Sven Zprottenkopp

Was hat er sich denn dabei wieder gedacht?

Geschrieben nach dem Erdbeben in Armenien im Dezember 1988

Was hat er sich denn dabei wieder gedacht? Erdbeben in Armenien. 50.000 Tote, zigtausende Verletzte und Verkrüppelte. Zweieinhalb Wochen vor Weihnachten! Zum Fest der Liebe, an dem selbst hartgesottene Geizhälse ihren Moralischen kriegen? Also nach Weihnachten, okay! Aber davor? Da vergeht einem ja die gesamte Festtagsfreude.

Na ja, ich kann ja noch verstehen, dass der »Liebe« Gott zu seinem Geburtstag, bzw. zum Jubiläum seiner Vaterschaft – der »Liebe« Gott feiert ja beides auf einmal – im Himmel ein paar neue Gesichter sehen möchte und nicht immer nur die Alten. Heißt ja nicht umsonst »Ihr Kinderlein kommed«. Mal eben ein paar hundert Schulen einstürzen lassen und Kindergärten und es kommt ein bisschen frischer Wind ins Paradies.

Aber wozu denn die Verletzten, Obdachlosen, Verkrüppelten, Frierenden, Hungernden, vor körperlichem und psychischem Schmerz wahnsinnig gewordenen?

Na ja, Verkrüppelte und andere Leidende werden das Paradies natürlich vielmehr zu schätzen wissen, als solche, die ihr Leben auf der Erde genießen konnten. Denn auf einer Wolke zu sitzen und Hosiana zu singen (katholische Variante), bzw. für den Rest der Ewigkeit das Antlitz Gottes zu schauen (evangelische Variante) ist sicherlich auch nicht jedermanns Sache.

Oder vielleicht hat der »Liebe« Gott ja auch gerade mal wieder eine Wette laufen mit dem Teufel, wie damals bei Hiob. Kennen Sie die Geschichte nicht? Als Gott mit seinen Kindern zusammensaß, da kam doch auch mal der Teufel des Weges und da entspann sich dann ein Gespräch – ich kann das natürlich nicht wörtlich wiedergeben, ich weiß ja gar nicht, in welcher Sprache die sich unterhalten haben, aber sinngemäß. Gott: »Hallo, wie geht's, was treibst du so etc.« (Da Gott allwissend ist, war das natürlich nur eine rhetorischen Frage.) Und der Teufel: »Ach Gott, ich bin halt so'n bisschen auf der Erde gewandelt, nä, und ...« »So? Ist ja geil, du. Aber äh ... sag mal, hattest du denn auch acht auf meinen Knecht Ruprecht, äh ... Knecht Hiob, mein ich?« »Ach, der Hiob«, sagte der Teufel, »dass der gottesfürchtig ist, das ist ja kein Wunder. Dem geht es ja auch aller erste Sahne. Aber, was glaubst du, wenn du den mal 'ne Zeitlang in meine Hände geben würdest ...« Na ja, und dann hat der »Liebe« Gott dem Teufel das Recht gegeben, dem Hiob mal so ein paar Depri-Einheiten reinzudrücken. Da hat der Teufel dann die Häuser von dem Hiob einstürzen lassen, seine ganze Familie massakriert usw. (also ein Erdbeben in kleinerem Rahmen). Ich weiß nicht, wie die Geschichte ausgegangen ist, ich habe sie nicht zu Ende gelesen. Sie war mir dann doch zu grausam. Da lese ich lieber gleich de Sade. Da ist wenigstens noch ein bisschen Pornographie bei. Und die fehlt bei der Hiobsgeschichte ja nun völlig.

Aber vielleicht hat das Erdbeben auch darin seinen Grund, dass die Armenier ein uraltes christliches Volk sind. Deshalb werden sie bei der Heimholung ins Paradies wohl besonders bevorzugt. (Siehe auch den Völkermord an den Armeniern durch die Türken 1914/15.)

Seinem ureigensten Volk, den Juden, hat er ja ebenfalls das Vorrecht eingeräumt, zu Millionen schon vorzeitig ins Paradies einzurücken. (Wobei die Juden als Nichtchristen streng genommen ja gar nicht in den Himmel dürfen! Die kommen direkt aus der Gaskammer ins Fegefeuer. Auch die Kinder.)

Sehen sie, die Äthiopier sind ja auch schon seit frühesten Zeiten Christen und die hatten ja jahrelang diese fürchterliche Dürre. Und da haben sie ständig gejammert »Dürre! Dürre! ›Lieber‹ Gott, lass das doch regnen.« Tja, und dann hatte der »Liebe« Gott genug gehabt, von diesem ewigen Gejammer und hat es regnen lassen, ich glaube, das ist jetzt gerade ein Jahr her, auch so zu Weihnachten, als Wiedergutmachung gleich in einer Woche den Regen der letzten zehn Jahre und da waren die Leute schon wieder nicht zufrieden! »Überschwemmung! Überschwemmung!« Wie man das macht, macht man das verkehrt! Der »Liebe« Gott ist doch auch nur ein Mensch, hätte ich beinahe gesagt. Jedenfalls der zweite Teil ist ja Mensch geworden. Deshalb feiern wir ja Weihnachten.

Ja, der »Liebe« Gott besteht doch aus drei Teilen, von denen der dritte Teil den zweiten Teil als Sohn des ersten Teils gezeugt hat. Ja! Können sie mal nachlesen. Später hat ja dann der erste Teil den zweiten Teil auf grausamste Weise am Kreuz sterben lassen. Also ein sadistischer – oder masochistischer? – Zug war dem ja schon immer eigen.

Besonders merkwürdig finde ich auch noch dieses kannibalistische Beiwerk, dass Leib und Blut des zweiten Teils nun auch noch allsonntaglich an die Gläubigen verfüttert werden.

Warum, um Gottes Willen, sind eigentlich gerade Christen so gegen diese Horror-Vidios?

(Später Zusatz: Die Römer hatten ziemlich brutale Hinrichtungsmethoden. Ich habe mich schon des Öfteren gefragt, was wohl passiert wäre, wenn die Jesus nicht ans Kreuz genagelt, sondern von einem Esel hätten totbeißen lassen. Wäre dann ein Eselskopf das Symbol der Christenheit geworden?)


Ein Weihnachtsgedicht



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