lassen, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Der Arbeiter, den die ursprüngliche
Akkumulation ohne Produktionsmittel dastehen lässt, sei gezwungen,
beim Kapitalisten zu arbeiten, und zwar so, »dass er soviel Mehrwert
schafft, wie der jeweils durchgesetzte Normalarbeitstag bei gegebener Produktivität
ermöglicht.« [23]
Der Kapitalismus schaffe also einerseits eine ungeheuerliche Dynamik
der Produktivkraftentwicklung und, da der Mensch von Natur aus nicht fleißig
sei, sondern nur soviel tue, wie er zur Erhaltung seines gewohnten Lebens
bräuchte, schüfe auf der anderen Seiten erst der Kapitalismus,
durch seinen Zwang zur grenzenlosen Mehrarbeit, den Produzententyp, der
eine Industriegesellschaft und damit einen Kommunismus des Reichtums überhaupt
erst möglich mache.
Wenn ein Land die kapitalistische Phase nicht durchlaufen hat, müssten
die Menschen durch außerökonomischen Zwang dazu gebracht werden,
fleißige, disziplinierte Arbeiter zu werden. Hierzu sei eine Despotie
unumgänglich notwendig.
Bahro betont an anderer Stelle, dass der Prozess der Industriealisierung
nicht unter allen Umständen antagonistischen Charakter haben müsse.
»Aber wenn ihr Tempo eine Frage des Überlebens in der überlegenen
imperialistischen Umwelt ist ... gibt es wohl kaum auch nur die Chance,
dem zu entgehen.« [24] Nach Bahro war die stalinistische Despotie unumgänglich
nötig zur Erziehung des neuen Produzententyps. (Das Sowjetsystem hat
in den siebzig Jahren seiner Existenz diesen Produzententyp nicht hervorgebracht!)
Um die Industriealisierung voranzutreiben, benötigten die Bolschewiki
das landwirtschaftliche Mehrprodukt. Zuerst versuchten sie durch Erhöhung
der Preise für Industriegüter das landwirtschaftliche Mehrprodukt
abzuschöpfen. Als die Kulaken aus Protest dazu übergingen, das
Getreide für die Versorgung der Städte zurückzuhalten, trieb
die Partei die Kollektivierung der Landwirtschaft voran.
Die Kollektivierung der Landwirtschaft war ursprünglich geplant
als ein sehr langwieriger Prozess, in dem die Bauern durch Überzeugungsarbeit
für den freiwilligen Zusammenschluss gewonnen werden sollten.
Doch nun überwiegten die repressiven Methoden bei weitem die Überzeugungsarbeit.
Nicht nur die Kulaken, sondern auch die mittleren Bauern widersetzten sich
der Kollektivierung.« Der mit Agrarfragen beauftragte Parteiverantwortliche
Bauman musste gestehen, »dass der Seredniak (mittlere Bauer) sich
auf die Seite der Kulaken und gegen uns gestellt hatte.« [25] Der nun einsetzende
Terror gegen die Bauernschaft sollte bald auf die Partei selbst umschlagen.
[26]
Mit dem Einsetzen der Zwangskollektivierung war die Zeit der NÖP
beendet. Bahro kommt zu der Auffassung, dass ohne die Kollektivierung
Russland heute ein Bauernland wäre, höchstwahrscheinlich
auf kapitalistischem Weg. [27] Inzwischen weiß man, dass auch
ein ausreichendes Angebot an Landmaschinen die Bauern nicht automatisch
zur Hinnahme der Kollektivierung bewegt. [28]
Welchen Einfluss haben einzelne Personen auf den Ablauf der Geschichte
genommen? Wäre es ohne Lenin zur bolschewistischen Partei oder zur
Oktoberrevolution gekommen? Bei der Lektüre von Isaak Deutscher erkennt
man, dass nur durch Lenin, nur durch seine Überzeugungskraft,
die Trennung von den Menschewiki vollzogen wurde, [29] und dies war die
Voraussetzung für die Schaffung der Partei, die später zur entscheidenden
Kraft der Umgestaltung werden sollte. Nur durch Lenins Überzeugungskraft
konnte im Herbst 1917 die Mehrheit der bolschewistischen Partei für
den Aufstand gewonnen werden. [30] Den Aufstand propagieren, Menschenmassen
dafür begeistern und letztlich den Aufstand organisieren, das konnte
Trotzki auch, aber Lenin schuf die Partei, die den Aufstand erst zu einem
Erfolg werden ließ.
Die gesellschaftliche Entwicklung wird in groben Zügen von den
ökonomischen Zwänge bestimmt. Die konkrete Ausgestaltung kann
aber von hervorragenden Persönlichkeiten stark variiert werden. Eine
hervorragende Persönlichkeit kann Geschichte machen, wenn ihr Streben
und ihre Handlungen in Übereinstimmung mit den ökonomischen Erfordernissen
steht. Ohne diese Persönlichkeit würden sich die ökonomischen
Zwänge wahrscheinlich zu einer anderen Zeit, auf eine andere Art durchsetzen. [Das hätte ich schon ein paar Jahre später so nicht mehr geschrieben!]
So würde ich sagen, dass Russland auf grund seiner halbasiatischen
Struktur den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg einschlagen musste.
Auch die im 3. Kapitel angesprochene Übergangsgesellschaft, in der
die Macht faktisch von den Bürokraten und Technokraten ausgeht, musste
Russland durchlaufen. Die konkrete Form aber, die Oktoberrevolution,
die daraus resultierende internationale Isolierung, die Parteiherrschaft
usw,. dass alles ist von der Person Lenin und seiner Theorie stark,
vielleicht sogar entscheidend beeinflusst.
Stalins Bedeutung für die Entwicklung in den 20er und 30er Jahren
würde ich nicht so hoch einschätzen. Für einige Auswüchse
können wohl die negativen Charaktereigenschaften Stalins verantwortlich
gemacht werden, aber die allgemeine Entwicklung, die seinen Namen trägt,
wäre auch ohne ihn so abgelaufen. Wenn sich in den entscheidenden
Jahren 1923/24 Trotzki gegen Stalin durchgesetzt hätte, und die Möglichkeit
war vorhanden [31], dann hätte sich auch nichts prinzipiell anderes
entwickelt. Trotzki hatte sowieso durch seine Vorschläge zur Militarisierung
der Arbeit und zur Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in den frühen
20er Jahren das spätere System schon vorweggenommen. [32] Trotzki
wollte bloß nicht die unvermeidlichen negativen Begleiterscheinungen
der »ursprünglichen sozialistischen Akkumulation«. Dies war auch letztlich
der Grund dafür, dass sich Trotzki, der nach Lenins Worten der
fähigste Mann des Zentralkomitees war [33], nicht gegen den mittelmäßigen
Stalin durchsetzen konnte.
Die Bolschewiki hatten objektiv eine andere Aufgabe zu erfüllen,
als die, zu der sie sich berufen glaubten. Ihre Aufgabe war nicht der Sozialismus,
sondern die schnelle Industriealisierung Russlands auf einem nichtkapitalistischen
Weg. Bis zu einem bestimmten Punkt, bis zur Zerschlagung der alten Ordnung,
also bis zum Ende des Bürgerkriegs, stimmten die Intentionen der Bolschewiki
mit ihrer objektiven Aufgabe überein.
