Anselm von Canterbury


Anselm von Canterbury

Anselm von Canterbury (1033–1109), in der Literatur oft kurz Anselm, war ein Theologe und Philosoph italienischer Abstammung der später in England Bischof wurde. (Im Mittelalter spielten Volkszugehörigkeiten eine untergeordnete Rolle. Die Sprache der Gebildeten war überall in Europa Latein.) Anselm war ein wichtiger Vertreter des Universalienstreits, wo er den  Realismus vertratt. Anselm gilt den meisten Fachleuten als Begründerr der mittelalterlichen Scholastik und Mystik. In der theologischen und philosophischen Welt ist Amseln besonders bekannt wegen seines angeblich unumstößlichen »ontologischen Gottesbeweises«.

Glaube und Vernunft: Nachdem es im 10. Jahrhundert zu einem Kulturverfall gekommen war, trat mit Anselm von Canterbury im 11. Jahrhundert wieder ein Kirchenlehrer auf, der eine enge Verbindung von Glauben und Vernunft postulierte. Nun wurde dies aber nicht mehr – wie bei Eriugena 200 Jahre vorher – als Ketzerei betrachtet. Allerdings auch deshalb, weil Anselm das Denken dem Glauben eindeutig unterordnete. (Credo ut intelligam.) Dieser von Anselm geprägte Satz gibt in aller Bestimmtheit den Standpunkt der Scholastik wieder. Doch ist der Glaube da, so wäre es nach Anselm fahrlässig, die Vernunft nicht zur Bekräftigung des Glaubens einzusetzen.

Gottesbeweis: Eine traurige Berühmtheit hat Anselm wegen seines angeblich unumstößlichen »Gottesbeweises« erlangt. Gott sei das, größer als welches nichts gedacht werden könne. Wenn dieser Gott aber nur im menschlichen Geist vorhanden wäre, so ließe sich noch etwas größeres denken als das, größer als welches nichts gedacht werden könne – nämlich derselbe Gott als nicht nur im Geist, sondern auch in der Realität vorhanden. Dies sei ein Widerspruch und damit sei die Existenz Gottes bewiesen. (Ähnlich argumentiert später  Descartes, bei seinem »1. Gottesbeweis«.

Dieser »Gottesbeweis« wird auch  »ontologischer Gottesbeweis« genannt. Aus der Existenz des Begriffs einer Sache wird ein Beweis für die reale Existenz der Sache abgeleitet. Noch zu den Lebzeiten Anselms meinte ein Mönch Namens Gaunilo, dass man mit dieser Methode so gut wie alles beweisen könne, auch die Existenz von Fabelwesen.


Kritik an Anselm

Zum Gottesbeweis Anselms: Ich sage, das Sein ist alles, was in irgendeiner Weise existiert, ob ich es kenne oder nicht. Außerhalb des Seins kann es nichts geben, da alles, was es gibt, per Definition Teil des Seins ist. Wenn ich dieses allumfassende Sein nun »Gott« nenne (und dies haben ja viele Philosophen gemacht), dann kann tatsächlich nichts größeres gedacht werden als Gott. Aber gleichzeitig ist der  Begriff »Gott« auch soweit gefasst, dass er jeden Erklärungswert verliert! Wenn das Ganze Gott ist, dann ist nichts darüber ausgesagt, welche Teile des Ganzen (z. B. Materie und Bewusstsein) das Primäre, das Ausschlaggebende sind, ob es eine den Menschen übergeordnete allmächtige, sich wissende Person gibt. Ein solch weiter Gottesbegriff hat genauso wenig Wert, wie der Materiebegriff  Lenins. Ob man nun das Ganze Gott nennt, oder Materie, das macht dann keinen Unterschied, nur dass man zwei verschiedene Wörter benutzt. Außerdem lehnt die christliche Orthodoxie ja gerade die Auffassung ab, Gott sei mit dem Ganzen identisch.


Zitate von Anselm

»Ich glaube, um zu erkennen.«

»Der Glaube lässt uns begreifen, dass es etwas Unbegreifliches gibt.«

Gott sei »das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann.«

»Mors certa, hora incerta.« [Lat. Meine Übersetzung: Der Tod ist gewiss, ungewiss seine Stunde.]


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