Sven Zprottenkopp

Abendliches Gespräch in der WG

»Also, das Erste was ich sagen wollte, die Küchentür muss jetzt immer zu bleiben, sonst läuft uns unsere Maus weg.«

»Iiihhh, wir haben eine Maus in der Küche? Und das sagst du mir erst jetzt, du Sadist, wo ich seit einer halben Stunde barfuß hier sitz! Was machen wir denn jetzt?«

»Ja, ich weiß auch nicht. Was soll man als Ökologe und Tierfreund, der außerdem noch buddhistisch angehaucht ist, gegen eine Maus machen? Wir können die doch nicht einfach ermorden.«

»Vielleicht sollten wir uns eine Katze anschaffen.«

»Dann können wir doch gleich einen Killer engagieren.«

»Außerdem wenn die Katze die Maus frisst, wer frisst dann die Kakerlaken?«

»Also ich schlage vor, dass wir zwar eine Katze besorgen, aber vorher der Maus noch eine weitere Maus beifügen, damit die sich vermehren können, und wenn die Katze die Mäuse frisst, dann bleiben doch zumindest immer noch einige Mäuse übrig, die ihrerseits wiederum die Kakerlaken fressen, aber auch nur soviele, dass immer noch einige Kakerlaken übrig bleiben, die ihrerseits wiederum die Brotkrümel ...«

»Also mit anderen Worten wir sollten auch in der Küche ein ökologisches Gleichgewicht ...«

»Die Spinnweben lassen wir ja auch schon ...«

»Igitt, Mensch, atme doch nicht immer so in meine Richtung. Du stinkst aus dem Mund. Du hast dir schon mal wieder nicht die Zähne geputzt.«

»Na und? Die Geruchsbakterien wollen auch leben. Auch in meinem Mund herrscht ein ökologisches Gleichgewicht.«

»Das bezweifle ich aber sehr, wenn ich mir deine Zähne anguck'.«

»Kommt, Leute, lasst uns das nicht zu emotional werden heute abend. Ich muss noch 'n Referat schreiben. Wir verschieben das Mausproblem auf nächste Woche. Das läuft uns ja nicht weg.«

»Die! Die läuft uns ja nicht weg.«

»Ach, komm, du würdest das doch sehr nett finden, wenn dir mal so eine süße kleine Maus ins Bett kriechen würde. Geb's doch zu.«

»Was haben Mäuse und Frauen gemeinsam? Sie können zur Plage werden.«

»Also jetzt reicht's aber, ja!«

»Komm, mach dein EMMA-Heft zu. Wir haben hier wichtigeres zu besprechen.«

»Ja, Sigrid beschwert sich, dass du wieder nicht abgewaschen hast.«

»Und? Ich bin ja auch gar nicht mehr dran diese Woche. Sag das mal Günter, der lässt schließlich immer sein dreckiges Geschirr stehen.«

»Und du? Du lässt doch dein geliebten Vogel durch die Küche fliegen, der hier immer alles vollscheißt. Was meint du, warum der Kaffee heute morgen so merkwürdig geschmeckt hat? Also bei allem ökologischen Gleichgewicht, irgendwo hat das ja wohl mal seine Grenzen.«

»Mit meinem Vogel hat das gar nichts zu tun.«

»Natürlich! Der sitzt da doch immer auf der Kaffeemaschine und kackt in den Wasserbehälter«

»Und deine Bekannten? Warum musst du denn unbedingt Leute einladen, die halbvolle Fischdosen gegen die Wände klatschen?«

»Das war ein Unglücksfall.«

»Ha! Ha! Ein Unglücksfall? Das war ein Kasten Bier zuviel war das.«

»Also Günter zieht doch sowieso aus. Wir müssen noch klären, wenn wir hier neu reinnehmen.«

»Ich schlage vor, wir setzen eine Annonce in die Zeitung: ›Freundliche WG sucht Mitbewohnerin. Erwünschte Hobbys: Geschirrspühlen und Cloputzen‹.«

»Warum denn gerade eine Mitbewohnerin

»Tss, wegen der Quote, natürlich. Gleichgewicht der Geschlechter.«

»Und sie soll natürlich noch Interesse an einer sehr engen Lebensgemeinschaft haben, das ist doch wohl, was du willst?«

»Und? Ist es etwa verboten, etwas für das hormonelle Gleichgewicht zu tun? Das gehört einfach zum Haushalt der Natur.«

»Da wir gerade bei Haushalt sind, wie sieht's eigentlich mit der Haushaltskasse aus?«

»Gute Frage. Guckt mal aus dem Fenster, wer da aus seinem Mercedes quillt. Die Vermieter wollen schon wieder mal Geld.«

»Ich frage mich bloß, warum ich immer an NATO und Warschauer Pakt denken muss, wenn ich die beiden seh.«

»Ist doch ganz klar: Gleichgewicht des Schreckens.«


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