Als diese Intentionen mit den objektiven Aufgaben in Konflikt gerieten,
war genau der Moment, als Lenin sich aus Gesundheitsgründen aus dem
politischen Leben zurückziehen musste. Ein länger lebender
Lenin hätte, wenn er sich der neuen Situation angepasst hätte,
vielleicht die übelsten Exzesse der Stalinzeit vermeiden können,
was ja auch schon eine Menge gewesen wäre. Vielleicht hätte er
aber auch nur die ganze Entwicklung aufgehalten. Mao hat meiner Ansicht
nach in China durch seine Volkskommunen und Kulturrevolution den Prozess
der Industriealisierung aufgehalten, der nun nach seinem Tode und der Entmachtung
der »Viererbande« verstärkt einsetzen wird. In ihrem grundsätzlichen
Verlauf hätte auch Lenin die Entwicklung nicht ändern können.
Nach Lenins Tod fehlte die Autorität, die bisher immer die widerstreitenden
Parteiflügel geeint hatte. Stalin, der seit 1922 Generalsekretär
der Partei war ursprünglich eine administrative, keine politische
Funktion , hatte durch geschicktes Einsetzen seiner Leute in wichtige Funktionen,
eine Macht gewonnen, die selbst Lenin in seinem Testament als beunruhigend
bezeichnet hatte. [34] Aus allen innerparteilichen Kämpfen ging er
als der wirkliche Sieger hervor. Mit jeder ausgeschalteten Person oder
Gruppe stieg seine Macht. Nach Bahro waren die innerparteilichen Kämpfe
nur die Geburtswehen der Despotie. [35]
Trotzki, Sinowjew, Bucharin und viele andere Bolschewiken hatten in
sich einen anderen Staat vorweggenommen, als den, der das Resultat ihres
Wirkens war. Sie hatten nicht erfasst, an was sie beteiligt waren.
Sie hatten für die proletarische Revolution gelebt und erkannten nicht,
dass auf grund der Rückständigkeit und der internationalen
Lage der Aufbau des Sozialismus gar nicht möglich war.
Stalin setzte sich durch, nicht etwa weil er der geschickteste oder
intelligenteste war, sondern weil er zu dem neuen Staat passte, der
im entstehen war. Stalin besaß alle Eigenschaften eines Despoten.
Er war ein skrupelloser Intrigant, der bereit war über Leichen zu
gehen um seine Vorstellungen durchzusetzen. Trotzki berichtet, dass
es Stalin verstand, mit den einfachen Menschen, mit den Bauern und den
gerade in die untersten Funktionen des Apparates aufgestiegenen Bürokraten
zu reden. »Er spricht ihre Sprache und weiß sie zu führen ...
die Dialektik der Geschichte hat sich seiner schon bemächtigt.« [36]
Die Bolschewiki hatten geglaubt, dass ihre Revolution das Signal
für die Weltrevolution sein würde. Dass sie allein bleiben
würden mit ihrem rückständigen Land, dass war nicht
einkalkuliert worden.
Die leninsche Parteitheorie sollte nicht zur Herrschaft der Partei
über die Arbeiter führen. Dass es aber darauf hinauslief,
lag am Fehlen eines großen Proletariats und daran, dass die
unterdrückten Massen nicht von heute auf morgen zu aktiven, schöpferischen
Persönlichkeiten werden.
Dass die Arbeiter sich nach der Revolution vom Sozialismus abwenden
würden, soetwas hatte man nie in Betracht gezogen. Als es dann geschah,
mussten sich die Bolschewiki, wenn sie nicht die ganze Revolution
gefährden wollten, über den, scheinbar nur kurzfristigen, Willen
der Arbeiter hinwegsetzen.
Als aus Gründen der Rückständigkeit die NÖP eingeführt
wurde und dadurch eine neue Schicht von Kapitalisten entstand, die ein
schönes Leben führen konnten, während die Arbeiter häufig
noch hungerten, da war dies nicht die ursprüngliche Intention gewesen.
Die Bolschewiki hatten geglaubt, durch die Sozialisierung der Produktionsmittel
eine nie dagewesene Dynamik der Produktivkraftentwicklung auszulösen,
dass die Masse nun für sich selbst, für ihren Staat, viel
besser arbeiten würden als für die Kapitalisten und Gutsbesitzer.
Dass man schließlich mit Arbeitslager die Masse zu besserer
Arbeit zwingen musste, weil der Kapitalismus eben noch nicht genügend
vorgearbeitet hatte bei der Entstehung des neuen Produzententyps, das haben
die Bolschewiki nicht erwartet.
Mit ihrem zentralisierten Partei-, Staats- und Wirtschaftsaufbau gaben
sie den Funktionären große Macht in die Hände. Die Bürokraten
beherrschten den Wirtschaftsprozess und schon bald eigneten sie sich
einen Teil des Mehrprodukts für persönliche Privilegien an. Dies
war nicht der ursprüngliche Wille der Bolschewiki, aber das Resultat
ihres Wirkens, das Ergebnis der materiellen Zustände.
Kurz: Die Bolschewiki mussten auf grund der Verhältnisse
laufend Dinge tun, die sie eigentlich gar nicht tun wollten und die ihren
ganzen Vorstellungen widersprachen.
Das was Engels im Deutschen Bauernkrieg über die Situation von
Thomas Münzer im Jahre 1525 schreibt, passt auf die Situation
der Bolschewiki in den 20er und 30er Jahren wie angegossen.
»Es ist das Schlimmste, was dem Führer einer extremen Partei widerfahren
kann, wenn er gezwungen wird, in einer Epoche die Regierung zu übernehmen,
wo die Bewegung noch nicht reif ist für die Herrschaft der Klasse
die er vertritt, und für die Durchführung der Maßregeln,
die die Herrschaft dieser Klasse erfordert. Was er tun kann, hängt
nicht von seinem Willen ab, sondern von der Höhe, auf die der Gegensatz
der verschiedenen Klassen getrieben ist, und von dem Entwicklungsgrad der
materiellen Existenzbedingungen, der Produktions- und Verkehrsverhältnisse
... Er findet sich so notwendigerweise in einem unlösbaren Dilemma:
Was er tun kann, widerspricht seinem ganzen bisherigen Auftreten, seinen
Prinzipien und den unmittelbaren Interessen seiner Partei; und was er tun
soll, ist nicht durchzuführen. Er ist, mit einem Wort, gezwungen,
nicht seine Partei, seine Klasse, sondern die Klasse zu vertreten, für
deren Herrschaft die Bewegung gerade reif ist. Er muss im Interesse
der Bewegung selbst die Interessen einer ihm fremden Klasse durchführen
und seine eigene Klasse mit Phrasen und Versprechungen, mit der Beteuerung
abfertigen, dass die Interessen jener fremden Klasse ihre eigenen
Interessen sind. Wer in diese schiefe Stellung gerät, ist unrettbar
verloren.« [37]
Quod erat demonstrandum. Die Mehrheit der alten Garde landete vor den
Erschießungskommandos der GPU. Ein kleinerer Teil, diejenigen, die
charakterlich dazu in der Lage waren, wurden die Spitzen der neuen herrschenden
und ausbeutenden Klasse der Bürokraten.
