Liberalismus


Liberalismus

Der Liberalismus ist eine ursprünglich politische, dann eine ökonomische, gesellschaftliche und philosophische Theorie und Weltanschauung, die die Freiheit des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt. Als Begründer des politischen Liberalismus gilt  John Locke. Als Begründer des ökonomischen Liberalismus gilt Adam Smith. Weitere bedeutende Theoretiker des Liberalismus sind u. a. John Stuart Mill, Herbert Spencer, Max Weber und John Rawls.

Der klassische Liberalismus ist vereinfacht ausgedrückt die Auffassung, jeder Mensch solle machen (können), was er will, solange er nicht durch sein Tun anderen Menschen das gleiche Recht nimmt. Und der Staat hat nur die Aufgabe, darauf zu achten, dass niemand durch sein Handeln die Rechten anderer verletzt. (Nachtwächterstaat) Im Gegensatz zum Anarchismus sieht der Liberalismus aber grundsätzlich die Notwendigkeit des Staates. [1]

Grundauffassungen des Liberalismus:

Adam Smith ging davon aus, dass der einzelne Mensch bei seinem Streben nach Gewinn und Wohlstand ohne es zu beabsichtigen auch für das Wohl der Gesellschaft sorgt. Erst nach Smith stellte sich heraus, dass eine solche Wirtschaft ohne jeden staatlichen Eingriff regelmäßig zu katastrophalen Wirtschaftskrisen und zur Verelendung großer Teile der Bevölkerung führt. Die Auffassung, dass der Staat zumindest in kleinem Rahmen auch die Pflicht hat, für die materielle und kulturelle Wohlfahrt seiner Bürger zu sorgen, ist bei den Liberalen eher jüngeren Datums. Heutige Liberale fordern in der Regel zwar eine weitgehende aber keine totale wirtschaftliche und soziale Abstinenz des Staates.

Es gibt verschiedene Strömungen unter den Liberalen, z. B. ausgeprägte Wirtschaftsliberale (wie die gegenwärtige FDP), die Öko-Liberalen (wie die gegenwärtigen Grünen [2]) und Sozialliberale (viele Mitglieder SPD), die auch der sozialen Frage gegenüber eine gewisse Sensibilität haben. Die Demokratische Partei in den USA gilt vielfach als sozialliberal, obwohl ihre sozialen Forderungen weit hinter dem zurückbleiben, was in den meisten Ländern Europas selbst nach Sozialstaatsabbau noch an Sozialstaat besteht.


Meine Kritik am Liberalismus

Liberal wird oft als Gegenbegriff zu Diktatur benutzt, zu Absolutismus, zu autoritären Gesellschafts- und Staatsformen. In dieser Gegenüberstellung bin ich liberal! Liberalismus bedeutet aber mehr als dies. Auf das darüber hinausgehende bezieht sich meine Kritik.



Der Liberalismus war die Weltanschauung des aufstrebenden Bürgertums zu einer Zeit, als noch Kaiser und Könige absolutistisch herrschten. Das Streben nach Freiheit des Einzelnen und der Begrenzung staatlicher Macht begrüße ich prinzipiell. Da das Bürgertum aber auch zu diesen Zeiten schon Eigentum hatte (im Gegensatz zu Arbeitern, landlosen Bauern, Tagelöhnern etc.), war der Liberalismus von Beginn an blind gegenüber der Tatsache, dass Unfreiheit und Unrecht auch ihre Gründe in unterschiedlicher Verteilung des Eigentums haben.

Eine besonders zentrale Forderung der Liberalen ist das Recht auf Privateigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. D. h., wer kein Privateigentum hat, hat keine Freiheit. Und wieviel Freiheit jemand hat, hängt ab von der Menge, von der Größe seines Privateigentums. Beispiel: Jeder hat das Recht eine Reise um die Welt zu machen. Aber die wenigsten können sie sich wirtschaftlich leisten. Somit haben sie dieses Recht aber faktisch auch nicht. Damit haben Liberale überhaupt kein Problem.

Beispiel Sklaverei: Die Liberalen sind gegen die Sklaverei. Werden die Sklaven aber nur freigelassen, dann sind sie anschließend eigentumslos. Da sie aber von Natur aus dazu verdammt sind, zu essen, zu trinken, sich zu kleiden, eine Unterkunft zu haben etc., müssen sie, bei Strafe des Untergangs, bei denen arbeiten, denen die Fabriken, Plantagen oder einfach nur das Geld gehört. In der Regel sind die Ergebnisse ihrer Arbeit mehr Wert, als der Lohn den sie bekommen, wodurch ihre Arbeitgeber noch reicher und die soziale Ungleichheit noch größer wird. Damit haben Liberale überhaupt kein Problem.

