Wilhelm Reich


Wilhelm Reich kurz und knapp

Wilhelm Reich (1897–1957) war ein österreichisch-amerikanischer Psychologe und Gesellschaftstheoretiker jüdischer Abstammung. Ursprünglich ein Schüler Freuds, versuchte er später eine Verbindung  psychoanalytischer und marxistischer Gedanken. Wie bei Freud, wenn auch im Detail vielfach anders, war ebenso bei Reich die Sexualität der Dreh- und Angelpunkt aller Erklärungen. Im Gegensatz zu Freud beschäftigte er sich auch stark mit der Gesellschaft und vertrat einen linken, einen kommunistischen Standpunkt. Besonders mit seinen Schriften Massenpsychologie des Faschismus und Die sexuelle Revolution hatte er auf die Studentenbewegung der späten 60er und frühen 70er Jahre einen größeren Einfluss. Ca. ab 1937 allerdings veränderte Reich seine Positionen stark und das eben Gesagte traf auf ihn nicht mehr zu. Deshalb wird heute zwischen dem frühen und dem späten Reich unterschieden.

Für Wilhelm Reich ist die Unterdrückung der frühkindlichen Sexualität ein sehr wichtiger Faktor bei der Entstehung der Verhaltensweisen. Das Bewusstsein sei nur ein kleiner Teil des Seelischen und werde von unbewussten Seelenvorgängen dirigiert. Die Sexualenergie sei der zentrale Motor des Seelenlebens, sobald die sexuellen Bedürfnisse in Widerspruch geraten würden zu den gesellschaftlichen Bedingungen. Im Seelischen würden natürliche Voraussetzungen und gesellschaftliche Bedingungen aufeinander treffen. Die moralischen Instanzen im Menschen seien ein Produkt der Erziehung und wendeten sich besonders gegen die Sexualität. Es entstehe ein innerer Widerspruch von Trieb und  Moral. Die verdrängte Sexualität werde zur Ursache für Komplexe, Neurosen usw.

Reich fragte nun, warum die Sexualität von der Gesellschaft unterdrückt wird. Die augenblicklichen patriarchalischen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse machten die Sexualunterdrückung notwendig. Die Sexualunterdrückung stehe nicht am Anfang des Kulturprozesses, (wie  Freud annahm), sondern am Beginn der Klassenspaltung. Durch die moralische Hemmung der natürlichen Geschlechtlichkeit (und die daraus entstehenden psychischen Störungen) würden die Menschen ängstlich, scheu, autoritätshörig, gehorsam und erziehbar gemacht. Sie schaffe einen Menschen, der sich widerspruchslos beherrschen und ausbeuten lasse.

Die Unterdrückung grob materieller Bedürfnisse führe zur Rebellion. Die Unterdrückung sexueller Bedürfnissen führe zu deren Verdrängung und verhindere die Rebellion gegen beide Arten der Unterdrückung. Die Sexualunterdrückung schaffe darüber hinaus eine sekundäre Kraft, die die patriarchalische Gesellschaft stütze. Die unterdrückte Sexualität suche nach Ersatzbefriedigung. So werde die natürliche Aggressivität gesteigert zu brutalen Sadismus und dieser zur Ursache von Folter, Krieg, KZ u. ä. Der Militarismus baue auf den exibitionistischen Charakter der Uniform oder auf den erotisch aufreizenden, da rhythmischen Parademärschen auf.

Reich führte die Entwicklung in der Sowjetunion speziell darauf zurück, dass die sexuelle Revolution gebremst und unterdrückt wurde. Die Rückschritte in den 20er und 30er Jahren seien begründet in den »autoritätssüchtigen Strukturen der Massenmenschen«.

Der späte Reich: Ab ca. 1937 driftet Reich in obskure Arbeitsmethoden ab, aus denen er ebenso obskure »naturwissenschaftliche« Theorien ableitet. Er entdeckt angeblich neue Materieformen und Strahlungen, sowie die Entwicklung von Leben aus unbelebter Materie. Er entwickelte dubiose Geräte zur Krebsbekämpfung, zur Wetterbeeinflussung und ein Gerät mit dem er glaubte, Kontakt zu Außerirdischen aufnehmen zu können. In seriösen wohlwollenden Prüfungen wurden Reichs Auffassungen widerlegt, was natürlich diverse Sekten nicht davon abhält, weiterhin an sie zu glauben.


Meine Kritik an Reich

Dass die Befreiung bzw. Enttabuisierung der Sexualität zum Ende der Klassengesellschaft führt, hat sich so leider nicht bewahrheitet. Inzwischen haben in vielen Ländern der Welt große Teile der Bevölkerung die Sexualunterdrückung überwunden, ohne dass dies zum Ende von sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen geführt hätte. (Oder dass sexuell »befreite« Menschen wesentlich netter seien als »nicht-befreiete«.) Aber Reichs Theorien geben durchaus Teilwahrheiten wieder. (Ob man die heutige westliche Gesellschaft noch mit dem Klassenmodell für sinnvoll erklärbar hält, ist eine andere Frage. Ich halte ein Schichtenmodell für angebrachter.)


Zitate Reichs

»Liebe, Arbeit und Wissen sind die Quellen unseres Daseins. Sie sollen es auch regieren.«

»Ich bin aus eigener Erfahrung durch Beobachtungen an mir und anderen zur Überzeugung gekommen, daß die Sexualität der Mittelpunkt ist, um den herum das gesamte soziale Leben wie die innere Geisteswelt des einzelnen [...] sich abspielen....«

»Die Sexualwissenschaft ist [ ... ] politisch und links, ob sie will oder nicht.«


Literatur und Sekundärliteratur

Literaur (Auswahl)
Der frühe Reich:

Der späte Reich:
Sekundärliteratur


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