Nach den großen Säuberungen Ende der 30er Jahre hatte die
Kommunistische Partei aufgehört zu existieren. Was übrig blieb,
nannte sich zwar weiterhin Kommunistische Partei, sie hatte rein abstrakt
weiterhin die alten Ziele, aber mit den kommunistischen Idealen hatten
sie im täglichen Leben ungefähr soviel zu tun, wie die Inquisition
des Mittelalters mit der Bergpredigt von Jesus Christus. Trotzki sieht den Grund für den Sieg der Fraktion Stalin in der
Rückständigkeit Russlands, in der internationalen Lage und
den daraus entspringenden wirtschaftlichen Gegebenheiten Sowjetrusslands.
[38]
Jede Revolution ziehe nach sich eine Reaktion oder gar Konterrevolution,
die viele Errungenschaften des Volkes rückgängig mache und sich
gegen die Pioniere der Revolution wende. [39]
Viele hervorragende Vertreter der Arbeiterklasse seien im Bürgerkrieg
umgekommen oder um einige Grade über die Masse erhoben und von ihnen
losgelöst. [40]
Die Enttäuschung der Massen darüber, wie wenig sich im täglichen
Leben geändert habe, führte zur Resignation. Auf einer Flut von
Kleinmut schwang sich eine neue kommandierende Schicht empor. [41]
Ein weiterer Grund wäre die Niederlage der Weltarbeiterklasse
und diese wäre letztendlich bedingt durch »die verheerende Rolle der
von der Masse losgelösten und tief konservativen Kremelführung.«
[42]
Die durch die Verhältnisse entstandene Bürokratie versuche
nun, sich von der Massenkontrolle zu befreien. [43] (Als ob es jemals Massenkontrolle
gegeben habe!) Sie entwickele ihre eigenen Ideen, Gefühle und Interessen.
Ein längeres Leben Lenins hätte diese Tendenz vielleicht aufgehalten,
ganz verhindern hätte auch Lenin sie nicht. [44]
Im demokratischen Zentralismus an sich sieht Trotzki nicht das Problem.
[45] Doch er kritisiert, dass die unter dem Zwang der Ereignisse eingeführten
Mechanismen wie Fraktionsverbot, Verbot anderer Parteien, zu allgemeinen
Normen gemacht wurden. [46]
(Im demokratischen Zentralismus sehe ich auch kein Problem, da sowohl
die Demokratie wie eine zentrale Führung nötig ist. Das Problem
war, dass es nie einen demokratischen Zentralismus gab, sondern nur
einen Zentralismus, und zwar von Beginn an, von der Entstehung der bolschewistischen
Partei im Jahre 1902 an.)
Die Partei wurde von unbewussten Massen überschwemmt, die
ohne Erfahrung und Selbständigkeit, aber gewohnt waren, sich der Obrigkeit
zu unterwerfen. [47]
Die Übergangsordnung stecke noch voller sozialer Gegensätze.
Grundlage der Bürokratie sei die Armut der Gesellschaft an Konsumgütern.
[48] So sieht auch Ernest Mandel als führender Trotzkist die Ursache
für die wachsende Entfremdung zwischen Partei und Arbeiterklasse im
oktroyierten Konsumverzicht. [49]
Dutschke sucht in den Fehlern von Personen und Organisationen den Grund
dafür, dass sich der Stalinismus entwickeln konnte, und dass
das Proletariat bis heute immer noch nicht die von Marx erwartete Revolution
gemacht hat.
Lenin habe die wirkliche sozial-ökonomische Struktur Russlands
nicht erkannt und daraus musste sich zwangsläufig eine falsche
Taktik ergeben. Die Fixierung auf die bürgerliche Revolution habe
Lenin den Blick für die Bauernmassen verstellt und ein Bündnis
zwischen Arbeiterklasse und Bauernschaft verhindert. [50]
Das Verhältnis von Partei und Klasse sei ein borniert-ideologisches
gewesen. [51] Lenin hätte sich mehr auf die Massenaktivitäten
stützen sollen als auf einen bürokratischen Apparat. Der Kampf
gegen den Bürokratismus wäre nur dann erfolgreich gewesen, »wenn
die enthüllende und mitwirkende Sprengkraft der Massentätigkeit«
benutzt worden wäre. [52] Lenin hätte nicht davon ausgehen sollen,
dass das sozialistische Bewusstsein von außen in die Massen
hineingetragen werden muss, er hätte sich auf das Bewusstsein
stützen sollen, das aus der materiellen Lage der Arbeiterklasse heraus
entsteht. [53]
»Die russische Revolution hätte so zu einer Revolution des asiatischen
Stadt- und Landproletariats im Kampf gegen den asiatischen Staatskapitalismus
werden müssen. Das alles wäre aber nur möglich gewesen,
wenn die asiatische Entwicklung des Kapitalismus in Russland nicht
als Qual, sondern als reale gesellschaftliche Formationsbestimmung Russlands
anerkannt und revolutionär benutzt worden wäre.« [54]
Wenn die Bolschewiki und Lenin also nur besser erkannt und besser gehandelt
hätten, »hätte die Sowjetunion wahrscheinlich einen anderen Weg
genommen, und Europa, vielleicht die ganze Welt, sähe heute anders
aus.« [55] Für mein Gefühl ein sehr idealistischer Standpunkt.
Dutschke ist zu sehr vom chinesischen Modell beeinflusst und dies
ist, wie ich oben schon feststellte, inzwischen ebenfalls gescheitert.
Elleinstein führt einerseits die historischen Faktoren an, Unterentwicklung
sowie Mangel an demokratischen und kulturellen Traditionen, und entwickelt
dann in seiner Schrift Geschichte des Stalinismus wie sich aus diesen
Gründen schrittweise der Stalinismus entwickelt hat.
Neuerdings misst er auch der leninschen Theorie große Bedeutung
bei. [56] Die Bolschewiki seien Anhänger einer absoluten Vorstellung
von Diktatur gewesen, einer Diktatur ohne Grenzen und Gesetze, die ausschließlich
im Dienste revolutionärer Macht stehen sollte. Diese Theorie machte
sie schließlich blind gegenüber den Nebenfolgen unumschränkter
Machtausübung. Stalinismus sei essentiell Staatsmacht ohne Gegenmacht
im Sozialismus.
Alle drei Autoren, wie auch Wilhelm Reich, auf den ich im nächsten
Kapitel zu sprechen komme, befinden sich in den von Bahro als »Ideal und
Wirklichkeit« bezeichneten Kategorien. [57] Wenn die bolschewistischen
Parteimenschen nur besser erkannt und besser gehandelt hätten, dann
wäre alles anders geworden. Trotzki berücksichtigt noch am meisten
die wirtschaftlichen Verhältnisse, ist aber zum letztendlichen Grund
auch nicht vorgestoßen.
Bahro ist viel konsequenter Materialist. Seine Analyse ist viel tiefgehender.
Gegenüber der Arbeit von Bahro erscheint mir die Arbeit von Dutschke
unheimlich flach.