Beispiel Rechtsstaat: Theoretisch hat jeder das Recht, sich an die Gerichte zu wenden. Aber der finanziell Stärkere hat dabei erhebliche Vorteile. Weit ab vom eigenen Wohnort Klage zu erheben, sich teure Anwälte zu leisten, das können nur mehr oder weniger Reiche. Damit haben Liberale überhaupt kein Problem.

Es gibt strukturelle Gewalt, aus der Struktur der Gesellschaft und Wirtschaft hervorgehende Formen von Unfreiheit und Unrecht. Es gibt ökonomische Einschränkungen der Freiheit bzw. fundamental unterschiedliche Reichweiten von Freiheit. Gegen diese wirtschaftliche Beschränkung von Freiheit und Recht hat der Liberalismus nichts. Der Liberalismus ist eben in einem beträchtlichen Maße die Weltanschauung der Privilegierten, die ihre Freiheit behalten und gegen allzuviel Staat verteidigen, die aber ihre Privilegien nicht mit den Unterprivilegierten teilen wollen. [3]

So ist auch die liberale Partei in Deutschland, die FDP, die Interessenorganisation der Reichen in Deutschland. Unabhängig davon, warum auch immer sie reich sind. Und um so reicher jemand ist, um so stärker die Interessensvertretung durch die FDP.

Wenn es der FDP wirklich um die Förderung von Leistung und von Leistungsträgern ginge, dann würde sie sich stärker gegen leistungslosen Reichtum, gegen leistungsloses Einkommen einsetzen. Aber so ist es nicht. Reiche dürfen faul sein, Arme nicht. Das ist FDP.

Wenn es der FDP wirklich um Marktwirtschaft und primär um den Mittelstand ginge, dann würde sie sich stärker gegen die Großkonzerne wenden, die den Mittelstand mit ihren Monopolpreisen (Marktpreise wären niedriger) ausplündern und sich im Gegensatz zum Mittelstand mit diversen Tricks darum drücken können Steuern zu zahlen. Aber die FDP bekommt gerade von diesen Großkonzernen einen Großteil ihrer Parteispenden. »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.«

Ein wichtiger Punkt im Liberalismus ist das Misstrauen gegenüber dem Staat auch und gerade was staatliche Aktivitäten im ökonomischen Bereich anbetrifft. Die weltweite Finanzkrise, hervorgerufen durch die hemmungslose Geldgier der international agierenden Finanzkapitalisten, zeigt was von dieser Auffassung zu halten ist. Würde der Staat abstinent bleiben, würde die Weltwirtschaft völlig zusammenklappen.

Der Bürger hat das Bedürfnis nach Freiheit und nach Sicherheit. Zwischen diesen beiden Bedürfnissen muss oft abgewogen werden. Staatliches Handeln kann nicht in allen Maßnahmen beides zugleich schützen. FDP-Politiker setzen in der Regel Freiheit höher an als Sicherheit. Was von denen z. B. an Datenschutz betrieben wird, ist oft faktisch »Täterschutz«.

Zu erwähnen bleibt noch, dass Teile des Bürgertums und andere Privilegierte nicht liberal, sondern konservativ sind.

Zwei Meldungen vom 21. Januar 2009:

1. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt fest, dass seit 2002 die Schere zwischen Arm und Reich größer geworden ist. Die Reichen wurden reicher, die Armen wurden ärmer.

2. Der FDP-Vorsitzende Westerwelle fordert ein »niedriges und gerechtes Steuersystem.«. Konkret eine Senkung der Steuern. Je reicher jemand ist, um so größer der Vorteil aus einer solchen Steuersenkung. Die Schere zwischen arm und reich wird dann nocheinmal größer.

Das verstehen Liberale unter »Gerechtigkeit«.



Anmerkungen

Anm. 1: Es gibt einige Hyperliberale, die den Staat durch freiwillige Gruppenbildungen u. ä. ersetzen wollen, z. B. die  Extropianer. – Zurück zum Text

Anm. 2: Auch die Grünen, eine ehemals linke, heute liberale Partei, die nicht so wirtschaftsfreundlich und unsozial ist, wie die FDP, zeigt in ihrer hohen Bewertung der Ökologie, die zum Teil in  Ökologismus ausartet, zum Teil unsoziale Züge. Bio-Anbau ist ja schön und gut. Aber Massenwohlstand hat Massenproduktion zur Voraussetzung. Würden wir nur noch Bio-Anbau und statt Discountern nur die lieben kleinen Tante Emma Länden haben, würde das bei den ärmeren Teilen der Bevölkerung zu einem drastischen Rückgang ihres Lebensstandards führen. Viele ehemals linke Grüne haben dafür so gut wie überhaupt keine Sensibilität mehr. Sehen Sie hierzu auch  Massentierhaltung. – Zurück zum Text

Anm. 3: Sehen Sie hierzu auch eine Anmerkung zum  Kategorischen Imperativ Kants. – Zurück zum Text


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