Die Niederlage der Weltarbeiterklasse ist nach Bahro nicht in den Fehlern
von Personen und Organisationen begründet, sondern darin, dass
sich um die Jahrhundertwende das revolutionäre Sturmzentrum aus den
hochindustriealisierten Ländern weg, in die dritte Welt verlagert
habe. [58]
Die Oktoberrevolution sei die erste antiimperialistische Revolution
gewesen, in der ein unterentwickeltes Volk sich die Voraussetzungen geschaffen
habe, unabhängig einen nichtkapitalistischen Weg zur Industriegesellschaft
zu gehen. [59]
Die Oktoberrevolution hätte ebenso wenig zum Sozialismus führen
können, wie die französische Revolution zu einem Zustand allgemeiner
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. [60] Sie habe nur zu der
Gesellschaftsstruktur führen können, wie sie heute existiert.
[61] Die Bolschewiki hätten eine andere Aufgabe zu erfüllen gehabt,
als die, zu der sie sich berufen glaubten. [62] Ihre Aufgabe sei die schnelle
Industrialisierung Russlands auf einem nichtkapitalistischen Weg gewesen.
[63]
Da das Kapital noch nicht genügend vorgearbeitet habe, musste
Russland die »ursprüngliche sozialistische Akkumulation« durchlaufen.
Die Zwangsmaßnahmen zur Stärkung der Arbeitsmoral seien ebenso
notwendig gewesen [64], wie die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft.
[65]
»Zum materiellen Aufbau bedarf es vor allem anfangs einer starken und
- um die Niederringung des überlieferten Stumpfsinns überhaupt
zu ermöglichen oft in vieler Beziehung despotischen Staatsmacht.«
[66]
Die Rückständigkeit hätte von den Bolschewiken institutionellen
Tribut fordern müssen, und so sei es dazu gekommen, dass die
zaristische Bürokratie durch eine nur »ganz leicht mit Sowjetöl
gesalbte Bürokratie« (Lenin) ersetzt wurde. [67]
Überall, wo gestützt auf Arbeiter und Bauern eine neue Gesellschaft
aufgebaut wird, habe sich gezeigt, dass man ohne einen Staatsapparat
nicht auskäme. [68]
Die Rückständigkeit sei aber nur für die Auswüchse
der Bürokratie verantwortlich zu machen. [69] Erst auf einer hohen
industriellen Stufe wäre der Zwang zum Staatsapparat erst voll hervorgetreten.
[70]
Die Ursachen der Bürokratie und des Staatsapparates lägen
letztlich in dem Zwang zur Arbeitsteilung in der Übergangsgesellschaft
zwischen entwickelter Klassengesellschaft und Kommunismus. [71]
Wenn die Klassen, die mit dem Privateigentum an den Produktionsmitteln
verbunden sind, verschwunden sein, trete das ältere Element der Klassenspaltung,
die Arbeitsteilung, wieder als autonomer Faktor in Erscheinung [72], und
erst die endgültige Überwindung der Arbeitsteilung würde
den Kommunismus ermöglichen. Dafür wären aber noch viele
Maßnahmen erforderlich. Zum Schluss möchte ich auch noch kurz auf die psychologischen
Aspekte der Angelegenheit eingehen. Welche Faktoren bestimmen das menschliche
Verhalten? Auf diese Frage will ich eingehen, bevor ich Reichs Sexualökonomie
und Bahros Einschätzung der Arbeiterklasse erläutere.
Zu den Lebzeiten von Marx und Lenin war die Psychologie noch eine sehr
unterentwickelte Wissenschaft, insbesondere kannten sie nicht das umwälzende
Werk Sigmund Freuds.
Das Bewusstsein der Menschen ist mehr als das mechanische Abbild
ihres gesellschaftlichen Seins. (Womit ich nicht behaupten will, dass
Marx oder Lenin eine solche Ansicht vertreten hätten.) Wäre dies
so, die proletarische Weltrevolution hätte längs stattgefunden.
Es muss erklärt werden, warum sich das Handeln vieler Menschen
oft direkt im Gegensatz zu ihren objektiven Interessen befindet. Warum
lassen sich Menschen beherrschen, ausbeuten und manipulieren? Warum sind
Menschen zu solchen Grausamkeiten wie Folterungen und Massenmorden fähig?
Es geht dabei nicht darum, den Stalinismus aus der Psyche der Menschen
heraus zu erklären. Wilhelm Reich hat in seiner Schrift Massenpsychologie
des Faschismus nicht versucht, den Faschismus aus der Psyche der Menschen
zu erklären. Er hat gefragt, welche Dinge sind in der menschlichen
Psyche vorhanden, die die Entstehung des Faschismus, der letztendlich ökonomisch
bedingt sei, überhaupt möglich machte.
Analog geht es mir darum zu fragen, was sind die psychischen Ursachen
dafür, dass sich der Stalinismus, der letztendlich ökonomisch
bedingt ist, entwickeln konnte.
Die Grausamkeiten des stalinistischen Terrors sind aus den grausamen
Traditionen des zaristischen Russlands allein nicht erklärbar.
Auch die zivilisierten und kulturell fortgeschrittenen Westeuropäer
haben sich in zwei Weltkriegen gegenseitig zu Millionen abgeschlachtet.
Wo liegen die psychischen Ursachen dafür, dass Menschen zu soetwas
fähig sind. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht nur interessant
für die Erklärung des Stalinismus, sondern auch dafür, ob
der Kommunismus überhaupt möglich und nicht nur eine schöne
Illusion ist.
Das menschliche Verhalten wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst,
die sich gegenseitig überlagern, aufheben, ergänzen und ausgleichen
können. Der Mensch kommt mit einer bestimmten Triebstruktur zur Welt,
wobei der Sexualtrieb und der Aggressionstrieb die wichtigsten sind. Der
Hinweis auf die Triebstruktur geschieht nicht, um mit ihr unterschiedliches
Verhalten zu erklären, sondern um klarzumachen, dass der Mensch
bei seiner Geburt nicht eine totale »tabula rasa« ist, in die alles hineingepresst
werden kann.
Vom ersten Tag des Lebens kommen nun die Einflüsse aus der Außenwelt
auf das Kind zu. Ob das Kind überwiegend Liebe und Geborgenheit oder
Ablehnung und Gleichgültigkeit erfährt, entscheidet schon darüber,
ob es sich der Außenwelt zuwendet oder sich abkapselt. Ob Liebe oder
Schläge überwiegt, ob blinder Gehorsam verlangt wird oder ob
die Eltern sich bemühen Ge- und Verbote zu erklären, entscheidet
mit darüber, ob das Kind später einmal ein kritischer aktiver
Mensch wird oder ein passiver Befehlsempfänger. Auch die Kleinkinder
haben schon sexuelle Bedürfnisse. Ob diese Bedürfnisse befriedigt
werden oder aber unterdrückt werden, entscheidet mit darüber,
wie selbstsicher bzw. unsicher ein Mensch später sein wird, in welchem
Maße er Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle entwickeln wird.
Dies alles führt dazu, dass die Menschen, lange bevor sie
in den ökonomischen Prozess eintreten, in den ersten Jahren ihres
Lebens, eine bestimmte psychische Struktur herausbilden. Sie verfügt
über eine starke Stabilität. Sie kann in späteren Jahren
vielleicht noch modifiziert werden, aber in ihren Grundlagen wird man sie
das ganze Leben lang behalten. Von konservativer Seite behauptet man natürlich,
dass die Verschiedenartigkeit zum größten Teil angeboren,
genetisch bedingt sei, um damit die Privilegienstruktur der Gesellschaft
zu rechtfertigen. Das, was später als unterschiedliche Intelligenz
erscheint, ist vielfach sozialisationsbedingt.
Die Kinder werden dann zur Schule geschickt und je nach der sozialen
Stellung ihrer Eltern werden sie die Volksschule oder die Oberschule besuchen.
Die Art der Schule ist in der Regel entscheidend dafür, welchen beruflichen
Werdegang das Kind später einschlagen wird. Der Jugendliche wird aus
der Schule in den Arbeitsprozess eintreten, der arbeitsteilig organisiert
ist. Die Arbeitsteilung ist die letztendliche Ursache dafür, dass
die Gesellschaft in verschiedene Klassen, Schichten und Interessengruppen
gespalten ist. Die Menschen nehmen einen bestimmten Platz im Produktionsprozess
ein und werden hieraus unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen
entwickeln. Je nach dem Grad ihrer Bildung und der Qualitätshöhe
ihres Arbeitsplatzes werden die Menschen die Fähigkeit entwickeln,
die Gesellschaft und sich selbst zu durchschauen. Das alles verbirgt sich
dahinter, wenn gesagt wird, der Mensch sei sowohl durch seine Natur wie gesellschaftlich
determiniert und innerhalb dieser Determination ein psychisch selbständiges
erkennendes und interessiertes Wesen. [1]
Für Wilhelm Reich ist die Unterdrückung der frühkindlichen
Sexualität ein sehr wichtiger Faktor bei der Entstehung der Verhaltensweisen.
[2]
Das Bewusstsein sei nur ein kleiner Teil des Seelischen und werde
von unbewussten Seelenvorgängen dirigiert. [3] Die Sexualenergie
sei der zentrale Motor des Seelenlebens, sobald die sexuellen Bedürfnisse
in Widerspruch geraten zu den gesellschaftlichen Bedingungen. Im Seelischen
treffen natürliche Voraussetzungen und gesellschaftliche Bedingungen aufeinander.
Die moralischen Instanzen im Menschen seien ein Produkt der Erziehung und
wendeten sich besonders gegen die Sexualität. Es entsteht ein innerer
Widerspruch von Trieb und Moral. Die verdrängte Sexualität werde
zur Ursache für Komplexe, Neurosen usw.
Reich fragt nun, warum wird die Sexualität von der Gesellschaft
unterdrückt? [4] Die augenblicklichen patriarchalischen Herrschafts-
und Ausbeutungsverhältnisse machen die Sexualunterdrückung notwendig.
Die Sexualunterdrückung stehe nicht am Anfang des Kulturprozesses,
sondern am Beginn der Klassenspaltung.
Durch die moralische Hemmung der natürlichen Geschlechtlichkeit
(und die daraus entstehenden psychischen Störungen) werden die Menschen
ängstlich, scheu, autoritätshörig, gehorsam, erziehbar.
Sie schafft einen Menschen, der sich widerspruchslos beherrschen und ausbeuten
lässt. [5]
Die Unterdrückung grob materieller Bedürfnisse führt
zur Rebellion. Die Unterdrückung sexueller Bedürfnisse führt
zu deren Verdrängung und verhindert die Rebellion gegen beide Arten
der Unterdrückung. [6]
Die Sexualunterdrückung schaffe darüber hinaus eine sekundäre
Kraft, die die patriarchalische Gesellschaft stützt. Die unterdrückte
Sexualität sucht nach Ersatzbefriedigung. So wird die natürliche
Aggressivität gesteigert zu brutalen Sadismus und dieser zur Ursache
von Folter, Krieg, KZs u. ä.. Der Militarismus baut auf, auf den exibitionistischen
Charakter der Uniform oder auf den erotisch aufreizenden, da rhythmischen
Parademärschen. [7]
Reich führt die Entwicklung in der Sowjetunion speziell darauf
zurück, dass die sexuelle Revolution gebremst und unterdrückt
wurde. [8] Die Rückschritte in den 20er und 30er Jahren sind begründet
in den »autoritätssüchtigen Strukturen der Massenmenschen«. [9]
Reich verschiebt wohl leicht die Akzente, wenn er die ganze Entwicklung
nur noch durch die Brille der Sexualökonomie sieht oder wenn er behauptet:
»Die Fragestellungen der Soziologie haben sich grundsätzlich von der
Wirtschaft auf die Struktur der Massenmenschen verschoben.« [10] Aber ein
wichtiger Gesichtspunkt ist die Sexualunterdrückung zweifellos. Sie
erklärt auch die bis zum heutigen Tag quasi kirchliche Sexualpolitik
im realen Sozialismus. Bahro schätzt die Theorie von Reich zwar hoch ein [11], misst
aber der Stellung der Menschen im Produktionsprozess eine größere
Bedeutung bei.
Bahro stellt fest, dass das Proletariat bis heute nirgends die
ihm vom Marx zugesprochenen Eigenschaften gezeigt hat. [12]
Das russische Beispiel habe gezeigt, dass die alte Gesellschaft
nur einer Minderheit der Unterdrückten die psychische Energie für
einen aktiven Aufschwung gelassen habe. [13] Sie haben die Kraft zur kollektiven
Machteroberung unter bewährten Führern und die Opferbereitschaft
im Bürgerkrieg aufgebracht. Aber beim Aufbau einer neuen Gesellschaft
eine Leitungsfunktion zu übernehmen, dass verlangt einen Grad
an Selbstbewusstsein und Artikulationsvermögen, wie es unter
den Ausgebeuteten ein individueller Glücksfall ist. [14]
Beim Staatsaufbau werden die energischen und bewussten Elemente
der unterdrückten Klassen nach oben in den Apparat abgezogen und unter
den Verbleibenden wird massenhaft Regierungsunfähigkeit und Unmündigkeit
reproduziert. [15]
Der Marxismus wurde von Intellektuellen geschaffen und er war in seiner
Gesamtheit auch immer nur Intellektuellen begreifbar. [16]
Die revolutionären Programme der Arbeiterparteien waren die Programme
von revolutionären Eliten. [17] Die Führer dieser Parteien waren
fast ausschließlich Intellektuelle. [18] Nicht die Arbeiterklasse
gab sie sich als Führung, sondern sie gaben sich der Arbeiterklasse
als Führung. [19]
Das Proletariat kann aus sich heraus nur gewerkschaftliches Bewusstsein
entwickeln. [20] »Es ist eines, die Arbeiter zum vollen Bewusstsein
ihres ökonomischen Klassengegensatzes zu den Bourgeois zu führen,
ein ganz anderes, ihnen ihre »universellen« Interessen bewusst machen
zu wollen.« [21]
»Aus dem Kapital geht nur die Rolle des Proletariats als Antagonist
der Bourgeoisie ... zwingend hervor ... Dass das Proletariat darüber
hinaus das aktuelle Kollektivsubjekt der allgemeinen Emanzipation sein
sollte, blieb ein philosophische Hypothese, in der sich die utopische Komponente
des Marxismus konzentrierte.« [22] Bei den Ursachen für die Entstehung des Stalinismus müssen
primäre und sekundäre unterschieden werden. Die entscheidenden,
primären Ursachen dafür, dass sich nicht ein Gesellschaftssystem
herausbilden konnte, wie es Marx und Engels sich vorgestellt hatten, war
einmal der Zwang zu einer Übergangsgesellschaft, in der die Macht
aus ökonomischen und psychologischen Gründen faktisch von den
Funktionären, von der Bürokratie ausgeübt wird. In Russland
kam nun noch dazu die Rückständigkeit des Landes, seine halbasiatische
Struktur und die internationale Isolierung.
Was dann zusätzlich kam, die Parteitheorie Lenins, das Versagen
Trotzkis im Kampf gegen Stalin, das Fraktionsverbot usw. waren die sekundären
Ursachen, anhand derer man den konkreten Verlauf der Geschichte aufzeigen
kann. Wenn sich auf der Ebene etwas anderes ereignet hätte, dann würde
das System heute etwas variiert dastehen. Aber an der grundsätzlichen
Beschaffenheit wäre nicht geändert worden.
Das realsozialistische Gesellschaftssystem, das in den 20er und 30er
Jahren unter sehr realen Zwängen in der Sowjetunion entstanden ist,
ist in diesen Ländern inzwischen zu einem Anachronismus geworden.
Für Westeuropa hat es überhaupt keinen Modellcharakter. Wir haben
in Westeuropa andere kulturelle und demokratische Traditionen, einen wesentlich
höheren Entwicklungsstand der Produktivkräfte und die internationale
Lage ist heute eine andere.
Ein westeuropäischer Weg zum Sozialismus muss sich vom sowjetischen
grundlegend unterscheiden. Wir brauchen keine Despotie und von daher auch
keine Diktatur eines Parteiapparates. Der überzentralisierte Wirtschaftsapparat
ist bei unserem Stand der Produktivkräfte völlig unadäquat.
Auf ökonomischen Gebiet brauchen wir einerseits die Verstaatlichung
der Großbetriebe, aber eine relative Eigenständigkeit dieser
Betriebe und eine Wirtschaftspolitik des Staates, die sich auf Investitionskontrolle
und Infrastrukturplanung beschränkt. In den staatlichen und privaten
Betrieben muss es eine effektive Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter
geben und die Freiheit der Gewerkschaften und das Streikrecht müssen
gewahrt bleiben. Die Arbeitsteilung sollte langfristig überwunden
werden.
Auf politischen Gebiet brauchen wir verschiedene politische Gruppen,
die sich miteinander in Konkurrenz befinden, und die effektive Möglichkeit
die Regierung abzuwählen. Die Politiker und Manager, von denen auch
bei uns noch lange die tatsächliche Macht ausgehen wird, müssen
effektiv kontrollierbar sein. Dafür ist es notwendig, dass die
bürgerlichen Rechte und Freiheiten gewährleistet sind. Wir brauchen
auch keine alleingültige Staatsideologie, sondern einen offenen Meinungsstreit
über alle anstehenden Fragen der Politik, der Wissenschaft, der Philosophie
und der Kultur.
Die Erziehung der Kinder und die Sexualpolitik muss den neuesten
Erkenntnissen der Psychologie angemessen sein. Das Bildungssystem muss
so organisiert sein, dass soziale Nachteile weitgehend ausgeglichen
werden. Die Arbeit muss langfristig so organisiert werden, dass
nicht die einen ihr Leben lang am Fließband stehen und die anderen
in den Chefetagen sitzen. Kurz: Es muss dafür gesorgt werden,
dass die große Mehrheit der Bevölkerung auf grund ihrer
Erziehung, ihrer Bildung und ihrer Stellung im Produktionsprozess
die Fähigkeit und das Bedürfnis entwickelt, den gesellschaftlichen
Gesamtprozess zu erkennen und mit zu gestalten.
[1] Carrillo, S. IV
[1] Bahro, S. 24
[1] Engels 9., MEW 21/157
[1] Bahro, S. 100ff
[1] Bahro, S. 102
[1] Deutscher 1., S. 241ff
[1] Friebel, S. 14ff
4.5. DIE INDUSTRIEALISIERUNG
Darüber die seit der Aufhebung der Leibeigenschaft erst halbliquidierte
feudale, die sich aber in der Vergangenheit nie völlig aus der älteren
ersten herausgearbeitet hatte Ex-Gutsherren und Ex-Leibeigene im Kampf
um den Boden.
Schließlich zu oberst, in wenigen Städten konzentriert,
die moderne kapitalistische industrielle Bourgeoisie und Lohnarbeiter.«
[24]
5. LENIN
Lenin ist der theoretische und praktische Begründer des sowjetischen
Systems. Daran ändert auch nichts, dass sich dieses System nach
seinem Tode anders entwickelte, als er es erwartet hatte. Lenin ist die
geschichtsträchtigste Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts. Ohne
Lenin hätte es keine bolschewistische Partei gegeben, keine Oktoberrevolution
und keine Sowjetunion. Ohne Lenin wäre die Geschichte des 20. Jahrhunderts
wahrscheinlich zu großen Teilen anders verlaufen. Neben den despotischen
Traditionen des zaristischen Russlands ist der Leninismus die zweite
entscheidende Ursache für die Entstehung des Stalinismus. Daran ändert
auch nichts, dass Lenin das, was sich unter Stalin entwickelte, so
bestimmt nicht gewollt hat.
6. DIE OKTOBERREVOLUTION UND IHRE FOLGEN
6.1. ZEITTAFEL
6.2. DIE OKTOBERREVOLUTION
6.3. DER BÜRGERKRIEG
6.4. DIE ERHOFFTE WELTREVOLUTION BLEIBT AUS
6.5. RUSSLAND AM ENDE DES BÜRGERKRIEGES
6.6. DIE NEUE ÖKONOMISCHE POLITIK
6.7. POLITISCHE VERÄNDERUNGEN
6.8. DER KAMPF UM EINE BESSERE ARBEITSMORAL
6.9. DIE ZWANGSKOLLEKTIVIERUNG DER LANDWIRTSCHAFT
6.10. DIE ROLLE DER PERSÖNLICHKEIT IN DER GESCHICHTE
6.11. DER AUFSTIEG STALINS
6.12. DAS DILEMMA DER BOLSCHEWIKI
6.13. IM VERGLEICH DIE ERKLÄRUNGEN VON TROTZKI, DUTSCHKE, ELLEINSTEIN
UND BAHRO
6.13.1. TROTZKI
6.13.2 DUTSCHKE
6.13.3. ELLEINSTEIN
6.13.4. BAHRO
7. PSYCHOLOGISCHE ASPEKTE
7.1. DIE FAKTOREN MENSCHLICHEN VERHALTENS
7.2. REICHS SEXUALÖKONOMIE
7.3. BAHROS EINSCHÄTZUNG DER ARBEITERKLASSE
8. SCHLUSSBEMERKUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
Autorenkollektiv 1, Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag für fremdsprachliche Literatur Moskau 1945
Autorenkollektiv 2, Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M 1971
Autorenkollektiv 3, Geschichte der UdSSR In drei Bänden, Pahl-Rugenstein Verlag Köln 1977
Autorenkollektiv 4, Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte (DDR-Geschichtslexikon), VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1971
Bahro, Rudolf, Die Alternative, Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Europäische Verlagsanstalt Köln 1977
Carrilo, Santiago, Spanien nach Franco, Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung (VSA), Westberlin 1975
Deutscher, Isaak,
1. Trotzki I Der bewaffnete Prophet 18791921
2. Trotzki II Der unbewaffnete Prophet 19211929
3. Trotzki III Der verstoßene Prophet 19291940
4. Stalin Eine politische Biographie
Alle Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 1962
Dutschke, Rudi, Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen, Verlag Klaus Wagenbach Berlin 1974
Elleinstein, Jean, Geschichte des »Stalinismus«, Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung (VSA), Westberlin 1977
Engels, Friedrich,
1. Anti-Dühring, MEW 20
2. Brief an Bebel von 18./28. März 1875, MEW 18
3. Brief an Marx vom 6. Juni 1853, MEW 28
4. Der Deutsche Bauernkrieg, MEW 7
5. Einleitung zu K. Marx Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17
6. Grundsätze des Kommunismus, MEW 4
7. Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891, MEW 22
8. Soziales aus Russland, MEW 18
9. Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, MEW 21
10. Zur Wohnungsfrage, MEW 18
Alle in Marx/Engels Werken (MEW), Dietz Verlag Berlin 1961ff
(Gemeinsame Schriften von Marx und Engels siehe unter Marx)
Friebel, Harry, Lernkapazität des Individuums Lernmilieu der Gesellschaft, Westdeutscher Verlag GmbH Opladen 1977
Hofmann, Werner, Stalinismus und Antikommunismus Zur Soziologie des Ost-West-Konflikts, Suhrkamp Verlag Frankfurt/M 1967
Lenin, W. I.
1. Demokratie und Volkstümlerideologie in China, LW 18
2. Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland, LW 3
3. Die neue ökonomische Politik und die Aufgabe der Ausschüsse für politisch kulturelle Aufklärung, LW 33
4. X. Parteitag der KPR(B) Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer, LW 32
5. Referat auf dem II. Kongress der kommunistischen Organisationen der Völker des Ostens, LW 30
6. Staat und Revolution, LW 25
7. Ursprünglicher Entwurf der Thesen zur Agrarfrage, LW 31
8. Was tun?, LW 5
9. Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten?, LW 26
10. Rede an die Jugendverbände, LW 31
11. Notizen zum Strafgesetzbuch der RSFSR, LW/EB Okt. 1917März 1923
Alle in Lenin Werke (LW), Dietz Verlag Berlin 1958ff
Marx, Karl,
1. Die britische Herrschaft in Indien, MEW 9
2. Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17
3. Entwürfe einer Antwort auf den Brief von V. I. Sassulitsch, MEW 19
4. Das Kapital 1. Band MEW 23, 2. Band MEW 24, 3. Band MEW 25
5. Konspekt von Bakunins Staatlichkeit und Anarchie, MEW 18
6. Kritik des Gothaer Programmentwurfs, MEW 19
7. Rede nach dem Haager Kongress, MEW 18
8. Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW13
Alle in Marx/Engels Werken (MEW), Dietz Verlag Berlin 1961ff
9. Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts, Verlag Olle und Wolter Berlin 1977
10. Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie Rohentwurf, (»Grundrisse«) Dietz Verlag Berlin 1974
Marx/Engels
1. Die deutsche Ideologie, MEW 3
2. Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4
Beide in Marx/Engels Werken (MEW), Dietz Verlag Berlin 1961ff
Masuch, Michael,
1. Das Problem der Erklärung des Stalinismus, in Argument 106, 19. Jg. (1977), S. 826ff
2. Kongressbericht Stalinismus und Entstalinisierung, in Argument 117, 21 Jg. (1979), S. 742
Meyer, Gert, Industrialisierung, Arbeiterklasse, Stalinherrschaft in der UdSSR,
(I) in Argument 106, 19 Jg. (1977), S. 844
(II) in Argument 107, 20. Jg. (1978), S. 42
(III) in Argument 108, 20 Jg. (1978), S. 202
Nguyen, Thanh-Hung, Zur Theorie der vorkapitalistischen Produktionsweisen bei K. Marx und F. Engels Dargestellt anhand der Probleme der »asiatischen Produktionsweise«, Politladen Verlags-GmbH Gaiganz/Oberfranken 1975
Rauch, Georg von, Geschichte der Sowjetunion, 6. erweiterte Auflage, Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1977
Reich, Wilhelm,
1. Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/M 1974
2. Die sexuelle Revolution, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt/M 1977
Schuster, Friedemann, Rezension zu Elleinsteins Geschichte des Stalinismus, in Marxistische Blätter, 15. Jg. (1977), H. 3, S. 109ff
Solschenizyn, Alexander, Der Archipel Gulag, 3 Bände, Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek 1976/78
Trotzki, Leo, Verratene Revolution, Buchverlag und -vertrieb Friedrich Kröhnke Dortmund 1976
Wolter, Ulf, Grundlagen des Stalinismus, Rotbuch Verlag Berlin 1975
Marxistische Theorie und realsozialistische Praxis
Anmerkungen zum 1. Kapitel:
[2] Autorenkollektiv 4, S. 597 (Auf 35 Seiten Kleindruck über die Sowjetunion stehen über Stalinismus einige Sätze.)
[3] So Friedemann Schuster in einer Besprechung von Elleinsteins Geschichte des Stalinismus. Schuster, S. 109ff
[4] Zur Zahl der Opfer des stalinistischen Terrors siehe Elleinstein, Kapitel 4, Sieg des stalinschen Phänomens
[5] Engels 1., MEW 20/80
Anmerkungen zum 2. Kapitel:
[2] Siehe Engels 1., MEW 20/166ff und 262f und Bahro, S. 164f
[3] Siehe hierzu insbesondere Die Deutsche Ideologie, MEW 3/32, Kritik
des Gothaer Programmentwurfs, MEW 19/21 und Anti-Dühring, MEW 20/186
[4] Marx 5., MEW 18/633
[5] Engels 8., MEW 18/556
[6] Engels 6., MEW 4/374
[7] Hierzu siehe besonders Marx Die britische Herrschaft in Indien,
MEW 9/127 und 220. Und die Einleitung zu den Grundrissen, Marx 10., S.
25, wo Marx schreibt, dass die Russen aus ihrer ökonomischen
Festgefahrenheit nur von außen befreit werden können.
[8] Marx/Engels 2., MEW 4/473
[9] ebenda
[10] Engels 7., MEW 22/231
[11] Engels 1., MEW 20/261
[12] Engels 2., MEW 19/6f
[13] Hierzu siehe besonders Engels 9., Der Ursprung der Familie, des
Privateigentums und des Staats, Kapitel IX, MEW 21/152ff
[14] Engels 1., MEW 20/262
[15] Marx 2., MEW 17/342
[16] Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx, MEW 17/624
[17] Engels 5., MEW 17/624
[18] Marx 2., MEW 17/340
[19] ebenda S. 338
[20] ebenda S. 339
[21] ebenda S. 340
[22] ebenda S. 543
[23] Engels 10., MEW 18/282
[24] Engels 5., MEW 17/623 und Marx 2., MEW 17/343
[25] Marx 6., MEW 19/19f und Bahro, S. 33
[26] ebenda und Marx 4., Kapital 2. Band, MEW 24/358
[27] Engels 1., MEW 20/187
[28] Marx 6., MEW 19/21
Anmerkungen zum 3. Kapitel:
[2] Autorenkollektiv 1, S. 156
[3] Marx 8., MEW 13/9
[4] Engels 1., MEW 20/168
[5] Bahro, S. 80
[6] Nguyen, S. 35
[7] Marx 10., S. 376
[8] Marx 4., MEW 25/799
[9] Marx 4., MEW 23/378
[10] Engels 8., MEW 18/563
[11] Engels 3., MEW 28/259
[12] Bahro, S. 83
[13] Marx 1., MEW 9/130
[14] Marx 4., MEW 25/614
[15] Marx 4., MEW 23/379
[16] Bahro, S. 74
[17] Bahro, S. 96
[18] Bahro, S. 97
[19] Bahro, S. 79f
Anmerkungen zum 4. Kapitel:
[2] Dutschke, S. 41ff
[3] Autorenkollektiv 3, Teil I, besonders 3. und 4. Kapitel
[4] Marx 9.
[5] ebenda, S. 81
[6] ebenda
[7] ebenda, S. 81f
[8] ebenda, S. 82
[9] ebenda, S. 84
[10] ebenda
[11] ebenda, S. 82
[12] Autorenkollektiv 3, 1. Teil, S. 100ff
[12a] Engels 8., MEW 18/559
[13] Dutschke, S. 48
[14] Siehe besonders Marx 3., Entwürfe einer Antwort auf den Brief
von V. I. Sassulitsch, MEW 19/984ff und Engels 8., Soziales aus Russland,
MEW 18/556ff
[15] Autorenkollektiv 3, 1. Teil, S. 307
[16] Dutschke, S. 50
[17] ebenda, S. 55
[18] ebenda, S. 53
[19] ebenda, S. 57
[20] Wolter, S. 17
[21] Marx 3., MEW 19/393
[22] Wolter, S 26
[23] Deutscher 1., S. 207
[24] Bahro, S. 104
Anmerkungen zum 5. Kapitel:
[2] Lenin 1., LW 18/153
[3] Lenin 2., LW 3
[4] Dutschke, S. 78
[5] ebenda, S. 100
[6] zitiert nach ebenda, S. 102
[7] ebenda; S. 108
[8] ebenda, S. 107
[9] Lenin 6., LW 25/416f
[10] Lenin 8., LW 5/483
[11] Dutschke, S. 101
[12] ebenda, S. 106
[13] Bahro, S. 128ff
[14] ebenda, S. 109
[15] siehe 2. Kapitel
[16] Lenin 6., LW 25/400
[17] siehe besonders Marx 7., MEW 18/160 und Engels 7., MEW 22/234
[18] Lenin 6., LW 25/415
[19] Dutschke, S. 155
[20] Bahro, S. 112
[21] Lenin 6., LW 25/502
[22] Lenin 6., LW 25/484
[23] Marx 6., MEW 19/20
[24] Lenin 6., LW 25/485
[25] Lenin 6., LW 25/484
[26] Bahro, S. 114
[27] Lenin 6., LW 25/499
[28] Lenin 6., LW 25/496
[29] Lenin 9., LW 5/379
[30] Lenin 11., LW/EB Okt. 1917März 1923, S. 441
[31] Lenin 10., LW 31/281
[32] Lenin 10., LW 31/283
Anmerkungen zum 6. Kapitel:
[2] Dutschke, S. 157
[3] Deutscher 1., S. 448
[4] Elleinstein, S. 23
[5] ebenda, S. 24
[6] Lenin 5., LW 30/144
[7] Lenin 4., LW 32/227
[8] ebenda, S. 10
[9] ebenda
[10] ebenda
[11] ebenda, S. 13
[12] ebenda
[13] ebenda, S. 12
[14] Lenin 3., LW 33/46
[15] Deutscher 1., S. 472f und S. 539
[16] Lenin 9., LW 26/95
[17] Lenin 3., LW 33/46
[18] Elleinstein, S. 35
[19] Deutscher 2., S. 153
[20] Bahro, S. 130
[21] ebenda, S. 132
[22] ebenda, S. 30ff
[23] ebenda, S. 31
[24] ebenda, S. 147
[25] Elleinstein, S. 72
[26] ebenda, S. 63
[27] Bahro, S. 120
[28] ebenda
[29] Deutscher 1., S. 66ff
[30] ebenda, S. 241
[31] Deutscher 2., S. 83ff
[32] Deutscher 1., S. 467ff
[33] Deutscher 2., S. 79
[34] ebenda
[35] Bahro, S. 136
[36] Rauch, S. 194
[37] Engels 4., MEW 7/400f
[38] Trotzki 1., Kapitel V Sowjetthermidor
[39] ebenda, S. 89
[40] ebenda, S. 90
[41] ebenda
[42] ebenda, S. 91
[43] ebenda, S. 93
[44] ebenda, S. 94
[45] ebenda, S. 95
[46] ebenda, S. 95ff
[47] ebenda, S. 98
[48] ebenda, S. 111
[49] Bahro, S. 123
[50] Dutschke, S. 101
[51] ebenda, S. 106
[52] ebenda, S. 319
[53] ebenda, S. 29
[54] ebenda, S. 115f
[55] ebenda, S. 329
[56] Masuch 2., S. 742ff
[57] Bahro, S. 21
[58] ebenda, S. 57ff
[59] ebenda, S. 58
[60] ebenda, S. 22
[61] ebenda, S. 106
[62] ebenda, S. 23
[63] ebenda, S. 58
[64] ebenda, S. 30ff + 136
[65] ebenda, S. 118ff
[66] ebenda, S. 69
[67] ebenda, S. 106
[68] ebenda, S. 111
[69] ebenda, S. 71
[70] ebenda, S. 116
[71] ebenda, S. 79f
[72] ebenda, S. 91
Anmerkungen zum 7. Kapitel:
[2] Reich 1., Kapitel I.4., S. 44ff
[3] ebenda, S. 45
[4] ebenda, S. 48
[5] ebenda, S. 49
[6] ebenda, S. 50
[7] ebenda, S. 50f
[8] ebenda, S. 198
[9] ebenda, S. 199
[10] ebenda, S. 209
[11] Bahro, S. 346ff
[12] ebenda, S. 224
[13] ebenda, S. 121
[14] ebenda
[15] ebenda
[16] ebenda, S. 232
[17] ebenda, S. 226
[18] ebenda, S. 228f
[19] ebenda, S. 229
[20] ebenda
[21] ebenda, S. 226
[22] ebenda, S. 233
Copyright © by Peter Möller, Berlin.